Heft A. JUnstvlvte FnnriUen-Deitnng. Iahrg. ISSL.
Die graue Mauer.
Novelle von
A. v. Kapff-Ossentyer.
sFortsehnng.)
Nur die Per-
Er ge-
(Nachdruck verboten.)
^»^it Befriedigung hatte der Staatsanwalt der Aus-
? I I sage des Zeugen Karl Steiner zugehört; jetzt
erhob er sich zum Plaidoyer. Der Fall sei keines-
wegs merkwürdig und selten, führte er aus. Solche
Rohheiten kämen leider alltäglich vor. ..
sönlichkeit des Angeklagten sei beachtenswert!),
höre der bevorzugtesten Gesellschaftsklasse an; man er-
warte von ihm Wahrung der Formen, jene Rücksicht,
die jeder Gebildete auf Ändere nimmt. Selbst wenn
man geärgert und gereizt ist, darf man sich nicht so
weit vergessen, Hand an den Gegner zu legen. Das
ist ein — glücklicherweise strafbares — Bvrrecht des
Pöbels. Wie aber konnte es hier geschehen? Der An-
geschuldigte handelte in jenem Ucbermuth des Privi-
legirten, der sich Alles erlaubt, weil ihm nie etwas
verwehrt wurde. Und auch diesmal glaubte er, durch
Geld Alles gutmachen zu können. Er hatte es ja dazu!
„Wir haben es hier mit einer Menschenklasse zu
thun," fuhr er erhöhten Tones fort, „die geradezu von
dem alten Raübritterthum sich hcrzuleiten scheint. Aber
aus dem Raubritter von einst ist ein Rowdy geworden.
Brach Jener mit seinen Landsknechten in das friedliche
Gehege des Landmannes ein, so macht sein Abkömmling
heule Gebrauch von der überlegeneu Kraft, die sich in
Jahrhunderten eines müßiggängerischen Wohllebens
aufgespeichert hat. Dieser Art von Leuten kommt es
niemals auf den Grund an, aus welchem sie irgend
einen Gewaltakt begehen. Sie gewöhnen sich von Kind-
heit an, ihren Willen als das höchste Gesetz zu be-
trachten. Ich habe die Blühe nicht gescheut, einige
Einzelheiten über den Entwickeluugsgaug des Angc-
schuldigten festzustellen. Nun, wer mit zwölf Jahren
seinem Hauslehrer einen schweren Lerikonband nachwirft;
wer mit fünfzehn Jahren ein Pony niederschicßt, weil
es nicht gleich parirt; wer eines Tages sein Klavier
mit Axthieben zerstört, nm der Fortsetzung des Unter-
richts zu entgehen - von dem wundern wir uns nicht,
zu hören, daß er in einer sogenannten akademischen
Laufbahn während kaum zweier Jahre sieben ernsthafte
Mensuren hatte, bei deren einer er seinem Gegner ein
Ohr abhieb. Bei diesem Alaune finden wir cs nur
folgerichtig, wenn er sich plötzlich inmitten des gesell-
schaftlichen Verkehrs aus sein angestammtes Privilegium
der Rohheit besinnt, den Nächstbesten, der ihn genirt,
der ihm im Wege steht, beim Kragen Packt und ihn
Graf Herbert v. Bismarck und seine Verlobte Gräfin Margarethe Hohos. (S. 5SS)
Die graue Mauer.
Novelle von
A. v. Kapff-Ossentyer.
sFortsehnng.)
Nur die Per-
Er ge-
(Nachdruck verboten.)
^»^it Befriedigung hatte der Staatsanwalt der Aus-
? I I sage des Zeugen Karl Steiner zugehört; jetzt
erhob er sich zum Plaidoyer. Der Fall sei keines-
wegs merkwürdig und selten, führte er aus. Solche
Rohheiten kämen leider alltäglich vor. ..
sönlichkeit des Angeklagten sei beachtenswert!),
höre der bevorzugtesten Gesellschaftsklasse an; man er-
warte von ihm Wahrung der Formen, jene Rücksicht,
die jeder Gebildete auf Ändere nimmt. Selbst wenn
man geärgert und gereizt ist, darf man sich nicht so
weit vergessen, Hand an den Gegner zu legen. Das
ist ein — glücklicherweise strafbares — Bvrrecht des
Pöbels. Wie aber konnte es hier geschehen? Der An-
geschuldigte handelte in jenem Ucbermuth des Privi-
legirten, der sich Alles erlaubt, weil ihm nie etwas
verwehrt wurde. Und auch diesmal glaubte er, durch
Geld Alles gutmachen zu können. Er hatte es ja dazu!
„Wir haben es hier mit einer Menschenklasse zu
thun," fuhr er erhöhten Tones fort, „die geradezu von
dem alten Raübritterthum sich hcrzuleiten scheint. Aber
aus dem Raubritter von einst ist ein Rowdy geworden.
Brach Jener mit seinen Landsknechten in das friedliche
Gehege des Landmannes ein, so macht sein Abkömmling
heule Gebrauch von der überlegeneu Kraft, die sich in
Jahrhunderten eines müßiggängerischen Wohllebens
aufgespeichert hat. Dieser Art von Leuten kommt es
niemals auf den Grund an, aus welchem sie irgend
einen Gewaltakt begehen. Sie gewöhnen sich von Kind-
heit an, ihren Willen als das höchste Gesetz zu be-
trachten. Ich habe die Blühe nicht gescheut, einige
Einzelheiten über den Entwickeluugsgaug des Angc-
schuldigten festzustellen. Nun, wer mit zwölf Jahren
seinem Hauslehrer einen schweren Lerikonband nachwirft;
wer mit fünfzehn Jahren ein Pony niederschicßt, weil
es nicht gleich parirt; wer eines Tages sein Klavier
mit Axthieben zerstört, nm der Fortsetzung des Unter-
richts zu entgehen - von dem wundern wir uns nicht,
zu hören, daß er in einer sogenannten akademischen
Laufbahn während kaum zweier Jahre sieben ernsthafte
Mensuren hatte, bei deren einer er seinem Gegner ein
Ohr abhieb. Bei diesem Alaune finden wir cs nur
folgerichtig, wenn er sich plötzlich inmitten des gesell-
schaftlichen Verkehrs aus sein angestammtes Privilegium
der Rohheit besinnt, den Nächstbesten, der ihn genirt,
der ihm im Wege steht, beim Kragen Packt und ihn
Graf Herbert v. Bismarck und seine Verlobte Gräfin Margarethe Hohos. (S. 5SS)