Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
24

Die Fälscher im 18. Jahrhundert gingen aber noch
weiter. Sie sabrizirten Doubletten, von denen der
Pavillon ein Brillant war, während die Külasse aus
Glas hergestellt wurde; und als man im Anfang
dieses Jahrhunderts mit der Glasfabrikation immer
weiter kam, und die ersten Borläufer der „Simili" oder
„Straß" genannten künstlichen Edelsteine auf der Bild-
fläche erschienen, fertigte man Doubletten, welche voll-
ständig unecht waren. Der Leser wird sich vielleicht
fragen, warum es nothwendig war, einen solchen ge-
fälschten Stein aus zwei Stücken bestehen zu lassen,
die man zusammenkittete, und es diene ihm zur Nach-
richt, daß diese Theiluug des Steines eine höchstwichtige
und wohlberechnete war, weil durch dieselbe diamanten-
gleiche Licht- und Brcchuugseffckte erzielt werden können,
die bei einem einzelnen falschen Steine nicht zu erreichen
sind. Wenn man z. B. den Pavillon aus Glas mit
einem leicht gelblichen Schimmer herstellte und ihn an
seiner unteren Seite hohl ausschliff, den Külassetheil
aber aus etwas bläulichem Glase machte und ihn genau
in die Höhlung des Pavillons einfügte, fo erhielt man
einen Stein mit einem eigenthümlich feurigen, grün-

Das Buch für Alle,
liehen Licht, dessen Wirkung auf den nicht sachverstän-
digen Beschauer eine ganz außerordentlich täuschende
war.
Dieses Doublettiren erfolgt, wie gesagt, heute noch
und zwar mit solcher Kunst, daß die Pavillons echter,
aber in der Farbe fehlerhafter, infolge dessen immer-
hin mindcrwerthiger Edelsteine durch dazu passend an-
gebrachte Glaskülassen in geradezu glänzender Weise
verbessert werden können. Ist ein solcher Stein gefaßt,
so daß man die Rundiste nicht zu untersuchen vermag,
so kann damit ein großer Betrug verübt werden, in-
dem selbst der Kenner auf den ersten Blick annehmen
muß, einen Brillanten von reinstem Wasser vor sich
zu haben, während er in Wirklichkeit einen minder-
werthigen, fleckigen Diamanten gekauft hat, der durch
Unterlegen eines entsprechenden Glasstückes verbessert
worden ist. Ein Juwelier kauft daher nie gefaßte
Steine, sondern er nimmt sie aus der Fassung heraus
und untersucht sie sorgfältig an der Rundiste. Er
macht aber noch andere Proben, um zu entdecken, ob
er gefälschte oder echte Brillanten vor sich hat, und
die wichtigste dieser Proben ist die auf die Härte.

Hrst 1.
Für diese Art der Untersuchung hat man eine be-
sondere Skala mit neun Härtegraden hergestellt. Jeder
Juwelier besitzt in einem Kästchen mit Nummern be-
zeichnet Stücke von echten Brillanten, von Korund
Härte Nro. 9, Topas Härte Nro. 8, -Duarz Härte
Nro. 7, Feldspath Härte Nro. 6. Mit dem zu prüfen-
den Brillanten und zwar mit der Rundiste (um die
geschliffene Fläche zu schonen) fährt der Juwelier über
die Proben hinweg und sieht, ob der zu prüfende
Brillant einen Eindruck auf diesen hinterläßt. Ritzt
er mehr oder weniger stark den betreffenden Stein der
Skala, so ist er härter als dieser, und man erkennt
dadurch, ob man einen echten Brillanten oder eine
Nachahmung vor sich hat. Außerdem benutzen die
Juweliere noch eine eigens konstrnirte Lupe, um durch
die Farbeuspiegelung zu erkennen, ob man einen wirk-
lichen Brillanten vor sich hat. Dazu gehört jedoch
ein sehr geübtes Auge.
Es wurde oben erwähnt, daß beim Untersuchen jeder
Juwelier den Stein aus der Fassung herausnimmt.
Ganz besonders nothwendig ist dies, wenn der Stein
nicht ä jour gefaßt, sondern in einen sogenannten


Der Hutslserrin Lievking. Nacb einen, Gemälde von H. Loo sch en. (S. 23)

