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Heft s. JUirstvirto Fmuiliett-Deitnrnp. zahrg. >M.




Die goldene Gans.
Roinan
Georg Karlwig.
sFortsetznng.)
lNachdrack verboten.)
aler Earisius wartete, bis er die Thür des an-
grenzenden Speisezimmers zufallen hörte, dann
richtete er sich niit jäher Hast auf und eilte
an seinen Schreibtisch. Den Schlüssel, welchen
er nur einmal, an Mariens Geburtstag, abzu-
ziehen vergessen, ans der Tasche reißendj öffnete
er das Fach. Aber als er hineinblickte, und die Waffe
sah, jenen Dolch,
den er einst bis
an das Heft
in eine Menschen-
brust gestoßen,
da nahmen seine
Augen für einen
Moment den
starren Glanz
des überführten
Verbrechers an.
Seine Hand
zuckte wohl nach
dem Griff, aber
ein häßliches
Schauern ließ
die ausgestreck-
ten Finger be-
wegungslos in
der Luft schwe-
ben.
Albernes
Vorurtheil, daß
er sich von diesem
Zeugen nicht
trennen mochte!
Ein sibirischer
Schamane hatte
ihm einst unter
Wundersamen
Umständen die
Waffe in die
Hand gespielt
als einen Talis-
man des Glückes.
Und er, der skep-
tische Spötter,
hatte an diesen
Aberglauben
geglaubt und
allezeit ein leb-
haftes Wider-
streben empfun-
den, sich von dem
Dolchmesser zu
trennen.

Valer's stiere Züge gewannen allmälig den ge-
wohnten Ausdruck zurück.
Und der Schamane hatte ja auch Recht behalten.
Auf der wcchsclvollen, an Fährnissen überreichen Lanf-
bahn seines Abenteurerlebens hatte er stets Ursache
gehabt, mit dem Wächter seines Glückes zufrieden zu
sein. Was war ihm mißglückt! Stand er nicht auf
der Höhe?
Doch die unberufene Schwätzerin, die gefährliche
Thörin mit ihrer krankhaften Veranlagung zur
Hellseherei, welche den Zeugen jener nächtlichen
Vlutthat gesehen hatte, diese gefährliche Schwätzerin
mußte jetzt aus doppelten Gründen unschädlich gemacht
werden.
Ein hämisches, erbarmungsloses Lächeln umspielte
Valcr Earisius' Mund. Jetzt war cr ganz wieder er
selber und Herr der Situation.

Ter Diener kam. Er meldete Früuleiu v. Nipen.
Vater befahl, sie eiutreten zu lasse», indem er ihr
Verbindlich entgegen ging.
„Sic kommen zweifellos, sich nach meiner unglück-
lichen Frau zu erkundigen^ Ich kann Ihnen leider
nur das Traurigste berichten. Der gestrige Anfall
wiederholte sich soeben in gesteigerter "Weise vor dem
Arzt und der Wärterin."
Gertrud's dunkle Augen hafteten mit instinktivem
Mißbehagen an dem ebenso geistvollen, als unsym-
pathischen Antlitz ihres Gegenüber.
„Wenn ich Marie scheu dürfte
„Nein, mein verehrtes Fräulein. Das strengste
Verbot des Arztes spricht dagegen. Niemand wird sie
in nächster Zeit sehen, noch sprechen dürfen."
„Auch nicht ich, ihre beste, ihre einzige Freundin?"
sagte Gertrud mit leisem Vorwurf.
„Gewiß," er-
widerte er rasch,
„wenu Sie die
Verantwortung
eines dritten
Anfalles zu über-
nehmen — "
„Nein!" rief
sie abwehrend.
„Nun, das
wußte ich wohl.
Wie befindet
sich der Herr
Professor Loh
mann?" fragte
er, die klassische
Schönheit des
pingen Mäd-
chens prüfend
betrachtend.
Sie verstand
die boshafte Ab-
sicht dieser Frage
nicht. Deshalb
sagte sie ruhig:
„So viel ich
weiß, gut."
Er nickte lä-
chelnd. Dieses
Lächeln bedeu-
tete nicht mehr
und nicht weni-
ger als Zuge-
ständniß und
Einverständnis;.
Gertrud's
Waugen färbten
sich unbewußt
davon höher!
Tie Person Va-
ler's erschien ihr
in diesem Mo-
ment so ab-
stoßend, daß sic
Mariens gesun-
den Verstand



König Karl l. von Württemberg aus dem Todtenbette.
Nach einer ^riginal-Ansaahmc von Hosvhotogravh H. Brandseph in Tlnltgart. tL. Vt-I)
 
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