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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 1
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Osterrieth, Albert: Der Urheberrechtsschutz der Werke der Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0012

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 1

wurf des er-
sten Architek-
ten. Nicht nur,
daß seine Ar-
beit eine ver-
gebliche ge-
wesen ist, daß
erkeinenLohn
für seine
Mühe, seinen
Zeit-undGeld-
aufwand fin-
det, sondern
er muß noch
zusehen, wie
ein andrer
durch Aus-
führung seiner
Arbeit sich ein
reiches Hono-
rar und auch
noch die An-
erkennung für
seine künstle-
rische Lei-
stung aneig-
net Ein andres
Beispiel. Ein Architekt hat im Grünewald eine Villa gebaut,
die durch ihre zweckmäßige Einrichtung und ihre gefällige
Anordnung allgemeinen Beifall erregt. Er hat als unbekannter
junger Künstler nur ein mäßiges Honorar erworben. Nach
einiger Zeit führt ihn eine Reise an den Rhein, und da findet
er zu seinem Erstaunen seine eigene Schöpfung in einer kleinen
Stadt zufällig wieder.
Ein ähnlicher Fall wurde dem Verfasser vor einigen Jahren
von einem französischen Architekten erzählt, der in seiner
Heimat in wirksamer Weise für einen gesetzlichen Schutz der
Baukunst eingetreten ist. Er hatte im Auftrage ein Grab-
denkmal für den Pere-Lachaise ausgeführt. Einige Jahre später
besuchte er in Südfrankreich einen Kirchhof und fand zu sei-
nem Erstaunen genau dasselbe Monumentaldenkmal bis in die
kleinsten Details getreu kopiert. Es war seine eigene Schöpfung;
der Künstlername aber, den er auf der Rückseite fand, war
nicht sein eigener, sondern der eines andern.
Ein weiteres Beispiel der Schädigung, die einem Archi-
tekten durch den heutigen Gesetzeszustand erwachsen kann,
ist folgendes: Der Urheber eines Baues mit reicher Fassade
findet im Schaufenster eines Kunstladens eine Mappe: Das
Haus X. in Abbildungen. Diese Mappe enthält die Risse,
die Fassaden und ferner getreue Abbildungen sämtlicher ein-
zelner architektonischer und ornamentaler Glieder. Der Ver-
leger hat mit dieser Veröffentlichung ein gutes Geschäft ge-
macht, als Herausgeber steht aber ein andrer auf dem Titel,
und dieser hat von dem Verleger das Honorar bezogen.
In allen den angeführten Fällen ist es die eigentliche
Schöpfung des ersten Architekten, die den Gegenstand der
Verwertung bildet, sei es durch bauliche Ausführung, sei es
durch Vervielfältigung und Verbreitung. In allen diesen Fällen
geht der Urheber eines Entgeltes für diese Verwertung ver-
lustig. Den Vorteil hat nur derjenige, der den Einfall gehabt
hat, gerade diese Schöpfung auszuwählen und sie mechanisch
auszuführen. Mechanisch ist die Ausführung oder Nachbildung
durch den Nachbildner insofern, als er ohne seine eigene
geistige Konzeption arbeitet, und als zur baulichen Ausführung
und zur Nachbildung nur eine technische Leistung notwendig
ist, die bei aller Vollkommenheit niemals dem Akte der eigent-
lichen künstlerischen Konzeption gleichwertig ist.
Daß ein Bedürfnis für einen Schutz gegen derartige Miß-
bräuche vorhanden ist, wird durch zahlreiche Klagen von
Architekten bezeugt, wenn auch die Architektenvereine erst in
letzter Zeit angefangen haben, sich eingehend mit der Frage
zu beschäftigen.

Hofkirche in Günzburg.


, In Frankreich, wo in Künstlerkreisen der Sinn und das
Verständnis für Rechtsfragen, die das Interesse des Künstlers
berühren, vielleicht früher und schärfer ausgebildet war, hat
schon seit langen Jahren eine tiefgreifende Bewegung nach
einem wirksamen Schutz der Baukünstler bestanden. Auch
das französische Gesetz war bis vor kurzer Zeit lückenhaft.
Das Gesetz von 1793 besagte nämlich, daß die Maler und
Zeichner einen Schutz für ihre Werke genießen. Von dem
Baukünstler wurde nicht ausdrücklich gesprochen. Infolge-
dessen war der Schutz, den die Gerichte den Architekten boten,
mangelhaft und ungenügend. Dank den langjährigen Be-
mühungen der französischen Architekten, insbesondere der
Caisse de defense mutuelle, von deren Mitgliedern besonders
die Herren Charles Lucas, Poupinel, Bartaumieux, Achille Her-
mant zu nennen sind, und den ausdauernden Bemühungen
der Association litteraire et artistique internationale, in der vor
allem der Pariser Advokat Georges Harmand sich der Frage
annahm, ist am 11. März 1902 ein Gesetz erlassen worden,
welches ausdrücklich die Architekten den übrigen Künstlern
gleichstellt, und damit einen Wunsch erfüllt, für den seinerzeit
auch der bekannte Schöpfer der Pariser Oper, Charles Garnier
energisch eingetreten war.
Infolge dieses neuen Gesetzes ist der Architekt in Frank-
reich dagegen geschützt, daß seine Entwürfe von andern
nachgebildet oder baulich ausgeführt werden, sowie ferner,
daß die von ihm ausgeführten Schöpfungen von andern in
baulicher Ausführung oder in Abbildung nachgebildet werden.
Der gleiche Schutz ist auch von dem in Vorbereitung befind-
lichen neuen Kunstschutzgesetz zu erhoffen.
Nun hat es ja ebensowohl bei uns wie in andern Ländern
nicht an Stimmen gefehlt, welche sich dagegen ausgesprochen
haben, die Architektur ebenso zu schützen, wie die andern
Künste. Gegen den Schutz wurde folgendes geltend gemacht:
Das Werk der Architektur könne nicht vervielfältigt werden
wie ein Buch, ein Stich oder ein Holzschnitt, die in zahllosen
Exemplaren abgezogen werden können. Allein abgesehen davon,
daß dies tatsächlich nicht richtig ist, da auch zahllose Ab-
bildungen eines Gebäudes verbreitet werden können, kommt
es beim Urheberrecht nicht darauf an, in wieviel Exemplaren
ein Werk nachgebildet wird, sondern ob es durch eine Nach-
bildung unbefugterweise wirtschaftlich verwertet wird. Es wird
ferner eingewendet, die Schöpfung des Architekten sei wesent-
lich gewerblicher Natur und könne daher den andern Kunst-
werken nicht gleichgestellt werden. Allein für das Recht kommt
nicht der Zweck einer Schöpfung in Betracht, sondern das-
jenige Moment, welches das Bauwerk mit jedem Werk der
Literatur oder
der übrigen
Künste ge¬
mein hat, näm¬
lich daß es aus
künstleri¬
schem Geiste
geboren, daß
es eine indivi¬
duelle Schöp¬
fung darstellt
und dadurch
eine ästheti¬
sche Wirkung
erzeugt. Dies
ist sowohl bei
dem einfach¬
sten Arbeiter¬
haus möglich,
wie bei dem
üppigen Mo¬
numentalbau
einer Kirche,
einem Parla¬
mentsge¬
bäude oder

Stadttor in Günzburg.


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