DÜRERS GRÜNEWALD-BILDNIS
VON FRIEDRICH WINKLER
Sandrart, dem Verfasser der »deutschen Akademie«, verdanken wir außer den so wert-
vollen Nachrichten über Mathis Grünewald — den ersten ausführlichen überhaupt! —
auch zwei recht fragwürdige Geschenke, den Familiennamen des Meisters Mathis von
Aschaffenburg und sein Bildnis. Die Glaubwürdigkeit seiner Angabe, daß der Hofmaler
des Kurfürsten von Mainz Grünewald geheißen hat, ist mit starken Gründen erschüttert
worden, an die beiden von Sandrart mitgeteilten Bildnisse des Meisters Mathis hat sich
die Kritik nicht recht herangewagt. Sie sind schwer miteinander vereinbar.
Das eine der beiden von Sandrart abgebildeten Bildnisse stellt einen alten Mann, bar-
häuptig, mit langem Haar und Bart dar. Es stimmt mit einer Zeichnung in Erlangen
überein, geht vielleicht sogar auf sie zurück, die ihrerseits nicht ohne den Paulus auf
dem Bilde der beiden heiligen Einsiedler des Isenheimer Altars beurteilt werden darf.
Stellt der gegenübersitzende Antonius höchstwahrscheinlich den Stifter des Altars, Guido
Gersi dar, so gewinnt die Vermutung neue Nahrung, daß sich Meister Mathis in der
Tat in dem Paulus abgebildet hat.
Das andere bei Sandrart zu findende Bildnis (Abb. i) stellt einen jugendlich aussehenden
Mann mit Barett en face dar, das bekannte Dürer-Monogramm zur Seite. Der hoch-
verdiente Grünewald-Forscher H. A. Schmidt hielt noch an der Glaubwürdigkeit der
Überlieferung in beiden Fällen fest. Es hätte außer dem bärtigen Mann der Erlanger
Zeichnung ein zweites Bild des Meisters Mathis gegeben. Dürer hätte den großen
Aschaffenburger in seiner Jugend gezeichnet! Dieser Glaube erweist sich als trügerisch.
Die Zeichnung, auf die der Sandrartsche runde Stich des Jünglings mit dem Barett
zurückgeht, ist erhalten (Abb. 2). Sie trägt tatsächlich ein Dürer-Monogramm, ist aber
nie als Werk seiner Hand angesehen worden, trotz ihrer unleugbar außerordentlichen
Eigenschaften. Wir haben in dieser Zeichnung eine der nicht häufigen, mit Kreide und
Rötel gearbeiteten Bildniszeichnungen zu begrüßen, die zu den Glanzstücken deutscher
Bildniskunst gehören. Bewundernswert ist das verhaltene Feuer erfaßt, das aus den ein-
dringlich blickenden Augen sprüht, bewundernswert ist die behutsame, zarte Strich-
führung, deren überpersönlicher zeitloser Charakter sich so deutlich darin äußert, daß
nur ein erfahrener Beurteiler die bekannte Handschrift eines der großen deutschen
Künstler der Reformationszeit erkennen kann.
Es mag dem Leser bei der Betrachtung der beiden Abbildungen vielleicht wie dem
Verfasser ergehen: daß auf die ersten überzeugenden Eindrücke von dem Zusammenhänge
ebenso schnell energische Zweifel an der Richtigkeit der Beobachtung folgten. Diese
Zweifel erweisen sich aber bei genauer Betrachtung als vollkommen unbegründet.
Der Stecher gibt die Zeichnung naturgemäß im Gegensinne wieder. Verfolgt man die
77
Forum
VON FRIEDRICH WINKLER
Sandrart, dem Verfasser der »deutschen Akademie«, verdanken wir außer den so wert-
vollen Nachrichten über Mathis Grünewald — den ersten ausführlichen überhaupt! —
auch zwei recht fragwürdige Geschenke, den Familiennamen des Meisters Mathis von
Aschaffenburg und sein Bildnis. Die Glaubwürdigkeit seiner Angabe, daß der Hofmaler
des Kurfürsten von Mainz Grünewald geheißen hat, ist mit starken Gründen erschüttert
worden, an die beiden von Sandrart mitgeteilten Bildnisse des Meisters Mathis hat sich
die Kritik nicht recht herangewagt. Sie sind schwer miteinander vereinbar.
Das eine der beiden von Sandrart abgebildeten Bildnisse stellt einen alten Mann, bar-
häuptig, mit langem Haar und Bart dar. Es stimmt mit einer Zeichnung in Erlangen
überein, geht vielleicht sogar auf sie zurück, die ihrerseits nicht ohne den Paulus auf
dem Bilde der beiden heiligen Einsiedler des Isenheimer Altars beurteilt werden darf.
Stellt der gegenübersitzende Antonius höchstwahrscheinlich den Stifter des Altars, Guido
Gersi dar, so gewinnt die Vermutung neue Nahrung, daß sich Meister Mathis in der
Tat in dem Paulus abgebildet hat.
Das andere bei Sandrart zu findende Bildnis (Abb. i) stellt einen jugendlich aussehenden
Mann mit Barett en face dar, das bekannte Dürer-Monogramm zur Seite. Der hoch-
verdiente Grünewald-Forscher H. A. Schmidt hielt noch an der Glaubwürdigkeit der
Überlieferung in beiden Fällen fest. Es hätte außer dem bärtigen Mann der Erlanger
Zeichnung ein zweites Bild des Meisters Mathis gegeben. Dürer hätte den großen
Aschaffenburger in seiner Jugend gezeichnet! Dieser Glaube erweist sich als trügerisch.
Die Zeichnung, auf die der Sandrartsche runde Stich des Jünglings mit dem Barett
zurückgeht, ist erhalten (Abb. 2). Sie trägt tatsächlich ein Dürer-Monogramm, ist aber
nie als Werk seiner Hand angesehen worden, trotz ihrer unleugbar außerordentlichen
Eigenschaften. Wir haben in dieser Zeichnung eine der nicht häufigen, mit Kreide und
Rötel gearbeiteten Bildniszeichnungen zu begrüßen, die zu den Glanzstücken deutscher
Bildniskunst gehören. Bewundernswert ist das verhaltene Feuer erfaßt, das aus den ein-
dringlich blickenden Augen sprüht, bewundernswert ist die behutsame, zarte Strich-
führung, deren überpersönlicher zeitloser Charakter sich so deutlich darin äußert, daß
nur ein erfahrener Beurteiler die bekannte Handschrift eines der großen deutschen
Künstler der Reformationszeit erkennen kann.
Es mag dem Leser bei der Betrachtung der beiden Abbildungen vielleicht wie dem
Verfasser ergehen: daß auf die ersten überzeugenden Eindrücke von dem Zusammenhänge
ebenso schnell energische Zweifel an der Richtigkeit der Beobachtung folgten. Diese
Zweifel erweisen sich aber bei genauer Betrachtung als vollkommen unbegründet.
Der Stecher gibt die Zeichnung naturgemäß im Gegensinne wieder. Verfolgt man die
77
Forum