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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 8
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Schwindrazheim, Oskar: Der äußere Schmuck des Sylter Bauernhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0068

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 8



Fig. 2. Garten- und Hofeinfassungen auf Sylt.
i. 2. 3. Mit Steinen gepflasterte Erdwälle.
4. 5. Erhöhte Erd wälle.
6. Gartentür.
7. Gartenstaket.



Stakete umrahmt. Diese sind meist sehr einfach
zusammengenagelt, nur hin und wieder trifft man
eigentümliche Gebilde mit einer Ausfüllung der
vier leeren Zwickel des schrägen Lattenkreuzes
(s. Abb. 2, 7), die Latten weiß, die Füllungsdrei-
ecke grün gestrichen. Die Gartentür ist oft recht
anmutig, auch originell gestaltet (Abb. 2, g).
Auf das Haus zu führt ein Feldsteinpflaster
(gelegentlich mit großen weißen überseeischen
Meerschnecken »garniert«), das sich vielfach vor
der Tür zu einem bisweilen sehr großen, zwar
recht urtümlich-einfachen, aber doch wirkungs-
vollen Mosaikmuster erweitert. Hart vor der Tür
liegt gewöhnlich ein besonders großer Stein
(s. Abb. 3). Oft zieht sich das Steinpflaster noch
an der ganzen Vorderseite des Hauses entlang.
Das Haus selbst besteht bekanntlich, abge-
sehen von kleinsten, ärmlichsten Häusern, ge-
wissermaßen aus zwei ineinandergeschobenen
Gebäuden (Wohnhaus und Wirtschaftsteil, beide
gleich niedrig, einstöckig, nur vereinzelt findet

Ungestalt, seine wenigen Äste, wenig belaubt, strecken sich,
wie auf steter Flucht befindlich, hilfeheischend nach Osten. Der
zweite, etwas höhere Baum ist auch noch stark geneigt, eben-
falls, wennschon weniger, verkrüppelt, aber etwas voller; auch
er hat, wie man sieht, noch heftig um seine Existenz zu kämpfen.
Der dritte ist, geschützt durch seine beiden Vormänner, schon
stattlicher, aber erst der vierte entspricht dem, was wir Binnen-
länder einen Baum nennen. Die ganze Gruppe zeigt oben eine
von Westen nach Osten schräg ansteigende Umrißlinie, die-
selbe charakteristische Linie, die wir auch bei den auf die
Gartenwälle gesetzten Hecken finden. Sie gleichen, dicht ver-
wachsen und kraus und dicht belaubt, vom Westwinde glatt-
rasiert, in der Ferne grünbewachsenen Wällen — von dem
lebendigen, fröhlichen Umriß der sonst gewohnten deutschen
Hecken und Knicks sind sie weit entfernt, dagegen haben sie
mit den mit der Schere beschnittenen Gartenhecken der Ro-
koko- und der Jetztzeit große Ähnlichkeit (s. Abb. 1,2 und 2,4).
Diese Baum- und Heckenformen sind nun zwar kein be-
absichtigter Schmuck des Hauses, aber doch eine außerordent-
lich bezeichnende, das eigenartige Aussehen des Sylter Hauses
vervollständigende Zutat, die man nicht missen möchte.
Auch die andern Windschutzvorrichtungen, die Wälle und
Planken sind ursprünglich keine Schmuckstücke; ihre hübsche
Form zeigt aber, daß man sie nebenbei mit der Zeit doch als
solche empfand. Die niederen Erdwälle (s. Abb. 2,1-5) sind ent-
weder mit verstreuten Steinen besteckt — man möchte sagen
wie ein Lebkuchen mit Mandeln — oder sie sind wie die See-
deiche völlig damit gepflastert, meist in einem bestimmten Muster
aus gleichlaufenden Reihen abwechselnd schräg gelegter Steine,
unten größere, oben kleinere. Den Fuß schützen — denn eine
Schutzverstärkung ist diese Steinpflasterung — oft besonders
große Steine, die zum Teil wohl den Hünengräbern der Insel
entnommen sind; ebenso erfreuen sich die Ecken dieser zugleich
stattlich aussehenden besonderen Festigung. Die Planken sind
wohl neueren Ursprungs und bilden meist nur eine Erhöhung
des Steinwalles; bemerkenswert ist es, wie in ihnen die schräge
Umrißlinie des Buschwerks bisweilen nachgebildet erscheint
(Abb. 2,5), natürlich um besser zu schützen. Würde man die
Planke niedrig bis zum anschließenden Hause fortführen, so
würde ein rechter Winkel entstehen, der wie eine Lücke wirken
würde — würde man andrerseits die Planke überall so hoch

machen wie am Ende, so würde der Winddruck zu kräftig

Fig. 3. Steinpflaster vor einer
Sylter Tür.


werden. Unzweifelhaft ist auch diese
ganz einfache Zweckmäßigkeitsform
zur bezeichnenden Schmuckform
geworden.
Die Westseite des Gartens deckt
neben dem eine Schmalseite nach
Westen kehrenden Hause stets ein
Wall. An geschützteren Stellen wird
der Garten durch leichtere Latten-

sich Verwendung des Vordergiebels im Dachgeschoß zu Wohn-
zwecken) in vier Hauptformen:


Besonders die drei letzteren ergeben naturgemäß schon durch
ihre Anlage, durch die verschiedenen Mauer- und Dachflächen
malerische Bilder, deren Reiz durch die Verteilung der Türen
und Fenster noch erhöht wird (s. Abb. 4, 1,2). Die erste Form
ist nicht so malerisch, aber wie Abb. 4, 3 zeigt, ist auch sie
durch die Anordnung und zweckgemäß abweichende Gestaltung
der Türen und Fenster nicht ohne Reiz.

Fig. 4. Sylter Hausanlagen.
1. 2. Morsum. 3. Alt Westerland.


Dieser Schmuck ist allen Sylter Häusern eigen. Die Haupt-
eingangstür befindet sich in der Mitte der einen Langseite,
rechts und links davon liegen Zimmerfenster, in Gruppen zu-
sammengestellt, an die sich gegebenenfalls an einem Ende kleine
halbrunde Stallfenster anschließen — klar die innere Einteilung
zum Ausdruck bringend. Die Querseiten sind verschieden, teils
zeigen sie nur gut verteilte Fenster, größere und kleinere, teils
auch eine Tür in der Mitte oder auf einer Seite, entsprechend
einem Fenster an der andern. Derselbe dem ruhigen, ernsten


Fig. 5. Tür- und Fensteranordnungen.
1. Gesamtansicht (Braderup), 2. 3. Querseiten. 4. Stall und Scheune (Tinnum).


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