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Winghart, Stefan [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Kaspar, Fred [Bearb.]; Gläntzer, Volker [Bearb.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Güter, Pachthöfe und Sommersitze: Wohnen, Produktion und Freizeit zwischen Stadt und Land ; [... 23. Jahrestagung der nordwestdeutschen Hausforscher im März 2011 ...] — Hameln: Niemeyer, Heft 43.2014

DOI Heft:
Landgüter von Bürgern und Beamten, Lebens- und Wirtschaftsformen
DOI Artikel:
Prinzhorn, Carolin Sophie: Steinwerke in Stadt und Land Osnabrück
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51273#0306
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Landgüter von Bürgern und Beamten - Lebens- und Wirtschaftsformen

das Natruper Tor und die Bocksmauer, auf dem das
Steinwerk mit Vorderhaus die südöstliche Ecke be-
setzte, ist eine ansonsten stadttypische straßenzeilige
Bebauung auszuschließen. Stattdessen können wir
uns für die Bauzeit um 1200 eine differenzierte Hof-
bebauung vorstellen, die neben den Wohnbauten
und dem archäologisch nachgewiesenen Gartenland
über eine unbekannte Zahl weiterer Gebäude für
Vieh, Pferde, Wagen und Gesinde verfügt haben wird.
Schlussfolgerungen
Die Ausstattung des Steinwerkes und auch des zu
rekonstruierenden Vorderhauses ist angesichts der
Abfolge von stets werksteingefassten Biforienfens-
tern, Rundbogenöffnungen, Nischen und den Feuer-
stellen als überaus repräsentativ zu bezeichnen. Die
bislang von der Forschung als Vorderhäuser der Stein-
werke vorgeschlagenen kleinen Fachwerkhäuser fal-
len demgegenüber sicherlich zu unscheinbar aus und
dürfen im Hinblick auf die hier vorgestellten Befunde
möglicherweise auch andernorts größer rekonstruiert
werden. An archivalischen Nachrichten über diese
mehrteiligen Bauten aus Haus und Steinwerk liegen
aus Osnabrück sowohl eine Nennung mit Fachwerk-
haus und Steinwerk als auch mit steinernem Vor-
derhaus vor.31 Die schriftlichen Überlieferungen lassen
im Allgemeinen jedoch keine Rückschlüsse auf den
Stand der Bauherrenschaft dieser repräsentativen
Wohnanlagen des 13. Jahrhunderts zu. Angesichts
des Kulturtransfers von oder nach Gotland durch rei-
sende Kaufleute liegt es nahe, das eine oder andere
Anwesen mit gewölbtem Steinwerk in Osnabrück
einem Fernhandelskaufmann zuzuschreiben. Die Er-
richtung eines Steinwerkes zu Speicherzwecken kann
für die älteren, gewölbten Steinwerke in Osnabrück
bislang jedoch nur am vorgestellten Beispiel in der

Bierstraße 7 anhand der Luke im Dachgeschoss nach-
gewiesen werden. Im Falle der Steinwerke auf dem
Ledenhof und an der Rolandsmauer sind aufgrund
der Befunduntersuchungen Luken im Dachgeschoss
auszuschließen.32 Beiden Gebäuden fehlt zudem das
Obergeschoss, sodass lediglich der Kellerraum als aus-
gewiesener Lagerraum angesprochen werden könnte.
Das Gewölbegeschoss des Steinwerkes an der
Rolandsmauer wurde überdies mit einem aufwändi-
gen Biforienfenster sowie Vier- bzw. Sechspassfens-
tern ausgestattet. Die repräsentativen Fensterformen
und das Fehlen von Luken schließt eine Nutzung als
Speicherraum nicht grundsätzlich aus, deutet jedoch
an, dass die Räume nicht in erster Linie zu Lagerzwe-
cken, sondern wohl vielfältiger genutzt wurden. Allen
drei Steinwerken ist gemein, dass sie auf Grund-
stücken liegen, die für das 13. Jahrhundert als ausge-
sprochen groß und in prominenter Ecklage rekonstru-
iert werden können. Der Ledenhof liegt zudem in der
südlichen Altstadt, einem Stadtbereich, der seit der
Aufsiedelungsphase bevorzugt von der städtischen
Führungsschicht, der bischöflichen Ministerialität und
dem Landadel für die Anlage raumgreifender Hofan-
lagen gewählt worden war.33
Es wird wahrscheinlich nicht gelingen, die Grün-
dungsfamilien der frühen Steinwerke mit Dachgewöl-
ben herauszufinden; ihre bautechnische Herausfor-
derung, repräsentative Erscheinungsform und Lage
verweist auf finanzstarke Bauherren, die sicherlich aus
den Reihen der Handelsleute, aber ebenso aus der
gerade beschriebenen adligen und nichtadligen Ober-
schicht stammten. Mit Blick auf das Thema dieser
Tagung können die Steinwerke somit als baulicher
Ausdruck der Schnittmenge aus Adel und Bürgertum
angesehen werden.

Anmerkungen
1 Die folgende Darstellung der ländlichen Steinwerke stellt
eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse zu
diesem Thema dar, die sich in ausführlicher Weise finden bei:
Carolin Sophie Prinzhorn, Die ländlichen Steinwerke des
Landkreises Osnabrück, in: Michael J. Hurst et. al. u. a.,
Steinwerke - ein mittelalterlicher Bautyp? Vorträge des Kollo-
quiums Steinwerke vom 2. bis 4. März 2006 in Osnabrück.
Osnabrück 2008, S. 257-288.
2 Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts und besonders im
ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde die Bauform des
steinernen Speichergebäudes im Osnabrücker Land erneut
aufgegriffen und erlebte einen regelrechten Bauboom, der
wohl mit der Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge im
Allgemeinen und dem vermehrten Kartoffelanbau im Beson-
deren zusammenhing. Diese jüngere Gruppe der Steinspei-
cher ist bei der Erfassung der ländlichen Steinwerke dieser
Region nicht berücksichtigt.
3 Die dendrochronologischen Gutachten wurden in der

Mehrzahl vom Büro Preßler (Gersten/Emsland) erstellt.
4 Für die Bereitstellung der Fotografie vom Romanischen
Haus in Rosheim danke ich Herrn Dr. Volker Gläntzer sehr
herzlich.
5 Für die aufmerksamen Hinweise auf die Bauten in Breiten-
au und Bergheim sei an dieser Stelle Herrn Dr. Jürgen Römer
vom Regionalmuseum Wolfhagener Land und Herrn Dr.-Ing.
Bernd Adam (Garbsen-Berenbostel) sehr herzlich gedankt.
6 Vgl. hierzu zuletzt Heinrich Siemer, Die Steinwerke im Dorf
und Kirchspiel Ankum. Ankum 2000.
7 Die beiden Lukenöffnungen am Steinwerk Schulte-Geers in
Ankum-Grovern messen lediglich (bxh) 37,5 x 74 cm bzw.
46x81 cm.
8 Eine erste baugeschichtliche Darstellung der Osnabrücker
Steinwerke lieferte Karl Brandi, Das osnabrückische Bauern-
und Bürgerhaus, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte
und Landeskunde von Osnabrück, 16, 1891, S. 265-314.
9 Hinzu kommen etwa 100 Verdachtsfälle. Im Rahmen des
Projektes „Osnabrücker S^einwerke" wurde im März 2006
 
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