BÜCHERSCHAU
HEINRICH GLÜCK, DIE INDISCHEN MINIA-
TUREN DES HÄMZÄ-ROMANES IM ÖSTER-
REICHISCHEN MUSEUM F. K. U. I. IN WIEN
UND IN ANDEREN SAMMLUNGEN
(Mit einer Wiederherstellung des Romantextes,
10 farbigen, 40 schwarzen Lichtdrucktafeln und
48 Abbildungen)
Der Veröffentlichung der „Indischen Miniaturen
im Schlosse Schönbrunn“ (Wiener Drucke 1925)
folgt mit diesem Folioband die Herausgabe einer
zweiten in Österreich aufbewahrten Folge in-
discher Miniaturen, und zwar von 60 Einzel-
blättern eines unter den Moghulkaisern herge-
stellten, illustrierten Hämzä-Romanes, die sich im
Besitz des Österreichischen Museums für Kunst
und Industrie befinden. Sie stellen den Haupt-
stock vom heute noch erhaltenen Bestände der
einstigen Prachthandschrift dar, während sich 27
weitere Blätter im Victoria and Albert-Museum,
vereinzelte in amerikanischen Museen, in Berlin,
London und in Privatbesitz befinden.
Der englische Orientalist P. Brown hat festge-
stellt, daß die Handschrift ursprünglich 1375
Miniaturen umfaßte. Davon hat ihr Bearbeiter,
Prof. H. Glück, bisher 104 Blätter wieder zustande
gebracht und 97 dieser Blätter wurden im vor-
liegenden Werke reproduziert. Von den restlichen
Miniaturen bringt Glück noch zwei in diesem
Heft des „Belvedere“ als Nachtrag.
Wenn wir uns vor Augen halten, daß die aus
einem Baumwollgewebe hergestellten Original-
blätter eine durchschnittliche Größe von 63 : 78 cm
haben und die darauf gemalten Bilder durch-
schnittlich 51 : 67 cm messen, so scheinen wir
es hier wohl mit der größten Bilderhandschrift
zu tun zu haben, die je angefertigt wurde! Sie
wurde in den Jahren 1550 —1575 im Auftrag
der beiden mächtigen Moghulkaiser Humajun
und Akbar hergestellt und war in 14 Bänden
zu je 100 Blatt aufgeteilt. Ein wahrhaft kaiser-
liches Werk! Da die Miniaturen zum Teil in
halber Größe (linear) reproduziert wurden, er-
9°
klärt sich das große Format der Prachtausgabe.
Der Text des Werkes bringt die von Prof. Ahmed
Saad eddin besorgte Übersetzung der Erzählung,
von der mehrere Abschriften existieren, teils
wörtlich, teils im Auszug. Der Roman schildert
die Abenteuer und Heldentaten des Emir Hämzä,
eines Oheims des Propheten Muhammed, seine
langwierige Werbung um die Tochter des Perser-
königs Anuschirewan und seine Feldzüge gegen
die Ungläubigen. Dieser Text ist auf den Rück-
seiten der zu diesem Zwecke mit dünnem Papier
überzogenen Blätter in persischer Sprache nieder-
geschrieben, und lieferte den Illustratoren reichen
Stoff für ihre Bilder. Über diese handelt II. Glück
in vier Abschnitten, die das „Verhältnis von
Bild und Text“, „Die Gestaltenwelt der
Bilder“, die Formwerte und die „Künstlerische
Stellung der Bilder“ behandeln. Für den Stil der
Miniaturen ist die Mischung von turkopersischen
und indischen Elementen ausschlaggebend, die ja
für die gesamte Moghulmalerei bezeichnend ist.
Sie zeigen daher gestaltlich und formal ein
Doppelgesicht: Gestaltlich in der verschiedenen
Herkunft der Typen, die teils dem überkommenen
persischen, selbst schon ostasiatisch beeinflußten
Typenschatz, teils wieder direkt dem indischen
Leben entnommen sind, formal in der Mischung
persischer Flächenkunst und Stilisierung mit in-
discher Plastizität.
Für die gestaltliche Einkleidung ist ferner ent-
scheidend, daß nicht der Versuch historischer
Treue durch Wiedergabe des sasanidischen Zeit-
milieus gemacht, sondern die zeitgenössischen
Trachten, Sitten und Gebräuche illustriert wurden.
Daher bilden die Bilder für den Kulturhistoriker
von heute eine reiche Fundgrube für das Studium
der Moghulkultur. Glück behandelt diese reich-
haltige Gestaltenwelt, die Trachten, Waffen, Zelte
und Wohnungen, die auch kunstgeschichtlich auf-
klärungsreichen Architekturen, die Stadt- und Sied-
lungsbilder und die Tiere mit großer Sachkenntnis.
