W. HAUSENSTEIN
tun haben. Nr. 61 rührt von Juan de Flandes
her, Nr. 6g wahrscheinlich von einem Genter,
Nr. 70 vom Brügger Meister der Ursulalegende
und Nr. 35 ist eine Komposition des Roger van
der Weyden, die Friedländer sogar für eine
eigenhändige Arbeit des Meisters hält. Auch
was der Meister von Flemalle, der der Aixer
Verkündigung oder der des heiligen Ägidius
mit dem Buche zu tun haben, ist schwer zu er-
gründen und ebensowenig ist die Aufnahme
von spanischen Bildern verständlich. Warum dann
nicht auch Konrad Witz, wenn alle Ausstrahlungen
gezeigt werden sollen ? Dafür fehlt die runde
Pieta des Louvre, der Meister von Meulins aus
Glasgow und andere wichtige Werke. Und schließ-
lich die Frage: ist es überhaupt möglich, einen
Begriff von der französischen Tafelmalerei der
Zeit zu geben, ohne die Miniaturen, ohne das
Parament von Narbonne heranzuziehen ?
Macht die Auswahl des Bandes über die* alt-
französische Malerei den Eindruck vollkommener
Ratlosigkeit, so bietet uns die der deutschen Bilder
den Anblick reiner Willkür. Auf den Meister
von Cappenberg folgt der Meister der Darm-
städterpassion, dann die Brüder Duenwegge, dann
einige späte Kölner, Pacher und RuelandFrueauf.
Also ein Bild um 1440 und wahllos einige um 1490.
Vom älteren Holbein sehen wir natürlich nurFrüh-
werke, von Dürer nicht eine Komposition und
ebenso keine von Holbein, dafür von Baldungkein
Frühwerk und nur ein (spätes) Bildnis und von
Wolf Huber kein frühes und kein spätes Bild.
Ganz kleine Meister, wie Uffenbach und der
Donauschul-Meister der Nürnberger Legenden
sind aufgenommen, aber Breu, Niclas Manuel
und die Dürerschule fehlen. Auf Hans Leu aber
folgt als Schluß unmittelbar Adam Elsheimer,
der doch nur nach dem späten Altdorfer Folge-
richtigkeit besäße. Und als Kuriosum haben zwei
Bildnisse von Joos van Cleve Platz gefunden.
Auf diese beiden Bände, die man nur als in
jeder Hinsicht verfehlt bezeichnen kann, hat der
Verlag einen weiteren folgen lassen, der sämt-
liche Bilder des großen Delfter Veumeer enthält.
Wenn der Band über die deutsche Malerei keinem
wirklichen Bedürfnis entsprach, da dasselbe be-
reits besser existiert, wenn der über die fran-
zösische einem gediegenen Fachmann hätte an-
vertraut werden müssen, um Ersprießliches wirken
zu können, so füllt der dritte, der sämtliche
Bücher, bekannte Bilder und Zeichnungen der
großen Koloristen und eine sehr verwendbare
Übersicht Hausensteins über die Literatur ent-
hält, eine lange schmerzlich empfundene Lücke
in unserer Kunstliteratur aus und muß schon
aus diesem Grunde wirklich willkommen ge-
heißen sein. Hier scheint nun die Auf-
gabe, die den Atlanten zur Kunst erwachsen
kann, richtig getroffen zu sein; das Publikum
nicht durch eine willkürliche von heutigen Ge-
sichtspunkten aus getroffene Auswahl irrezuleiten,
sondern ihm ein geschlossenes Bild zu zeigen.
