Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

DOI issue:
Heft 9
DOI article:
Tettau, Wilhelm von: Die Brunnen Konstantinopels
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0077

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 9

Hof der Moschee Bayazeds.


Lehnt sich der Brunnen an eine Moschee, so schiebt sich
eine einzelne solche Halbkreisöffnung auf die Straße, wiederum
mit mächtig ausladendem Dach, welches dünne Spreizen stützen,
zur Kühlung der Durstigen.
Bei freistehenden Brunnenhäusern aber schließen sich die
Sebil in der Diagonalen an die Ecken des quadratischen Baus
an, wie an dem Achmedbrunnen, diesem größten Juwel tür-
kischer Baukunst in Konstantinopel, an dem übrigens beide
Arten von Brunnen zugleich vertreten sind. Er ist ein Meister-
stück polychromer Architektur, gänzlich aus elfenbeinfarbenem
Marmor, dessen Flächen fast ohne Rest mit vergoldeten Ara-
besken flach skulptiert, mit farbig emaillierten Platten und
frommen Sprüchen in vergoldeten Schriftzeichen auf grünem
und rotem Grunde übersponnen sind. Eine Inschrift gibt
Aufschluß über den Bauherrn, in diesem Falle zugleich den
entwerfenden Künstler, und über das Jahr der Vollendung
1728 in dem Chronogramm: »Das Datum Sultan Achmeds
rinnt aus der Zunge des Wasserrohrs; öffne es im Namen
Gottes, trink und bete für Achmed Chan.«
Auch hier sind wieder die vergoldeten Bronzegitter von
einer vollendeten Schönheit und reichem Wechsel und in der-
selben flächigen Art gehalten, wie der gesamte Schmuck der
Wände. Das Ganze beschattet ein gewaltiges, höchst barockes
Bleidach mit 5 Kuppeln, zeltförmig steigend mit geschweiftem
Rand und an der horizontalen Unterseite mit vergoldeten
Schnitzereien bedeckt.
Von dem gleichen Achmed III. stammen auch die beiden
andern, nächst diesem, schönsten Brunnen Konstantinopels,
der an einer Straßenecke von Asab Kapu stehende und des-
halb einseitig ausgebildete, im übrigen dem Achmed-Brunnen
in der Ausführung nah verwandt, und der Tscheschme zu
Top-Hane, bei dem die kreisförmigen Sebil-Anbauten fehlen.
Leider ist hier das zerstörte, alte Dach durch ein charakter-


loses modernes Surrogat ersetzt worden, wodurch dem an
und für sich schon schlichten Baukörper die größte architek-
tonische Kraft verloren geht. Immerhin erkennen wir auch
hier an demselben enormen Reichtum bildhauerischen Schmucks,
daß die Verehrung, die man dem Wasser im Orient zollt, fast
an eine göttliche grenzt, denn seine Häuser geben an Pracht
denen des Höchsten nichts nach. Und solcher Straßenbrunnen
finden wir noch manchen von ähnlichem Kunstwert, viele in
den phantastisch-graziösen Formen des türkischen Rokoko,
alle zwar reich im Wechsel der Einzelheiten, doch streng an
dem Grundschema festhaltend. —
Unwillkürlich drängt sich der Vergleich mit den Brunnen-
anlagen auf, welche das Abendland heute zu schaffen pflegt,
und da springt sofort der Unterschied des prinzipiellen Stand-
punktes ins Auge. Dem Europäer ist der Monumentalbrunnen
von vornherein nur ein dekoratives Wasserspiel und zwar
meistens mit sinnlos vergeudeten Wassermassen, welche ihm
geeignet erscheinen, den empfindlichen Mangel an baukünst-
lerischer Schöpfung aufzuwiegen*). Es kann wahrlich niemand
behaupten, daß unsere modernen Leistungen dieser Art ihre
Kunstform aus der Praxis entwickelt hätten, wie das bei den
Lauf- und Ziehbrunnen in den alten Städten ohne Wasser-
leitung noch der Fall ist. Trotzdem aber diese technischen
Motive dem Fortschritt haben weichen müssen, dürfte es doch
für Monumentalbrunnen mancherlei praktische Forderungen

Brunnen von Top-Hane.


geben, denen die jetzt allein üblichen Formen in keiner Weise
genügen, auf Grund deren vielmehr sich ein gesunderer Typus
ausbilden könnte, als ihn unsere Fontänen darstellen. Hierfür
bietet die prägnante Art der orientalischen Brunnen mancherlei
Vorbildliches.
Nirgends finden wir in unseren Brunnen das eigentlich
Wohltuende des Elements betont, das Erfrischende, Kühlende.
Denn dies liegt nicht im Verbrauch von stündlich so und so
viel Litern Wassers, sondern vielmehr in einer geschützten und
schützenden Lage. Wie aber schaut’s damit bei uns aus!
Was der Türke vollendet in seinen Moscheenhöfen besitzt,
das sollen uns im besten Falle beiderseits offene Pfeiler-
hallen, womöglich eine einzige Säulenhalle als dekorativer Ab-
schluß gewähren, durch die Wind und Wetter hindurchfährt.
Meist aber genügt, wie z. B. am Brandenburger Tor, eine
Rundbank, die sich nach dem Verkehrsplatz möglichst weit
öffnet. Wen aber wird es gelüsten, sich dicht an die Kühle
des Brunnens zu
flüchten in brennen¬
der Sonne, wenn
man ihren Strahlen
ebenso ausgesetzt
ist, wie denen des
hochgeschleuderten

*) Die Wasser-
kosten des Herkules-
Brunnens auf dem
Lützowplatz in Berlin
belaufen sich auf jähr-
lich über 50 000 Mk.!


Hof der Moschee Achmeds.

Alter Brunnen in Skutari.

67
 
Annotationen