Heft n. Illnstviete Familien-Zeitung. Iahrg. mr.
Dor,s»ch
Priiijtijin Vlvirci von BlUicrn nvd il,r Kcuilihl, Krns Niidolf v. ÄUbna »»d FerndniitznI.
Nach eiucr crignialausaahm- van Arthur Marx, königl. bayrischer Hofphotograph in München, (S. ÜII)
Klevekorn schnitt diesem die Antwort ab; er meldete,
seine Frau sei aus dem Bette aufgestanden und wolle
Milch kochen,
„Ah, für die Damen?" rief der Pächter. „Aber
die Herrschaften gehen Wohl besser mit mir hinüber,
es ist nicht weit. Georg, lauf, die Haushälterin soll
aufstehen; Butter, Brod, kalten Braten, was sie hat,
Herrichten," befahl er seinem Begleiter, der sofort dienst-
eifrig davon schoß.
„Ich sehe nicht ein," wandte Baron Heinz dankend
ein, „warum ich aus meinem Hause gehen soll? Es
wird hier doch Wohl eine Stube sein, die bewohnbar ist."
Doktor Reutler lachte fein. Er verstand dieses
Widerstreben, obwohl es ihm unnütz und uunöthig schien.
„So lassen wir's hierher bringen!" sagte der Pächter,
dem der Baron ganz fraglos "der rechte Erbe war.
„Hier nebenan ist die Eßstube, da können die Herr-
schaften ja einstweilen eintreten. Ich laufe schnell hin-
über und hole eine Lampe."
„Und ich bleibe nicht, ich will nicht!" dachte Helia.
Einen Wink ihrer vor Külte zitternden Begleiterin
gebend, wandte sie sich schweigend der Thür zu, dem
Pächter auf dem Fuße folgend.
Da trat Gehrke auf sie zu, der erfahren hatte, daß
sie sofort wieder umkehren wollte.
„Das geht nicht, gnädiges Fräulein!" sagte er.
„Es geht wirklich nicht, ich habe Angst genug um den
Peter, so ein Laufen hält kein Pferd aus!"
Helia wollte auf ihrem Willen
bestehen, aber da nahm eine feste
und doch sanfte Gewalt Besitz von ihr;
ehe sie nur Zeit hatte, das Unglaub-
liche zu begreifen, stand sie wieder im
Hause, in dem geöffneten Zimmer,
dessen dumpfe Luft ihr nach der bitte-
ren Kälte draußen wohlthuend warm
erschien, und der Baron v. Hesselrode
führte sie zu einem alten Lehnstuhl.
Wieder fiel ihr auf, welch' vorneh-
mer, edler und zugleich gütiger Aus-
druck iu seinem Gesicht lag. Auch
seine Stimme war angenehm, als er
sagte:
„Denken Sie jetzt nicht an unsere
Gegnerschaft, gnädiges Fräulein, wenn
es Ihnen möglich ist. Fort können
Sie vor Ablauf einiger Stunden nicht.
Verschmähen Sie auch die Erguicknn-
gen nicht, welche diese Leute hier Ihnen
bieten," setzte er, fühlend, sie werde
von jedem Andern lieber, als von ihm
eine Güte sich gefallen lassen, mit
einer halben Wendung nach einem
alten Bauernweibe hinzu, welches jetzt
zwei Gläser mit dampfender Milch
herein trug.
Er nahm der unbeholfenen Person
dann doch die Erfrischungen ab und
bot sie Helia und ihrer völlig stummen
Begleiterin. Die Art, wie er es that,
war frei und unbefangen und dabei
gutmüthig und bestimmt zugleich.
„Ich danke!" sagte sie leise, aber
sie nahm das Glas, sie fand seiner
Weise gegenüber nicht die Kraft des
Widerstandes.
„Trinken Sie es so heiß wie mög-
lich!" mahnte er noch.
Ta brachte der Pächter eine Lampe,
eine warme Wagendecke hatte er über
die Schultern geschlagen.
„Für die junge Dame!" sagte er,
und unverzüglich hüllte Baron Heinz
die beiden Frauen in dieselbe ein.
Hinter dem Pächter erschien Georg
und brachte in einem Korbe Butter,
Brod, Wurst, Käse, Gläser und Fla-
Roman
L. Kaidljeim.
(Fortsetzung.)
