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Htst 19. Itin^vivto Fttrniiien-Deitnncl. Lahrg. 189L.


Der Fuchs von hesselrode.
Roman
L. Kaidüeim.
(Fortsehinig vnd Schluß.)
(Nachdruck verboten.)
n ganzen Abend konnten sich die Lieben-
ten kein Wort mehr sagen: nur suchten
Heinz' Augen stets die Helia's, und die
klicke fanden sich, und leise Glückes-
chauer überrieselten Beide.
Hätten sie sich sprechen kön-
nen, so würden sie Beide bekannt
haben, wie grenzenlos erstaunt sie waren, daß
heute in der ersten halben L-tunde das Wort
zwischen ihnen gesprochen war, das so lange
schon auf ihren Lippen und in ihren Herzen
gezittert.
Heinz war wie iin Traum. Woher hatte er
nur den Muth genommen? Aber cs war ge-
schehen! Eine jubelnde Freude erfüllte sein
Herz, bemächtigte sich seines ganzen Wesens;
nie hatte mau ihn so frei, so heiter, so an-
regend und liebenswürdig gesehen. Der Fürst
blickte ihn fast erstaunt an. War das der
ernste, melancholische Mann, von dem mau
ihm erzählt, daß ihn der Tod seiner Jugend-
liebe ganze Jahre hindurch vernichtet habe?
Hclia war stiller als sonst, aber sah sie
nicht aus wie eine Verklärte?
„Das ist Liebe!" sagte sich Fürst Heinrich.
„Das ist Liebe!" sagte sich auch die Fürstin,
und Marie v. Leufirik's Augen drückten der
hohen Frau denselben Gedanken aus.
In diese heimlichen Vorgänge hinein sprach
Professor Drontheim von den neuesten Ent-
deckungen ; der alte Gehcimrath erzählte kleine
launige Mißverständnisse von seinen Patienten,
die beiden anderen gelehrten Herren debattirtcn
über die Mittel, Fälschungen alter Hand-
schriften zu entdecken, und erzählten dann
von Schwindeleien im Allgemeinen.
Helia und Heinz hörten nichts von
dem Allen. Ihnen war, als gehe ein
elektrischer Strom zwischen ihren Herzen
hin und her, und auf dieser unsichtba-
ren Brücke begegneten sich ihre Gedan-
ken und wanderten herüber, hinüber,
daß sie sich ohne Worte verstanden
und einander tausend Zärtlichkeiten
sagten.
So verging der Abend. Wie sie es
auch anstcllten, kein Wort, kein flüch-
tiger Händedruck!
Erst als er Abschied von ihr nahm,
fiel ihm ein, sie zu fragen: „Welches
ist Ihr Platz bei dem Reiterfeste, gnä-
digste Baronesse?"
Sie gab ihm denselben an. Dann

eine Verneigung von beiden Seiten, noch ein letzter,
langer, zärtlicher Blick.
„O Gott der Liebe, habe Dank!" sagte Heinz in
sich hinein, als er endlich draußen im Freien war,
und das Wort wiederholte er immer wieder.
Es war am Abend des nächsten Tages.
Die Uhr hatte eben Sieben geschlagen; noch eilten
die letzten Verspäteten dem Ballhofe zu, einem alter-
thümlicheu, im Rechteck erbauten sehr großen Gebäude,
in dessen innerem Hofe man den Turnierplatz errichtet,
den ringsum säulengetragene Ballone und Gallerien
umgaben.
Was feinster Kunstsinn hatte thun können, die Zeit
des Mittelalters wieder aufleben zu lassen, war mit

wahrer Vollendung geschehen. Ucberäll Kranzgewinde,
Wappen, Fähnchen und Banner; Zweige blühender
Apfelbäume deuteten die schöne Maienzeit an, prächtige
alte Gobelins und Teppiche, Malerei, Waffentrophäen
füllten jeden leeren Platz der Wände, und rings auf den
„hohen Ballonen" saßen die Damen „im schönsten Kranz".
Rur die fürstliche Loge war noch leer; wer Zeit
fand, die Augen von der Ueberfülle herrlichen Details
abzuziehcu, wandte sie nach dieser Loge, voll Neugier,
die Fürstin zu sehen, von der Jeder nur Liebes und
Gutes rühmte.
Wie ein Rauschen und Brausen ging es unablässig
durch die Kopf an Kopf gedrängte Menge. Tie inten-
sivste Schaulust erfüllte alle diese Menschen; hatte man
doch wochenlang von nichts Anderem geredet, als von
dem Glanz und Rcichthum der wappenge-
schmückten Reitkleider der Edeldamen und von
den echten alterthümlichen Ketten und Wämm-
sern der Ritter.
Da! Eine tiefe Stille trat ein. Der Fürst
und die Fürstin erschienen in der großen Mittel-
loge. Ein brausendes Hoch erfüllte den Raum,
daß es schien, als erbebe das Gebäude in sei-
nen Grundfesten, lind wieder und nochmals
Hoch! Der Jubel wollte gar nicht enden, das
Entzücken über die blonde, schöne Fürstin war
allgemein.
Nur Eiuer jubelte weniger enthusiastisch.
Das Ivar Heinz v. Hesselrode, der zwischen all'
den reitenden und nicht reitenden Kavalieren
an den Eingängen zu den Ställen stand und
erwartungsvoll nach der Mittelloge hinauf-
blickte, wo Helia gleich erscheinen mußte.
Auch der Fürst sah sich, wie es schien,
wartend nach ihr um.
Endlich that sich die Thür auf; aber es war
Marie v. Leufink und der Kammerherr Graf
Rauer. Daun abermals traten zwei Personen
dort ein. Komtesse Riedhammer, eine ältliche
Dame, und der Lberhofmeister.
Roch immer Helia und ihre alte Excelleuz
nicht! Ter Fürst durfte nicht länger zögern,
er gab das Zeichen zum Anfänge, und
im selben Moment sprengten acht Ritter
nnd acht Edelfrauen im mittelalterlichen
Kostüm in die Bahn.
Das Reiten begann; wer Augen
hatte zu sehen, der ließ sie nicht einen
Moment von dem fesselnden interessan-
ten Bilde. Das war eine Pracht der
Stoffe, ein Funkeln der Juwelen, das
war ein Reiten, ein Zusammenwachsen
und Einswerden zwischen Roß und Rei-
ter ! lind dazu die uerveuerregende Musik,
nach deren Takt die edlen Thiere jede
Bewegung mit sichtbarerLust auSführteu.
Nur Einer sah nichts von dem Allen.
Wo blieb Helia? Warum ver-
spätete sie sich so auffällig?
Die erste Nummer war zu Ende;
der Fürst fragte offenbar nach seiner
Tochter. Der Oberhofmeister antwortete
anscheinend beruhigend, der Fürst nickte,

Pie Hsterlsasen. Originalzeichimiig von A. Holm. (S 455)
 
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