Es gäbe noch eine ganze Reihe von Künstlern
und Perioden, die man vollzählig vorführen
könnte; wo die Fülle des Materials aber eine
Auswahl nötig macht, müßte diese so getroffen
werden, daß sie das für die Zeit Bezeichnende
und also das für das wirkliche Verständnis der
Periode Notwendige und nicht das von einem
ephemeren Standpunkt aus Interessante, gleich-
gültig, ob bedeutend oder nicht, vorführte. Bei
erhöhter Fachkenntnis wäre dies auch bei dem
Bande der Franzosen möglich gewesen und ebenso
wäre es denkbar, eine bestimmte Entwicklungs-
komponente der altdeutschen Malerei herauszu-
arbeiten, wenn ein wirkliches Versenken in die
Materie erfolgt wäre und die andere Seite der
Medaille uns vorgeführt würde. Ludwig Baldass
1 22
Forum
tun haben. Nr. 61 rührt von Juan de Flandes
her, Nr. 6g wahrscheinlich von einem Genter,
Nr. 70 vom Brügger Meister der Ursulalegende
und Nr. 35 ist eine Komposition des Roger van
der Weyden, die Friedländer sogar für eine
eigenhändige Arbeit des Meisters hält. Auch
was der Meister von Flemalle, der der Aixer
Verkündigung oder der des heiligen Ägidius
mit dem Buche zu tun haben, ist schwer zu er-
gründen und ebensowenig ist die Aufnahme
von spanischen Bildern verständlich. Warum dann
nicht auch Konrad Witz, wenn alle Ausstrahlungen
gezeigt werden sollen ? Dafür fehlt die runde
Pieta des Louvre, der Meister von Meulins aus
Glasgow und andere wichtige Werke. Und schließ-
lich die Frage: ist es überhaupt möglich, einen
Begriff von der französischen Tafelmalerei der
Zeit zu geben, ohne die Miniaturen, ohne das
Parament von Narbonne heranzuziehen ?
Macht die Auswahl des Bandes über die* alt-
französische Malerei den Eindruck vollkommener
Ratlosigkeit, so bietet uns die der deutschen Bilder
den Anblick reiner Willkür. Auf den Meister
von Cappenberg folgt der Meister der Darm-
städterpassion, dann die Brüder Duenwegge, dann
einige späte Kölner, Pacher und RuelandFrueauf.
Also ein Bild um 1440 und wahllos einige um 1490.
Vom älteren Holbein sehen wir natürlich nurFrüh-
werke, von Dürer nicht eine Komposition und
ebenso keine von Holbein, dafür von Baldungkein
Frühwerk und nur ein (spätes) Bildnis und von
Wolf Huber kein frühes und kein spätes Bild.
Ganz kleine Meister, wie Uffenbach und der
Donauschul-Meister der Nürnberger Legenden
sind aufgenommen, aber Breu, Niclas Manuel
und die Dürerschule fehlen. Auf Hans Leu aber
folgt als Schluß unmittelbar Adam Elsheimer,
der doch nur nach dem späten Altdorfer Folge-
richtigkeit besäße. Und als Kuriosum haben zwei
Bildnisse von Joos van Cleve Platz gefunden.
Auf diese beiden Bände, die man nur als in
jeder Hinsicht verfehlt bezeichnen kann, hat der
Verlag einen weiteren folgen lassen, der sämt-
liche Bilder des großen Delfter Veumeer enthält.
Wenn der Band über die deutsche Malerei keinem
wirklichen Bedürfnis entsprach, da dasselbe be-
reits besser existiert, wenn der über die fran-
zösische einem gediegenen Fachmann hätte an-
vertraut werden müssen, um Ersprießliches wirken
zu können, so füllt der dritte, der sämtliche
Bücher, bekannte Bilder und Zeichnungen der
großen Koloristen und eine sehr verwendbare
Übersicht Hausensteins über die Literatur ent-
hält, eine lange schmerzlich empfundene Lücke
in unserer Kunstliteratur aus und muß schon
aus diesem Grunde wirklich willkommen ge-
heißen sein. Hier scheint nun die Auf-
gabe, die den Atlanten zur Kunst erwachsen
kann, richtig getroffen zu sein; das Publikum
nicht durch eine willkürliche von heutigen Ge-
sichtspunkten aus getroffene Auswahl irrezuleiten,
sondern ihm ein geschlossenes Bild zu zeigen.
Es gäbe noch eine ganze Reihe von Künstlern
und Perioden, die man vollzählig vorführen
könnte; wo die Fülle des Materials aber eine
Auswahl nötig macht, müßte diese so getroffen
werden, daß sie das für die Zeit Bezeichnende
und also das für das wirkliche Verständnis der
Periode Notwendige und nicht das von einem
ephemeren Standpunkt aus Interessante, gleich-
gültig, ob bedeutend oder nicht, vorführte. Bei
erhöhter Fachkenntnis wäre dies auch bei dem
Bande der Franzosen möglich gewesen und ebenso
wäre es denkbar, eine bestimmte Entwicklungs-
komponente der altdeutschen Malerei herauszu-
arbeiten, wenn ein wirkliches Versenken in die
Materie erfolgt wäre und die andere Seite der
Medaille uns vorgeführt würde. Ludwig Baldass
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