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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 12
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Die Architektur auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1904, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0103

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 12

in Darmstadt hat eine ansprechende Federzeichnung »Haus im Loß« für
Prinzessin Olga von Isenburg beigesteuert. Joh. Kraaz gibt das Schau-
bild der mit großer Sorgfalt durchgebildeten Villa von Hermann Arnold
in Greiz, die wir in einem der nächsten Hefte bringen werden, und Professor
Fritz Schumacher in Dresden hat das Modell eines Landhauses für
Professor Halle im Grünewald ausgestellt, dessen Aufstellung in einem der
kleinen, weniger beachteten Durchgangsräume der Kunstgewerbeabteilung
um so mehr zu bedauern ist, als es eines der besten Beispiele für die
neuerdings immer allgemeiner angestrebte schlichte Behandlung des Äußeren
gibt, die auf das Zuviel der Einzelheiten, auf den bunten Wechsel kleiner
Dächer und verschiedener Farben zu Gunsten ruhiger Flächen und einheit-
licher Umrißlinie verzichtet und doch wirklich anziehend zu gestalten und
malerisch zu gruppieren versteht.
In diesem Sinne ist auch das anspruchslose und gerade in seiner
Einfachheit herzgewinnende Äußere des Waisenhauses für Dessau von
Sepp Kaiser behandelt. Von den übrigen Entwürfen für Wohltätigkeits-
anstalten seien von Schmieden & Böthke die Ansichten zweier Lungen-
heilanstalten erwähnt, die für die Pensionskasse der preußisch-hessischen
Eisenbahngemeinschaft bei Melsungen und bei Schreiberhau erbaut sind.
Die Schulbauten sind durch drei mit dem zweiten Preis gekrönte
Wettbewerbentwürfe von Jürgensen & Bachmann zur Handelshoch-
schule für Köln, zu einer höheren Töchterschule für Emden und zu einem
Realprogymnasium in Friedrichshagen, sowie durch einen Wettbewerb-
entwurf von Jansen & Müller für die höhere Töchterschule in Essen
vertreten, der sich durch einfache zweckentsprechende Behandlung und
Gruppierung der Putzfassaden auszeichnet.
Auffallend wenig zahlreich sind Zeugen der in letzter Zeit besonders
umfangreichen Theater- und Rathausbauten. Neben dem Modell des
neuen Stadttheaters für Barmen von Karl Moritz sind nur drei Rathaus-
entwürfe, von Reuters und Schumacher für Dresden und von Alt-
gelt & Schweitzer für Bremen zu erwähnen (den Reutersschen Entwurf
haben wir bereits auf Tafel 17 d. J. veröffentlicht).
Zu den bemerkenswerten selbständigen Lösungen gehört auch das
von H. vom Endt erbaute Geschäftsgebäude der Düsseldorfer Handels-
kammer (vergl. Tafel 6 d. J.), dessen Modell ebenfalls in einem Neben-
raum aufgestellt ist. Die beiden Renaissancefassaden von Hasaks Reichs-
bank für Danzig haben wir bereits auf Tafel 32/33 d. J. wiedergegeben,
ebenso eine kleine Ansicht des Brückenturmes der neuen Rheinbrücke bei
Mainz (Architekt Fr. Schwechten) in Beilage 9 und das Kreishaus für
Templin von Dinklage & Paulus auf Tafel 86.
Wie verschwindend gering die Beteiligung der Architekten an der
gegenwärtigen Hochflut von Denkmälern ist, geht ganz augenfällig daraus
hervor, daß in der Architekturabteilung nur ein einziger für eine zur Aus-
führung gestellte Aufgabe bestimmter Entwurf (Professor Fritz Schu-
machers Vorschlag zur Aufstellung des Bremer Bismarckdenkmals in
einer Nische des Domturmes) vorhanden ist, während doch die, freilich
