BÜCHERSCHAU
HANS WENDLAND, KONRAD WITZ, GEMÄLDE-
STUDIEN Basel, Benno Schwabe & Co., 1924.
Hans Wendland gibt uns in einem vorzüglich
ausgestatteten und mit vortrefflichen Abbildun-
gen versehenen Bande eine Reihe von wert-
vollen Beobachtungen und Untersuchungen über
die Gemälde eines der größten alten deutschen
Maler, Konrad Witz. Er hat das Verdienst, wesent-
lich dazu geholfen zu haben, daß das Berliner
Museum zwei Werke dieses Meisters mehr besitzt:
die schöne Darstellung der Dreieinigkeit und der
Heimsuchung hat er als einen Bestandteil des
von ihm rekonstruierten Heilspiegel-Altars er-
kannt und im französischen Privatbesitz ein
kleines Bild des heiligen Christophorus entdeckt,
das seither auch in den Bestand des Kaiser
Friedrich-Museums eingereiht werden konnte. In
der vorliegenden Schrift begründet er ausführ-
lich diese seine neuen Zuschreibungen, rekon-
struiert drei Altarwerke des Meisters, wie uns
scheint, recht glücklich, vermehrt so das Gesamt-
werk des großen Malers um mehrere Arbeiten
und fügt eine Reihe von wichtigen Bemerkun-
gen über den Erhaltungszustand der einzelnen
Bilder hinzu. Leider geschieht dies in einer recht
trockenen, dabei aber vielfach unklaren Form,
und es macht ziemlich große Mühe, das nicht
sehr umfangreiche Buch durchzulesen. Auch in
den »methodischen Betrachtungen«, die der be-
sonderen Untersuchung über Witz’ Gemälde voran-
gehen, findet man manches Wahre und Beherzigens-
werte; allein die Gedanken des Verfassers sind
allzu aphoristisch gefaßt und das Ganze nicht ge-
nügend logisch durchgedacht. Gefährlich scheint
uns in der heutigen Zeit die Meinung des Ver-
fassers, die Kunstgeschichte müsse »auf eine soge-
nannte reinwissenschaftliche Methode verzichten«.
Sicherlich arbeitet der Kenner zunächst haupt-
sächlich mit der Intuition; der erste Eindruck,
der freilich meist maßgebend bleibt, kann aber
sehr wohl nachträglich durch gründliche, wissen-
schaftliche Vergleichung der einzelnen Merkmale
überprüft werden. Ja, diese Überprüfung ist not-
wendig, wenn die Kunstgeschichte überhaupt
noch eine Wissenschaft heißen will. Unrichtig
ist es auch, zu behaupten, daß zwischen ihr und
der Naturwissenschaft in dieser Hinsicht ein Ge-
gensatz bestehe. Als ob es in den sogenannten
exakten Wissenschaften nicht auch Imponde-
rabilien gäbe! — Was der Verfasser »Materie der
Malerei« nennt, das bezeichnen andere als Technik,
technische Methode, Individualität des einzelnen
Künstlers. Wie man das Ding nennen mag, so
ist es sicherlich nicht leicht zu erkennen, nicht
leicht zu fassen. Gar bei restaurierten oder
verrestaurierten alten Gemälden, deren es auch
in öffentlichen Sammlungen nicht wenige gibt,
ist das fast unmöglich, und Täuschungen sind
daher ebenso begreiflich wie häufig. Ob der
Kenner einen guten oder schlechten Stil schreibt,
mag für die Wissenschaft ziemlich gleichgültig
sein. Doch schiene es uns bedauerlich, wenn
wirklich Hermann Grimm nicht mehr gelesen
würde. Es hätte auch dem Verfasser nicht ge-
schadet, wenn er mehr als einen Blick in die
Werke dieses Mannes getan hätte, der kein Kenner
gewesen ist, wohl aber ein Schriftsteller hohen
Ranges, von dem sich lernen läßt. Gustav Glück
ROLPH GROSSE, DIE HOLLÄNDISCHE LAND-
SCHAFTSKUNST 1600-1650. Deutsche Verl.-Anst.
Es gibt heute zwei Arten von Büchern über Kunst,
die den ernsten Rezensenten zur Verzweiflung
bringen. Beiden wird die Ehre zuteil, in vorneh-
mer, anspruchsvoller Ausstattung bei den ange-
sehensten Verlagsanstalten erscheinen zu dürfen.
Von der einen Art weiß man wenigstens, für
welches Publikum sie bestimmt ist. Hier werden
feuilletonartige, selten geistreiche, sehr häufig
aber seichte Texte mit einer großen Anzahl von
vorzüglichen Abbildungen nach Meisterwerken
höchsten Ranges zu einem meist wenig harmo-
nischen Ganzen vereinigt, das, an die weitesten
Kreise gerichtet, den Klügeren als Bilderbuch, den
116
Forum
HANS WENDLAND, KONRAD WITZ, GEMÄLDE-
STUDIEN Basel, Benno Schwabe & Co., 1924.
