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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 5
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Leixner, Othmar von: Kirchenbau und Stimmungsarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0046

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 5




Detail von der Villa Wünsche in Ebersbach.
Architekten: Schilling & Gräbner in Dresden.
Bildhauer: Ernst Hottenroth daselbst.

Detail von einem Brunnen in Dresden-Plauen.
Architekten: Lossow & Viehweger in Dresden.
Bildhauer: Ernst Hottenroth daselbst.

den Nieder-
mit der ge-
Zeit. Was
zu den ge-
des Römers

letzten Beispiel byzantinischer Kunst
Die

Wasserspeier von der Kirche zu Turn bei Teplitz.
Architekten: Schilling & Gräbner in Dresden.
Bildhauer: Ernst Hottenroth daselbst.

Bevor wir dem christlichen Kirchenbau näher treten, wollen
wir daher Rückschau halten über die früheren Kunstperioden.
Die mächtigen Bauten der Ramessiden geben uns Zeugnis
höchsten Kunstempfindens, vollendete Stimmungsbilder, voll-
kommen im Einklang mit dem Kult und Ritus, voll überein-
stimmend mit dem religiösen Grundakkord,
tische
Aufbau
tektur.
idealen
Bilder von[Olympia, Athen und Pergamon, auch hier ist es
der Kultbau, der die größten Triumphe feiert. Das Bild ist
freilich ein anderes geworden; nicht der tiefe Ernst der ägyp-
tischen Kunst blickt uns hier entgegen; hier ist es die klassische
Ruhe in reinster Form, die Paarung von Würde und Anmut,
Ernst und Heiterkeit, die unser Herz erfreut, auch hier in
voller Übereinstimmung mit der heiteren Religionsanschauung
des klassischen Griechentums. Rom zeigt uns
gang des Kultbaues im innigen Zusammenhang
samten religiösen Anschauung der römischen
bedeuten die vielen Tempelbauten im Vergleich
waltigen Profanbauten? Der praktische Sinn
wendete dem Nutzbau weit größere Aufmerksamkeit zu. War
doch selbst das gewaltigste Werk römischer Kunst, das Pan-
theon, kein Kultbau, sondern ursprünglich zur Rotunde einer
Thermenanlage bestimmt. Kult- und
Profanbau erhalten den gleichen künst¬
lerischen Ausdruck. Im Kaiser als
Pontifex maximus gipfelt die höchste
geistliche Macht; er ist es, der sich
selbst göttliche Ehren erweisen läßt.
Schon regen sich aber bereits die Keime
einer neuen Heilslehre, der endlich
Christus durch sein Erscheinen Gestalt
verleiht. »Ich bin das Licht der Welt,
gehet hin und macht zu meinen Jün¬
gern alle Völker«. Siegreich dringt die
neue Lehre durch, den Sturz des Heiden¬
tums, den Sturz der Antike besiegelnd.
Mit Konstantin beginnt die neue Ära
des Kultbaues, der Kirchenbau. Das
bürgerliche Wohnhaus der römischen
Zeit wird zum Vorbild für das neue
Gotteshaus, die Basilika wird zum
Haupttypus für die ganze mittelalter¬
liche Kirchenkunst. Die altchristliche
Basilika sucht ihre volle künstlerische
Wirkung im Innern und gelangt in
Raumgestaltung und Stimmung zu be¬
deutender Höhe. Die Ruhe der Säulen¬
arkaden und der tiefe Farbenton der

Der ägyp-
Tempel bietet uns in seinem Grundriß wie in seinem
wohl das vollendetste Beispiel einer Stimmungsarchi-
Sehen wir nach dem herrlichen Griechenland, dem
Lande der Kunst, erinnern wir uns der herrlichen

herrlichen Mosaiken ge¬
ben einen mächtigen
Stimmungsausdruck reli¬
giöser Kunst. Rom und
Ravenna bieten uns viele
mächtig wirkende Innen¬
räume, ebenso die ge¬
waltigen Werke der alt¬
christlichen Kunst auf
byzantinischem Boden,
das Innere der Sophien-
kirche und von S. Vitale
zu Ravenna in ihrer un¬
vergleichlichen Raum¬
stimmung. Der Anblick
des Chores von S. Vitale
mit seinen herrlichen
Mosaiken bleibt jedem
unvergeßlich. Bei den
späteren byzantinischen
Werken geht dieser Raum¬
eindruck teilweise ver¬
loren, an Stelle der Mo¬
saiktechnik tritt schlechte
Malerei. In den ravenna-
tischen Bauten wirken
die tiefen Farben so ge¬
waltig: Grün, Schwarz
und Blau als Hauptfar¬
ben; nur dezent tritt der
Goldton auf. Von dem
in Italien, S. Marco, ist der Beschauer meist enttäuscht.
Schuld daran trägt vielleicht allein das zu starke Auftreten der
goldigen Töne bei den Mosaiken, abgesehen von deren Inhalt.
Eines aber haben alle Bauten der altchristlichen und
byzantinischen Kunst gemeinsam, das mystische Halbdunkel,
die dämmrige Beleuchtung des Innenraumes, ein Hauptgrund
für die ernste Stimmung dieser Räume.
In Italien waren die Stürme der Völkerwanderung vorüber-
gebraust, germanische Völkerscharen besiedelten das Land.
Naiv und unverstanden wurden die antiken Formen aufgegriffen
und nachgeahmt, neue Kunstformen begannen sich zu ent-
wickeln als Anfänge einer germanischen Kunst. Mächtige
Kirchenbauten entstehen in Frankreich und Oberitalien. Vor-
bereitend für die Kunst des Mittelalters erscheinen die Bauten
der Karolinger- und Ottonenzeit. Bleibt ihr Detail noch voll
von der Antike beeinflußt, zeigt doch
der Grundriß neue Baugedanken. Mäch-
tig und feierlich steht die Palastkapelle
Karls d. Gr. vor uns, ein letzter Nach-
klang ravennatischer Kunst im Norden,
herrlich in seiner Raumstimmung, wür-
dig, stolz und ernst; auch hier bringt das
mystische Halbdunkel die Stimmung.
Die Basilika zeigt eine Weiterent-
wicklung durch die Aufnahme des
Chorbaues als neues herrliches Stim-
mungsmotiv der frühmittelalterlichen
Kunst.
Mit dem 11.Jahrhundert beginnt die
Zeit der romanischen Kunst, die höchste
Blütezeit kirchlichen Monumentalbaues
vom Standpunkte der Stimmungsarchi-
tektur. Eine gläubige Zeit war es, die
diese Werke schuf, wahre ernste Got-
teshäuser, die wir mit tiefster Ehrfurcht
betreten: wunderbare Bilder von ernster
Würde, wo zuerst noch die Flach-
decke den Raum beherrscht (S. Michael
in Hildesheim), dann die majestätischen
Bauten des 12. und 13. Jahrhunderts
als Glanzleistungen kirchlicher Kunst.

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