in bescheidener Abgeschiedenheit, fern von der Architekturabteilung, unter-
gebrachte Ausstellung der Wettbewerbentwürfe für ein Falkdenkmal durch
die Inhaltlosigkeit und Unbeholfenheit der weitaus meisten Entwürfe (aus-
genommen vor allem die mit dem ersten und dritten Preis gekrönten Ent-
würfe von Wilh. Wandschneider und Paul Becker) das ganze Denkmals-
elend der Gegenwart erschreckend deutlich erkennen lassen und die Not-
wendigkeit der Mitarbeit tüchtiger Architekten überzeugend dartun.
Von den Entwürfen für großstädtische Geschäftshäuser sei der von
Heinrich Wolf wegen seiner geschlossenen Fassadenbehandlung er-
wähnt (erscheint demnächst als Tafel). Die Fassade des »Lindenhofs« von
Karl S i c k e 1 haben wir bereits 1903 auf Tafel 45 wiedergegeben. Unter den
übrigen dürfte manches nicht unbedingte Anerkennung finden, obwohl es
ebenso wie die Versuche neuer architektonischer Lösungen für Wasser-
türme von Arnold Hartmann von Streben nach eigenartigem Gestalten
zeugt. Zu einer überraschenden Verbindung des romanischen Stils mit
einem Geschäfts- und Fabrikgebäude hat die Aufgabe Veranlassung ge-
geben, für die auf mittelalterlicher Grundlage beruhende musivische Kunst
eine ansehnliche Heimstätte zu schaffen (vergl. die Abb. auf S. 87).
Aus dem Gebiete des Kirchenbaus seien die Entwürfe von Geh. Bau-
rat Schwechten für die Dorfkirche in Gerolstein (ein mittelalterlicher
Zentralbau), von Dinklage & Paulus für die Marthakirche in Berlin
(Hoffront einer eingebauten Anlage) und die reizvolle Lösung der Chor-
anlage mit Turm der von Professor Piitzer erbauten Matthäuskirche in
Frankfurt a. M. erwähnt.
Bruno Möhring hat ein von Boswau & Knauer ausgeführtes Modell
des Innern der großen Halle der deutschen Kunstgewerbeabteilung auf
der Weltausstellung in St. Louis ausgestellt.
So gibt die Ausstellung der Privatarchitektur viel und vielerlei, aber
doch kein kennzeichnendes Bild der schöpferischen Bautätigkeit der Gegen-
wart. Ihr steht als einheitlich geschlossenes Ganzes, inhaltlich wie in
Anordnung und Darstellungsweise, die Ausstellung der im Ministe-
rium der öffentlichen Arbeiten aufgestellten Entwürfe gegen-
über, die in drei anschließenden Räumen untergebracht ist.
Ihren Hauptreiz bildet jedenfalls die reichhaltige Zusammenstellung
von Kirchen, die unter Oberbaurat Hoßfeld entworfen sind und mit
wenig Ausnahmen (Pauluskirche in Halle a. S. und Kirchen in Posen und
Neufahrwasser) kleine und kleinste Kirchen enthält, die, meist in welt-
vergessenen Nestern gelegen, eine entzückende Eigenart in der Behand-
lung der verschiedenen Bauweisen und Stile zeigen. Die Reize dieser
Schöpfungen sind durch die gleichmäßige Darstellung durch stimmungs-
volle Aquarelle noch besonders wirksam hervorgehoben.
Eine zweite große und bedeutsame Gruppe bilden die umfangreichen
Gerichtsbauten, zunächst das Land- und Amtsgericht I in Berlin von Baurat
Professor O. Schmalz, das Kriminalgerichtsgebäude in Moabit (beide mit
je rund 16000 qm bebauter Fläche und 200 m Frontlänge), das Amtsgericht
in Schöneberg und das in romanisierenden Formen gehaltene Landgericht III
in Charlottenburg mit ihren gewaltigen Treppenhausanlagen (Architekt
Geh. Oberbaurat Thoemer). Ihnen schließen sich eine Reihe kleinerer
Amtsgerichtsbauten der Geh. Oberbauräte Saal und Thoemer an, von
denen das für Wreschen eine besonders glückliche äußere Gestaltung er-



