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Belvedere: Kunst und Kultur der Vergangenheit; Zeitschrift für Sammler und Kunstfreunde — 8.1925

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Grimschitz, Bruno: Das kollektivistische Problem der Würzburger Residenz und der Schönbornkapelle am Würzburger Dom
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https://doi.org/10.11588/diglit.52316#0019

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DAS KOLLEKTIVISTISCHE PROBLEM DER WURZBURGER RESIDENZ UND
DER SCHÖNBORNKAPELLE AM WÜRZBURGER DOM1

„Die Residenz in Würzburg ist eines der größten
architektonischen Kunstwerke, die Deutschland
besitzt, und sie ist auch in ihrem inneren Wesen
deutscher, als die landläufige Meinung annimmt.“
Die monumentale Publikation Sedlmaiers und
Pfisters erhebt diese Charakterisierung Dehios
erst zu voller Lebendigkeit, sowohl nach dem
sichtbaren Umfang der gesamten Bauerscheinung
wie auch in der Weite des historischen Quer-
schnittes, der sich von dem Beginn der archi-
tektonischen Arbeit bis zu den letzten Schicksalen
des Residenzbaues spannt. Nur diese äußerste
Erweiterung der Untersuchung auf die Heran-
ziehung des gesamten Archiv- und Planmaterials,
der stilkritischen Betrachtung auf alle Seiten
dieses Universums architektonischer, plastischer
und malerischer Energien konnte an dem größten
Denkmal kollektivistischen Schaffens auf dem
deutschen Boden zu neuen Ergebnissen gelangen.
Sie stellen sich mit aller Schärfe in Gegensatz
zu den allgemeinen Formulierungen früherer
Forschung: sie stürzen die zentrale Erscheinung
Balthasar Neumanns, mit dessen Namen die Ge-
samterscheinung der Würzburger Residenz un-
trennbar verbunden schien. Die Ergebnisse Sedl-
maiers und Pfisters, gegen die sich starker
Widerspruch erhob, werden bestätigt durch das
Buch Walter Bolls über die Schönbornkapelle
am Würzburger Dom. Auch für diesen Bau
stand Balthasar Neumann als Autor. Eindringen-
der Analyse des Entstehungsverlaufs aber ent-
gleitet der überragende Anteil Neumanns, so
leidenschaftslos und objektiv die kritische Klar-
legung der historischen Bauentwicklung den
Anteil der Einzelindividualitäten zu scheiden ver-
sucht. In ungleich kleinerem Ausmaß — und
dadurch eindeutiger faßbar — enthüllt auch die
Schönbornkapelle ein Beispiel der architektoni-
schen Arbeitsmethode des XVIII. Jahrhunderts:
i Zu den Büchern: Rich. Sedlmaieru. R. Pfister. Die
fürstbischöfliche Residenz zu Würzburg (München 1923,

jener einzigartigen Zusammenfassung einer Viel-
heit von künstlerischen Kräften zu einem, trotz
der individuell gerichteten Sonderbeiträge doch
absolut einheitlich und organisch wirkenden End-
ergebnis. Die künstlerische Erscheinung Welschs
rückt an der Schönbornkapelle wie an der
Residenz in den ersten Stadien ihrer Konzeption
und Ausführung in den Vordergrund. Und die
Parallelität der geschichtlichen Situation in dem
künstlerischen Werden beider Bauten, die die
Untersuchungen aufrollen — Walter Boll mit
einer fast nüchternen Sachlichkeit, die Autoren
des Residenzwerkes mit stärker persönlich ge-
färbter und durch die Wärme ihrer Entdecker-
freude hinreißenderer Anteilnahme — reicht
durch alle Phasen bis zur Vollendung der Ar-
chitekturschöpfungen. Nach dem Zurücktreten
Welschs an beiden Bauten eine Zeitspanne, die,
wenn auch nicht in sichtbarem Niederschlag
dokumentarisch nachweisbar, Neumanns Persön-
lichkeit erfüllt. Und an beiden Bauschöpfungen
in der letzten Vollendungsphase das Eingreifen
Hildebrandts, das an der Schönbornkapelle nur
mehr die dekorative Ausgestaltung des Innen-
raumes berührt, während an dem Residenzschloß
— gegensätzlich — entscheidende Teile der
Außenbaugestaltung den Charakter von Hilde-
brandts architektonischem Wesen annehmen.
Die Geschicke des Residenzbaues liegen durch
die Publikation Sedlmaiers und Pfisters klar auf-
gerollt. Die Untersuchung der Autoren gibt eine
ganz neue Vorstellung von den Mitarbeitern der
Architekten auf dem Felde der Malerei und des
Kunsthandwerks. Die Persönlichkeiten: Johann
Rudolf Byss, Antonio Bossi, Wolfgang von der
Auvera, Johann Georg Oegg werden in ihrer
künstlerischen Erscheinung neben den vielen
untergeordneten Kräften an dem Residenzbau
faßbar. Über der Sonderung der kollektivistischen
Georg Müller); W. Boll. Die Schönbomkapelle am
Würzburger Dom (München 1925, Georg Müller).

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