„Kasten" eingelassen ist. Schon vor einigen hundert
Jahren kannte inan den Kniff, diese Kästen inwendig
zu färben und dadnrch den Glanz der Edelsteine zu
erhöhen. Jeder Rubin wird ein auffallend röthliches
Licht zeigen, wenn man ihn in einen Kasten cinsetzt,
dessen Boden und Scitcnwände mit einer lebhaften
rothen Farbe versehen sind. Man fütterte daher schon
in früherer Zeit die Kasten der Juwelen mit rothen,
grünen und gelben Stücken von Staniol. Noch heute
wendet man dieses Mittel an, und es bewährt sich,
wenn Steine Flecke haben, die man verbergen will oder
wenn ihr Farbenspiel nicht ein lebhaftes ist. Einen
direkten Betrug kann man in dieser Farbenunterlage
nicht erblicken, wenigstens nicht dem Kenner gegenüber,
der sofort weiß, daß ein Stein einen Fehler haben
muß, wenn er in Kastenform gefaßt ist; ist er fehler-
frei, so wird sich der Juwelier nicht abhalten lassen,
ihn ä gone zu fassen, also durchsichtig zu lassen.
Die Brillantenfälschung und der Schwindel im
Brillautengeschüft nahm aber einen in's Große gehen-
den Aufschwung, als man in den siebziger Jahren die
Kapdiamanten auf den Markt brachte. In Südafrika
wurden Diamanten in kolossaler Menge gefunden, und
besonders englische Kapitalisten thaten sich zusammen,
nur Bergwerke anzulegcn, aus denen man die edlen
Steine herausholte. Es gab zuerst auf dem Diamanten-

markte großen Schrecken, und die Steine sanken im
Werthe, denn man glaubte jetzt ungezählte Mengen
der herrlichsten Stücke ans Afrika beziehen zu können.
Es zeigte sich indes; bald, daß die Kapdiamanten nicht
nut den brasilianischen, geschweige denn mit den ost-
indischen Steinen kon.urrircn konnten. Sie hatten näm-
lich eine gelbliche Farbe, und die Erfahrung belehrte
die Besitzer und Händler darüber, daß diese Färbung
mit der Zeit zunahm, und die Steine zum Theil trübe
wurden.
Da kam ein genialer Kopf auf den Ausweg, die
Steine zu „schminken", nm ans diese Weise die gelbe
Farbe der Steine auf längere oder kürzere Zeit zu
entfernen. Das Anilin, das kurz vorher entdeckt wor-
den war, gab den Fälschern das Mittel an die Hand,
das Schminken der Steine mit Erfolg zu betreiben.
Taucht man nämlich einen Kapbrillanten in eine Auf-
lösung von Anilinviolctt, so überzieht er sich mit einer
feinen Schicht dieser Farbe, welche das Brechungsver-
mögen des Diamanten keineswegs aufhcbt, aber den
gelben Ton verdeckt und vollständig verschwinden läßt.
Der Diamant sieht jetzt hell aus und ist von rein
weißer Farbe. Allerdings schon nach kurzer Zeit reibt
sich die „Schminke" herunter, und der gelbliche Ton
tritt wieder hervor.
Dein Betrüge ist aber durch das Schminken ein

weiter Spielraum geworden, denn wenn der Brillant
nur im Augenblicke des Kaufes weiß ist, wird sich der
Käufer, der nicht Fachmann ist, immer täuschen lassen.
Der Juwelier und der genaue Diamantenkcnner ist
dagegen meist gegen diesen Betrug gesichert. Bei jeder
Probe legen die Sachverständigen, wie wir wissen, die
Steine in heißes Wasser, um zu sehen, ob sie nicht
znsammengekittet sind. Das heiße Wasser nimmt die
Anilinschicht herunter, ja ein einfaches Reiben auf einem
Tuchfleck, z. B. auf dem Rmkarmel läßt schon das
Vorhandensein von „Schminke" erkennen. Dagegen
werden Privatleute täglich von betrügerischen Diamanten-
händlern mit Kapbrillanten „angeschmiert", und den
einzigen Schutz dagegen kann der Käufer nur darin
finden, daß er zu einem Juwelier geht, der sich eines
guten Rufes erfreut und von dem er annehmen kann,
daß er nicht seine geschäftliche Ehre durch einen Be-
trug beflecken wird.
Nirgends ist aber das Schminken so verbreitet,
wie in Frankreich. Die Damen der guten Gesellschaft
dort schminken nicht nur sich selbst, sondern auch ihre
Brillanten. Sie kaufen absichtlich die mindcrwerthigen
Kapbrillanten, und schminken sie dann selbst, um trotz
geringer Mittel ans Bällen und Festen mit recht viel
Brillanten prunken zu können. Hat sich die Schminke
abgenutzt, so wiederhole» sie das Experiment. Auf
 
Annotationen