Architekt: Professor Fritz
Schumacher in Dresden.

Vorschlag zur Aufstellung eines Bismarckdenkmals
am Turm der Liebfrauenkirche in Bremen.

fahren hat, sowie drei größere Schulbauten (die Gymnasien in Posen und
Öls [Geh. Oberbaurat Kieschke] und das Seminar in Deutsch-Krone
[Reg.- und Baurat Uber]). Unter Leitung des Geh. Oberbaurat Kieschke
sind auch die Entwürfe für den umfangreichen stattlichen Neubau eines
Dienstwohngebäudes des Ministers für Handel und Gewerbe ausgearbeitet,
das jetzt im Park hinter dem Handelsministerium errichtet wird. Bei den
neueren Regierungsgebäuden ist die Wohnung des Regierungspräsidenten
nicht mehr wie früher im Hauptgebäude, sondern in einem selbständigen
Baukörper untergebracht, wodurch für die Wohnräume wesentlich günstigere
Verhältnisse gewonnen werden und obendrein mehr Gelegenheit zu wir-
kungsvoller Gruppierung der Massen geboten ist.
Eine Folge von Photographieen gibt die Neubauten des Staats-
ministeriums in der Wilhelmstraße (vergl. Heft 10 v.J.) und Einzelheiten vom
neuen Geschäftsgebäude der Seehandlung wieder, dessen Fassaden durch
große Federzeichnungen im dritten Saale dargestellt sind. Hier fesseln
besonders die Schaubilder für die neue technische Hochschule in Danzig
und das Regierungsgebäude in Potsdam, ersteres in Federzeichnung dar-
gestellt und von Geh. Oberbaurat Dr. Thür entworfen, letzteres ein mäch-
tiges Aquarell (Architekt Geh. Oberbaurat Kieschke).
Bei den Zimmereinrichtungen der kunstgewerblichen Ab-
teilung ist zwar das Streben nach Zusammenstimmung des ganzen In-
haltes der Räume nicht zu verkennen und auch manche ansprechende
Farbenwirkung erzielt, aber doch nichts von besonders überzeugender Wir-
kung geschaffen, namentlich befremdet die fast ausschließliche Anwendung
dunkelster, beinahe schwarzer Farbentöne für das Holz der Möbel, denen
mit Vorliebe weiße Decken und schwarzblaue und mattblaue Stoffe zur
Seite gestellt werden, so daß das Ganze namentlich auf die Dauer einen
gewissen müden und trüben Eindruck hervorrufen muß.
Die erfreulichste Gesamtwirkung bietet das auch in den Einzelheiten
gut durchgeführte Wohnzimmer, das J. C. Pfaff nach einem Entwürfe von
Georg Honold ausgeführt hat. Hier haben die ebenfalls dunkel ge-
haltenen Möbel einen warmen rötlichen Ton bekommen und werden durch
den goldigen Grundton des Fußteppichs und die geschickte Zusammen-
stellung von Violett und Braungelb-Grün-Lila auf den Wandsitzen und
Dekorationen gehoben. Der freundliche Eindruck behaglicher Wohnlich-
keit wird weiter durch die graugebeizte Vertäfelung des angebauten Erkers
erhöht.
Max Salzmann hat in einem Gesellschaftzimmer durch die Zu-
sammenstellung von Amarantholz mit Violett und Gelb einen warmen
und vollen Akkord angeschlagen.
In dem Damenmusikzimmer von Alfred Altherr fällt die anspruchs-
lose Anbringung der Lampen an der Decke auf, während in dem Herren-
zimmer von Friedr. Stühmke die Ausbildung der Möbel weniger glück-
lich erscheint als auf drei farbigen Entwürfen desselben Verfassers, die
Salon, Speise- und Schlafzimmer für ein Haus am Meer darstellen.
Unter den einzelnen Arbeiten möchten wir ein von Eduard Siedle
entworfenes Postament mit Intarsien wegen der guten Farbenstellung und
ein Landschaftsbild in Intarsia von Franz Huth wegen der vorzüglichen
Ausführung und der erreichten hohen Ausdrucksfähigkeit erwähnen, ob-
wohl unsres Erachtens in der Anwendung der Intarsiatechnik für der-
artige Bilder die äußerste zulässige Grenze erreicht ist. C—e.

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