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Belvedere: Kunst und Kultur der Vergangenheit; Zeitschrift für Sammler und Kunstfreunde — 8.1925

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Baum, Julius: Neuere Kunst im Ulmer Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.52316#0033

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NEUERE KUNST IM ULMER MUSEUM
VON JULIUS BAUM

Es ist eine auffallende Tatsache, daß das Verständnis der meisten Kunstfreunde sich
durchaus nicht gleichmäßig auf alle Gebiete der Kunst erstreckt. Zumal zwischen alter
und neuer Kunst besteht ein großer Gegensatz. Die meisten Freunde alter Kunst sind
gegen das heutige Schaffen unduldsam. Sie haben kein Gefühl dafür. Umgekehrt be-
wahren die Anhänger des Kunstschaffens der Gegenwart der älteren Kunst meist eine
scheue Achtung, die keineswegs auf Liebe beruht.
Es ist naturgemäß, daß die Anhänger der heutigen Kunst sich zumeist in den großen
Städten finden, die dem modernen Kunstschaffen leicht zugänglich sind. Je weiter abseits
von moderner Kunsttätigkeit die Städte liegen, desto schwächer ist das Verhältnis ihrer
Bewohner zum heutigen Kunstschaffen. Es ist im Grunde das Verdienst weniger Männer,
in solchen Städten den Weg für das Schaffen der heutigen Kunst frei gemacht zu
haben, wie es z. B. Wichert in Mannheim, Redslob in Erfurt, Reinhart in Winterthur
taten. Auch Ulm, das bisher der Kunst der Gegenwart wenig zugänglich war, obgleich
der Kunstverein gelegentlich gute Ausstellungen gebracht hatte, hat neuerdings, zunächst,
dank der zielbewußten Initiative seines kunstsinnigen Oberbürgermeisters, eine moderne
Sammlung eröffnet. Sie ist noch kaum ein Jahr alt und sehr ausbaufähig. Da sie jedoch
nicht durch mittelmäßige Bilder aus älterer Zeit belastet war, die sich in anderen Städten
ungebührlich vordrängen, so konnte hier schon in kurzer Zeit ein recht vielverheißender
Anfang gemacht werden. Es ist zu hoffen, daß Ulm, wenn die Entwicklung des Begonnenen
nicht gestört wird, in wenigen Jahren eine moderne Galerie aufzuweisen hat, die sich
neben den besten in Deutschland sehen lassen kann.
Jedes Museum sollte vom Sammeln heimischen Kunstschaffens ausgehen. Es wäre kulturlos,
wenn das Museum den Boden verleugnen wollte, auf dem es steht. Es wird daher
immer eine notwendige Aufgabe der Museen sein, das Gute, das im näheren Umkreis
geschaffen wird, vor allem heranzuziehen. Dies ist nicht leicht. Die Düsseldorfer Kunst-
halle etwa hat öde Landschaften der beiden Achenbach, um die sie ganz gewiß nicht
zu beneiden ist. Die Ausstellung dieses Sommers hat gezeigt, daß die beiden Brüder
ausgezeichnete kleine Studien hinterlassen haben. Es wäre in einem solchen Falle Sache
der Museumsleitung, die wirklich wertvollen kleinen Stücke der Künstler zu erwerben
und zu zeigen, die großen, an denen niemand sich freut, in die Rumpelkammer zu
stellen. Ulm ist bezüglich seiner heimischen Kunst bis zum Beginn des ig. Jahrhunderts
hinein in einer sehr günstigen Lage. Die größten Barockmaler sind fast sämtlich in
Oberschwaben geboren oder tätig gewesen. Maulpertsch, Zick und Knoller z. B. ge-
hören hierher. Die Aufmerksamkeit des Museums war daher von Anfang an darauf
gerichtet, Studien und kleinere Bilder dieser Künstler sich zu sichern. Es war bereits
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