Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Belvedere: Kunst und Kultur der Vergangenheit; Zeitschrift für Sammler und Kunstfreunde — 8.1925

DOI Artikel:
Kölle, Adolf: Die Bauentwicklung der Stadt Ulm in älterer Zeit
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52316#0078

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ADOLF KÖLLE

türm steht, eine neue hart an den Rand der Donau
zu legen. Es ist die Mauer, die Pleydenwurff in
seinem Holzschnitt in Hartmann Schedels Welt-
chronik v. 1493 1 so betont, die noch beste-
hende Mauer, auf der der Ulmer heute seinen
Spaziergang macht. Wesentliche Änderungen
bringt das dritte Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts.
Um die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen und
mehr Raum für Geschützaufstellung zu schaffen,
wird nun der Zwinger mit Erde aufgefüllt und
zu einem Niederwall gemacht, die Türme, zumal
die der Stadttore, werden der feindlichen Geschoß-
wirkung halber bedeutend erniedrigt, und an die
schärfsten Ecken der Stadtmauer, wo bislang Rund-
türme die Wacht hielten, kommen nun Roll werke,
Basteien nach Dürers Muster; die schon früher
umgebauten Schütten vor den Toren werden zu
stärkeren Vorwehren umgestaltet. Nun sieht die
Stadt, von außen besehen, doch wesentlich anders
aus; das Gesamtbild ist nicht mehr so himmelhoch
strebend bewegt, von der Senkrechten beherrscht,
sondern ruhiger, ausgeglichen, innerlich mehr
gesammelt, wie die verschiedenen Aufnahmen der
beiden Georg Rieder, d. Ä. und d. J., 2 zeigen.
Nicht lange blieben die Dürerschen Basteien, sie
müssen sich bald in Bastionen nach italienischer
Art verwandeln lassen; auch der Brückenkopf,
dessen Häuser im Markgrafenkrieg, 1552, ab-
gebrochen worden waren, wurde umgebaut.Grund-
legende Änderungen aber brachten die ersten
Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts, hauptsächlich
durch die Neubefestigung, nach niederländischem
System, wodurch die Stadt zur Festung im heuti-
gen Sinn wurde. Die Vorläufer bilden Matthias
Polans Bollwerk, ein breiter erhöhter Wall an
der Donau über dem Elend, den heute die Bastei-
straße als Unterlage benützt, und die drei Bastionen
des Gideon Bacher, nämlich die heute noch
wohl erhaltene Adlerbastei, die untere Donau-
bastion und die Bleichbastion vor dem Zeughaus
1 Vgl. Schefold. Das Ulmer Stadtbild 1493—1850, Abb. 4.
2 Vgl. Beilage zu Verhandlungen des Vereines für Kunst
und Altertum in Ulm und Oberschwaben, Bd. 1871.

(bei der Schiffbrauerei). Von den um das Jahr
1620 nach niederländischem System errichteten
weiteren acht Bastionen ist das massige Werk
der Wilhelmshöhe (Oberer Donauanschluß oder
Lauseck) noch teilweise vorhanden, auch von
den anschließenden beiden Bastionen sind in der
heutigen Promenade und bei dieser noch Reste
da. Um jene Zeit erstellte man auch die be-
kannten Grabenhäuschen auf dem Niederwall
als Wohnungen für die Garnisonssoldaten. Nun
sitzt die Stadt eingeduckt hinter breiten Festungs-
wällen, wie sie Merian in seinen Plänen zeigt.
Währenddem geht der Bau städtischer Gebäude
weiter. Am Ende des 16. Jahrhunderts wird an
der Stelle des alten Strölinhofs und anderer
Gebäude der Neue Bau errichtet und das Korn-
haus an der Breite durch einen Neubau ersetzt,
im Anfang des 17. Jahrhunderts, kurz vor dem
Beginn des Dreißigjährigen Krieges, entsteht auf
dem Grund und Boden der Heiligkreuzkapelle
und vielleicht auch auf ihren Mauern das Schwör-
haus. Hat es mehr von der vornehmen Art der
schulgerechten Renaissance, so zeigt sich das Korn-
haus und noch mehr der Neue Bau als Über-
setzung dieses Baustils ins Schwäbische, man
möchte sagen Ulmische, kräftig, fast derb,
schlicht-behaglich und doch des künstlerischen
Schwunges keineswegs entbehrend. Auch die aus
der alten Dominikanerkirche erwachsene Drei-
faltigkeitskirche zeigt gefällige Formen.
Wenn wir es nicht vorher wüßten, die Bauten
der Stadt würden es uns zeigen, daß sie bis in
den Dreißigjährigen Krieg hinein wirtschaftlich
geblüht hat, wenn auch ihr politischer Einfluß
längst nicht mehr groß war. Eine letzte Kraft-
anstrengung bildet der Löwenbau im Zeughaus
vom Jahre 1667. Dann ist es aus. Auch die
Bürgerhäuser reden ganz die gleiche Sprache.
So kommt es, daß Ulm, wenn man vom Münster
absieht, eine Stadt der bürgerlichen Renaissance
ist, derselbe Ort, der einst Sitz der deutschen
Könige und, um mit Felix Fabri zu reden, ein
„Gärtlein der Mönche“ war.
 
Annotationen