_ (Nachdruck verboten.)
oktor Rentier war gewohnt, derartiges zu
'!> erleben in dem ewigen Streit der Mensch-
heit tim das Blein und Dein! Daher nahm
er auch diesen Fall jetzt völlig sachlich.
Der Baron Heinz v.
Hesselrode schien ihm
ein ganz angenehmer
Mann, warum sollten
sie Beide nicht eine Flasche Wem
ausstechen? Das that dem Prozeß,
den sie gegen einander führen würden,
durchaus keinen Eintrag.
Baron Heinz schien völlig dersel-
ben Meinung.
„Sollte denn nirgends etwas Er-
wärmendes zu Haben sein? Könnten
Sie den Damen nicht wenigstens ein
Glas heiße Milch anbieten?" wandte
er sich an den alten, vor Frost schlot-
ternden Klevekorn.
Ta hörte man draußen Stim-
men; gleich darauf trat mit einer
hellschimmeruden Laterne der Pächter
der GutSlündereien ein, hinter ihm ein
junger Bursche.
„Ist der Freiherr todt? Jst's
wahr?" rief er aufgeregt. „Eben
komme ich vom Dorfe, da sagt mir
der Kutscher draußen —"
Doktor Reutler konnte seine Freude,
einen Menschen zu sehen, der ihm ein
Glas Grog geben würde, kaum bezwin-
gen, fühlte aber Helia's. flammenden
Zornesblick und sagte daher mit würde-
vollem Ernste: „Hier ist Ihre recht-
mäßige Gebieterin, die wahre, nächste
und testamentarisch bestimmte Erbin
des Freiherrn. Dieser Herr, Baron
Heinz v. Hesselrode, hat sich, das Erb-
recht ebenfalls beanspruchend, früher
als wir in Besitz zu setzen verstanden,
aber er wird nicht lange darin ver-
bleiben."
„Ah, Herr Baron, willkommen!"
sagte der Pächter, trat, Helia nur
eine kühle Verbeugung machend, auf
den Baron zu und bot ihm die Hand.
„Ich will fort! Lassen Sie uns
fahren! Wenn Sie nicht mit wollen,
Herr Doktor, so bleiben Sie!" fuhr
tief verletzt von dieser freudigen Begrü-
ßung ihres Feindes Helia v. Wichardt
abermals gegen Doktor Reutler auf.
Dor,s»ch
Priiijtijin Vlvirci von BlUicrn nvd il,r Kcuilihl, Krns Niidolf v. ÄUbna »»d FerndniitznI.
Nach eiucr crignialausaahm- van Arthur Marx, königl. bayrischer Hofphotograph in München, (S. ÜII)
Klevekorn schnitt diesem die Antwort ab; er meldete,
seine Frau sei aus dem Bette aufgestanden und wolle
Milch kochen,
„Ah, für die Damen?" rief der Pächter. „Aber
die Herrschaften gehen Wohl besser mit mir hinüber,
es ist nicht weit. Georg, lauf, die Haushälterin soll
aufstehen; Butter, Brod, kalten Braten, was sie hat,
Herrichten," befahl er seinem Begleiter, der sofort dienst-
eifrig davon schoß.
„Ich sehe nicht ein," wandte Baron Heinz dankend
ein, „warum ich aus meinem Hause gehen soll? Es
wird hier doch Wohl eine Stube sein, die bewohnbar ist."
Doktor Reutler lachte fein. Er verstand dieses
Widerstreben, obwohl es ihm unnütz und uunöthig schien.
„So lassen wir's hierher bringen!" sagte der Pächter,
dem der Baron ganz fraglos "der rechte Erbe war.
„Hier nebenan ist die Eßstube, da können die Herr-
schaften ja einstweilen eintreten. Ich laufe schnell hin-
über und hole eine Lampe."
„Und ich bleibe nicht, ich will nicht!" dachte Helia.
Einen Wink ihrer vor Külte zitternden Begleiterin
gebend, wandte sie sich schweigend der Thür zu, dem
Pächter auf dem Fuße folgend.
Da trat Gehrke auf sie zu, der erfahren hatte, daß
sie sofort wieder umkehren wollte.
„Das geht nicht, gnädiges Fräulein!" sagte er.
„Es geht wirklich nicht, ich habe Angst genug um den
Peter, so ein Laufen hält kein Pferd aus!"
