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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 7
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Högg, Emil: Hofarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0061

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 7

(6) Hof im Piastenschloß in Brieg.


doch so organisch gegliedert sind! Man fühlt ordentlich, daß
alles trotz scheinbarer Zufälligkeit praktisch und logisch an-
geordnet ist, das kecke Treppentürmchen, das sich graziös
zur Höhe windet, die gewölbten Lauben, der Brunnen mit
dem Baum daneben, die bunte Sonnenuhr, der Efeu an der
Mauer, die Holzgalerieen .. . . »Halt!« hör’ ich rufen, »mit
dem allem baut man heute keinen brauchbaren Miethaushof,
und überhaupt: Holzgalerieen! — Baupolizei!« Darauf wäre zu
erwidern, daß ja diese Motive nicht sklavisch nachgeahmt werden
sollen, sondern daß es gilt, den Geist wieder zu erfassen
und weiterzuführen, der solche Schmuckplätze geschaffen hat.
Und um diesem Ziele näher zu kommen, möchte ich einige
gute Lehren zusammentragen, die sich aus der Gegenüber-
stellung von gutem Altem und schlechtem Neuem ergeben:
Der Boden des Hofes darf weder eine graue glatte Zement-
fläche sein, noch einen Garten vorstellen. Vielmehr sollte er

seinem Zweck entsprechend auf befestigten Wegen den
Verkehr von Tor zu Tür vermitteln und den übrigen
Raum für den Gebrauch der Hausbewohner frei lassen.
Kann an irgend einer ruhigen Stelle die Sonne bis
zum Boden herabklettern, so mag hier ein Strauch
oder Baum stehen. Und ein Brünnlein sollte nie fehlen;
aber keine Gußeisenpumpe ist damit gemeint, sondern
ein Brunnen aus Stein, der diesen Namen auch wirk-
lich verdient. Wenn ferner an einer kahlen Giebel-
wand wilder Wein sich emporzieht, so ist das gewiß
schöner und billiger als die bekannte aufgemalte
neapolitanische Landschaft oder jene entsetzliche
Theaterkulissenmalerei, die auf senkrechter Brand-
mauer Dächer, Zinnen und Türmchen vorlügt. Die
Komposition der Wände wird für gewöhnlich von
Symmetrie abzusehen haben, die bei all den vielen Be-
dürfnissen nicht durchzuführen ist, und wird gut
daran tun, die Fenster zu zeigen, wie und wo man
sie braucht; sie können trotzdem nach Form und
Stellung rhythmisch angeordnet werden, und eine fein-
fühlige Teilung der Fensterflächen durch Pfosten und
Sprossen in freundlichen Farbtönen wird ihren Reiz
erhöhen. Auf Umrahmungen u. dgl. sollte man mög-
lichst verzichten und froh sein, wenn zwischen den
Fenstern noch etwas Wandfläche stehen bleibt. Und diese
Wand versehe man nach gutem alten, farbenfreudigen deut-
schen Brauch mit Malereien. Hier könnte die Fassadenmalerei
von Stein a. Rhein und Basel eine fröhliche Urständ erleben!
hier im Hofe, wo jeder sie mit Behagen betrachten kann,
wo Wetterschutz geboten ist und wo Farbe so not tut. —
Die vielen Vor- und Rücksprünge aber, die geboren sind aus
dem Kompromiß zwischen Polizeivorschriften und Profitsucht
des Bauherrn — damit nur ja jeder erlaubte Quadratzentimeter
auch ausgebaut wird! — sie müßte man möglichst beseitigen
oder zu einer richtigen Ecke vereinigen, welche dann als solche
ein ausbildungsfähiges Motiv bildet.,. Sodann sei an die dem
Aussterben geweihten buntbemalten Fensterbretter erinnert; hier
in den Höfen könnten sie mit Blumen vollgestellt einen will-
kommenen lebenden Vorhang gegen das allzunahe Gegenüber
bilden, ohne daß man wie an der Straße den jedem fallenden

(7) Hof des Künstlerhauses in Berlin. Architekt: B. Sehring in Berlin. (8) Hof des Künstlerhauses in Berlin. Architekt: B. Sehring in Berlin.


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