Hans Wendland gibt uns in einem vorzüglich
ausgestatteten und mit vortrefflichen Abbildun-
gen versehenen Bande eine Reihe von wert-
vollen Beobachtungen und Untersuchungen über
die Gemälde eines der größten alten deutschen
Maler, Konrad Witz. Er hat das Verdienst, wesent-
lich dazu geholfen zu haben, daß das Berliner
Museum zwei Werke dieses Meisters mehr besitzt:
die schöne Darstellung der Dreieinigkeit und der
Heimsuchung hat er als einen Bestandteil des
von ihm rekonstruierten Heilspiegel-Altars er-
kannt und im französischen Privatbesitz ein
kleines Bild des heiligen Christophorus entdeckt,
das seither auch in den Bestand des Kaiser
Friedrich-Museums eingereiht werden konnte. In
der vorliegenden Schrift begründet er ausführ-
lich diese seine neuen Zuschreibungen, rekon-
struiert drei Altarwerke des Meisters, wie uns
scheint, recht glücklich, vermehrt so das Gesamt-
werk des großen Malers um mehrere Arbeiten
und fügt eine Reihe von wichtigen Bemerkun-
gen über den Erhaltungszustand der einzelnen
Bilder hinzu. Leider geschieht dies in einer recht
trockenen, dabei aber vielfach unklaren Form,
und es macht ziemlich große Mühe, das nicht
sehr umfangreiche Buch durchzulesen. Auch in
den »methodischen Betrachtungen«, die der be-
sonderen Untersuchung über Witz’ Gemälde voran-
gehen, findet man manches Wahre und Beherzigens-
werte; allein die Gedanken des Verfassers sind
allzu aphoristisch gefaßt und das Ganze nicht ge-
nügend logisch durchgedacht. Gefährlich scheint
uns in der heutigen Zeit die Meinung des Ver-
fassers, die Kunstgeschichte müsse »auf eine soge-
nannte reinwissenschaftliche Methode verzichten«.
Sicherlich arbeitet der Kenner zunächst haupt-
sächlich mit der Intuition; der erste Eindruck,
der freilich meist maßgebend bleibt, kann aber
sehr wohl nachträglich durch gründliche, wissen-
schaftliche Vergleichung der einzelnen Merkmale
überprüft werden. Ja, diese Überprüfung ist not-
wendig, wenn die Kunstgeschichte überhaupt
noch eine Wissenschaft heißen will. Unrichtig
ist es auch, zu behaupten, daß zwischen ihr und
der Naturwissenschaft in dieser Hinsicht ein Ge-
gensatz bestehe. Als ob es in den sogenannten
exakten Wissenschaften nicht auch Imponde-
rabilien gäbe! — Was der Verfasser »Materie der
Malerei« nennt, das bezeichnen andere als Technik,
technische Methode, Individualität des einzelnen
Künstlers. Wie man das Ding nennen mag, so
ist es sicherlich nicht leicht zu erkennen, nicht
leicht zu fassen. Gar bei restaurierten oder
verrestaurierten alten Gemälden, deren es auch
in öffentlichen Sammlungen nicht wenige gibt,
ist das fast unmöglich, und Täuschungen sind
daher ebenso begreiflich wie häufig. Ob der
Kenner einen guten oder schlechten Stil schreibt,
mag für die Wissenschaft ziemlich gleichgültig
sein. Doch schiene es uns bedauerlich, wenn
wirklich Hermann Grimm nicht mehr gelesen
würde. Es hätte auch dem Verfasser nicht ge-
schadet, wenn er mehr als einen Blick in die
Werke dieses Mannes getan hätte, der kein Kenner
gewesen ist, wohl aber ein Schriftsteller hohen
Ranges, von dem sich lernen läßt. Gustav Glück
ROLPH GROSSE, DIE HOLLÄNDISCHE LAND-
SCHAFTSKUNST 1600-1650. Deutsche Verl.-Anst.
Es gibt heute zwei Arten von Büchern über Kunst,
die den ernsten Rezensenten zur Verzweiflung
bringen. Beiden wird die Ehre zuteil, in vorneh-
mer, anspruchsvoller Ausstattung bei den ange-
sehensten Verlagsanstalten erscheinen zu dürfen.
Von der einen Art weiß man wenigstens, für
welches Publikum sie bestimmt ist. Hier werden
feuilletonartige, selten geistreiche, sehr häufig
aber seichte Texte mit einer großen Anzahl von
vorzüglichen Abbildungen nach Meisterwerken
höchsten Ranges zu einem meist wenig harmo-
nischen Ganzen vereinigt, das, an die weitesten
Kreise gerichtet, den Klügeren als Bilderbuch, den
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