An dem Riesenwerke haben natürlich viele Hände
Forum
HEINRICH GLÜCK, DIE INDISCHEN MINIA-
TUREN DES HÄMZÄ-ROMANES IM ÖSTER-
REICHISCHEN MUSEUM F. K. U. I. IN WIEN
UND IN ANDEREN SAMMLUNGEN
(Mit einer Wiederherstellung des Romantextes,
10 farbigen, 40 schwarzen Lichtdrucktafeln und
48 Abbildungen)
Der Veröffentlichung der „Indischen Miniaturen
im Schlosse Schönbrunn“ (Wiener Drucke 1925)
folgt mit diesem Folioband die Herausgabe einer
zweiten in Österreich aufbewahrten Folge in-
discher Miniaturen, und zwar von 60 Einzel-
blättern eines unter den Moghulkaisern herge-
stellten, illustrierten Hämzä-Romanes, die sich im
Besitz des Österreichischen Museums für Kunst
und Industrie befinden. Sie stellen den Haupt-
stock vom heute noch erhaltenen Bestände der
einstigen Prachthandschrift dar, während sich 27
weitere Blätter im Victoria and Albert-Museum,
vereinzelte in amerikanischen Museen, in Berlin,
London und in Privatbesitz befinden.
Der englische Orientalist P. Brown hat festge-
stellt, daß die Handschrift ursprünglich 1375
Miniaturen umfaßte. Davon hat ihr Bearbeiter,
Prof. H. Glück, bisher 104 Blätter wieder zustande
gebracht und 97 dieser Blätter wurden im vor-
liegenden Werke reproduziert. Von den restlichen
Miniaturen bringt Glück noch zwei in diesem
Heft des „Belvedere“ als Nachtrag.
Wenn wir uns vor Augen halten, daß die aus
einem Baumwollgewebe hergestellten Original-
blätter eine durchschnittliche Größe von 63 : 78 cm
haben und die darauf gemalten Bilder durch-
schnittlich 51 : 67 cm messen, so scheinen wir
es hier wohl mit der größten Bilderhandschrift
zu tun zu haben, die je angefertigt wurde! Sie
wurde in den Jahren 1550 —1575 im Auftrag
der beiden mächtigen Moghulkaiser Humajun
und Akbar hergestellt und war in 14 Bänden
zu je 100 Blatt aufgeteilt. Ein wahrhaft kaiser-
liches Werk! Da die Miniaturen zum Teil in
halber Größe (linear) reproduziert wurden, er-
9°
klärt sich das große Format der Prachtausgabe.
Der Text des Werkes bringt die von Prof. Ahmed
Saad eddin besorgte Übersetzung der Erzählung,
von der mehrere Abschriften existieren, teils
wörtlich, teils im Auszug. Der Roman schildert
die Abenteuer und Heldentaten des Emir Hämzä,
eines Oheims des Propheten Muhammed, seine
langwierige Werbung um die Tochter des Perser-
königs Anuschirewan und seine Feldzüge gegen
die Ungläubigen. Dieser Text ist auf den Rück-
seiten der zu diesem Zwecke mit dünnem Papier
überzogenen Blätter in persischer Sprache nieder-
geschrieben, und lieferte den Illustratoren reichen
Stoff für ihre Bilder. Über diese handelt II. Glück
in vier Abschnitten, die das „Verhältnis von
Bild und Text“, „Die Gestaltenwelt der
Bilder“, die Formwerte und die „Künstlerische
Stellung der Bilder“ behandeln. Für den Stil der
Miniaturen ist die Mischung von turkopersischen
und indischen Elementen ausschlaggebend, die ja
für die gesamte Moghulmalerei bezeichnend ist.
Sie zeigen daher gestaltlich und formal ein
Doppelgesicht: Gestaltlich in der verschiedenen
Herkunft der Typen, die teils dem überkommenen
persischen, selbst schon ostasiatisch beeinflußten
Typenschatz, teils wieder direkt dem indischen
Leben entnommen sind, formal in der Mischung
persischer Flächenkunst und Stilisierung mit in-
discher Plastizität.
Für die gestaltliche Einkleidung ist ferner ent-
scheidend, daß nicht der Versuch historischer
Treue durch Wiedergabe des sasanidischen Zeit-
milieus gemacht, sondern die zeitgenössischen
Trachten, Sitten und Gebräuche illustriert wurden.
Daher bilden die Bilder für den Kulturhistoriker
von heute eine reiche Fundgrube für das Studium
der Moghulkultur. Glück behandelt diese reich-
haltige Gestaltenwelt, die Trachten, Waffen, Zelte
und Wohnungen, die auch kunstgeschichtlich auf-
klärungsreichen Architekturen, die Stadt- und Sied-
lungsbilder und die Tiere mit großer Sachkenntnis.
An dem Riesenwerke haben natürlich viele Hände
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