Helia wollte auf ihrem Willen
bestehen, aber da nahm eine feste
und doch sanfte Gewalt Besitz von ihr;
ehe sie nur Zeit hatte, das Unglaub-
liche zu begreifen, stand sie wieder im
Hause, in dem geöffneten Zimmer,
dessen dumpfe Luft ihr nach der bitte-
ren Kälte draußen wohlthuend warm
erschien, und der Baron v. Hesselrode
führte sie zu einem alten Lehnstuhl.
Wieder fiel ihr auf, welch' vorneh-
mer, edler und zugleich gütiger Aus-
druck iu seinem Gesicht lag. Auch
seine Stimme war angenehm, als er
sagte:
„Denken Sie jetzt nicht an unsere
Gegnerschaft, gnädiges Fräulein, wenn
es Ihnen möglich ist. Fort können
Sie vor Ablauf einiger Stunden nicht.
Verschmähen Sie auch die Erguicknn-
gen nicht, welche diese Leute hier Ihnen
bieten," setzte er, fühlend, sie werde
von jedem Andern lieber, als von ihm
eine Güte sich gefallen lassen, mit
einer halben Wendung nach einem
alten Bauernweibe hinzu, welches jetzt
zwei Gläser mit dampfender Milch
herein trug.
Er nahm der unbeholfenen Person
dann doch die Erfrischungen ab und
bot sie Helia und ihrer völlig stummen
Begleiterin. Die Art, wie er es that,
war frei und unbefangen und dabei
gutmüthig und bestimmt zugleich.
„Ich danke!" sagte sie leise, aber
sie nahm das Glas, sie fand seiner
Weise gegenüber nicht die Kraft des
Widerstandes.
„Trinken Sie es so heiß wie mög-
lich!" mahnte er noch.
Ta brachte der Pächter eine Lampe,
eine warme Wagendecke hatte er über
die Schultern geschlagen.
„Für die junge Dame!" sagte er,
und unverzüglich hüllte Baron Heinz
die beiden Frauen in dieselbe ein.
Hinter dem Pächter erschien Georg
und brachte in einem Korbe Butter,
Brod, Wurst, Käse, Gläser und Fla-
Roman
L. Kaidljeim.
(Fortsetzung.)
_ (Nachdruck verboten.)
oktor Rentier war gewohnt, derartiges zu
'!> erleben in dem ewigen Streit der Mensch-
heit tim das Blein und Dein! Daher nahm
er auch diesen Fall jetzt völlig sachlich.
Der Baron Heinz v.
Hesselrode schien ihm
ein ganz angenehmer
Mann, warum sollten
sie Beide nicht eine Flasche Wem
ausstechen? Das that dem Prozeß,
den sie gegen einander führen würden,
durchaus keinen Eintrag.
Baron Heinz schien völlig dersel-
ben Meinung.
„Sollte denn nirgends etwas Er-
wärmendes zu Haben sein? Könnten
Sie den Damen nicht wenigstens ein
Glas heiße Milch anbieten?" wandte
er sich an den alten, vor Frost schlot-
ternden Klevekorn.
Ta hörte man draußen Stim-
men; gleich darauf trat mit einer
hellschimmeruden Laterne der Pächter
der GutSlündereien ein, hinter ihm ein
junger Bursche.
„Ist der Freiherr todt? Jst's
wahr?" rief er aufgeregt. „Eben
komme ich vom Dorfe, da sagt mir
der Kutscher draußen —"
Doktor Reutler konnte seine Freude,
einen Menschen zu sehen, der ihm ein
Glas Grog geben würde, kaum bezwin-
gen, fühlte aber Helia's. flammenden
Zornesblick und sagte daher mit würde-
vollem Ernste: „Hier ist Ihre recht-
mäßige Gebieterin, die wahre, nächste
und testamentarisch bestimmte Erbin
des Freiherrn. Dieser Herr, Baron
Heinz v. Hesselrode, hat sich, das Erb-
recht ebenfalls beanspruchend, früher
als wir in Besitz zu setzen verstanden,
aber er wird nicht lange darin ver-
bleiben."
„Ah, Herr Baron, willkommen!"
sagte der Pächter, trat, Helia nur
eine kühle Verbeugung machend, auf
den Baron zu und bot ihm die Hand.
„Ich will fort! Lassen Sie uns
fahren! Wenn Sie nicht mit wollen,
Herr Doktor, so bleiben Sie!" fuhr
tief verletzt von dieser freudigen Begrü-
ßung ihres Feindes Helia v. Wichardt
abermals gegen Doktor Reutler auf.