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Belvedere: Kunst und Kultur der Vergangenheit; Zeitschrift für Sammler und Kunstfreunde — 8.1925

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Meder, Joseph: [Rezension von: Richard Graul, Rembrandt]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52316#0080

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REMBRANDT-RADIERUNGEN

Mitte zwischen jenen ausführlichen Handbüchern
und will den Studierenden und den sich in die Rem-
brandt-Werke einführenden Sammlern ein prak-
tisches und erfreuliches Nachschlagewerk liefern.
Die Vereinfachung soll in dem Umstande be-
stehen, daß nur jene Etats Berücksichtigung finden,
die tatsächlich oder nach der vorherrschenden
Meinung vom Künstler selbst beabsichtigte Um-
gestaltungen der Platte erweisen oder Entwick-
lungszustände, Abdrucke unvollendeter oder auch
verworfener Platten und Plattenverkleinerungen
bedeuten. Nimmt z. B. Seidlitz für den vielum-
strittenen großen Lazarus (B. 75) noch die üb-
lichen 13 Zustände an, so werden dieselben bei
Graul nur durch den 1., 3., 5. und 8. als wesent-
liche Träger der Veränderungen in deutlichen
Abbildungen (Tafel 26—29) vorgeführt. Hier
wurde in wünschenswerter Weise auch der Lon-
doner Abdruck des 3. Zustandes ausgewählt, den
Rembrandt zwecks Verbesserung mit Kreide über-
zeichnet hat. Gerade solche oder ähnliche Fälle
sind für die Tendenz des Herausgebers aufschluß-
gebend und füllen das Werk mit eigenem Reiz.
Ein anderes instruktives Beispiel bietet die Frau
am Ofen (B. 197), an der Rembrandt wesent-
liche Zutaten oder Weglassungen ganz nach Will-
kür durchgeführt hat. Gegenüber den 7. Etats
erscheinen nur der 3., 4. und 6. in Lichtdruck,
wo die breite Mauerkante, der Griff an der Ofen-
röhre und der Kopf ohne Haube in Betracht
kommen. Änderungen hinsichtlich der Schattie-
rung wurden nicht beachtet; hier verweist der
Autor auf das Rovinski- oder Seidlitz-Werk.
Selbstverständlich finden Unika oder Etats mit
äußerst seltenen Belegen volle Beachtung hin-
sichtlich ihrer Anzahl und Aufbewahrungsorte.
Daß hier von Jahr zu Jahr immer noch Richtig-
stellungen und Ergänzungen zu verzeichnen sind,
ist eine natürliche und gleichzeitig erfreuliche
Erscheinung. So tauchte im Dezember 1924 in
einer Christie-Auktion, demnach bei Graul noch
nicht verzeichnet, ein drittes Exemplar des ersten
Zustandes von Arnold Tholinx auf (B. 284), von
dem bis jetzt nur jenes im British Museum und

jenes bei E. Rothschild in Paris bekannt waren.
Derlei Ereignisse finden heute ihre volle materielle
Auswertung. Wir staunen aber doch, wenn dafür
ein selbst für Rembrandt noch nicht erlebter
Rekordpreis von 3600 Guineas seitens der Firma
Colnaghi geboten wurde. Daß dies kostbare
Exemplar über kurz oder lang in einer ameri-
kanischen Sammlung auftauchen wird, dürfen
wir als sicher voraussetzen.
Seltene und interessante, die Rembrandtsche
Schaffensweise ergänzende Drucke werden, soweit
als möglich, in Naturgröße reproduziert, wiez.B.
Die große Flucht nach Ägypten (B. 56), an die
gleichzeitig als Vergleichstafel eines der nur in
zwei Exemplaren erhaltenen Drucke von der
H. Seghers-Platte: Tobias mit dem Engel ange-
schlossen wurde, die seinerzeit Rembrandt — ein
ungewöhnlicher Fall für unsere heutige Anschau-
ung — benutzt und in eine Flucht umgewandelt
hatte (Tafel 151, 152, 153). Daß uns Graul außer-
dem noch den 4. und 6. Zustand vorführt, die
kaum mehr auf Rembrandt zurückgehen, muß
uns wundernehmen. Hier erscheint das Prinzip
durchbrochen.
Von gleicher Bedeutung für den Rembrandt-
Interessenten sind Probedrucke von Platten, die
als mißlungen, als verätzt auf die Seite gelegt
und erst von fremder Hand wieder aufgenommen,
neu radiert oder überarbeitet wurden. Also eine
Art äußerst seltener Makulaturdrucke, die ihren
Wert durch den unmittelbaren technischen Zu-
sammenhang mit Rembrandt bewahrt haben, z. B.
Die große Kreuzabnahme (B. 81a, Tafel 31). Noch
wertvoller erscheinen jene Makulaturdrucke, die
Rembrandt nicht verwarf, sondern sofort mit
Rötel, Tinte oder Tusche überzeichnete, um
danach die Platte weiterhin auszugestalten. Ein
in dieser Beziehung besonders belehrendes Bei-
spiel, das sich in Berlin befindet und ehemals
bei A. v. Beckerath war, bietet jener Druck vom
älteren Lutma (B. 276, Tafel 178), der uns
heute den freien technischen Vorgang vor dem
ersten Etat erkennen läßt. Für solche nach sonst
schwer zugänglichen Originalen angefertigte gute

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