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Seine, auf der Terrasse des Tuileriengartens und auf
dem Revolutionsplatz aufgestellt, um Robespierre und
seine Unglücksgenossen zum Tode führen zu sehen. Ueberall
zeigte man auf ihn vor Allen, dessen zerschmettertes
Kinn mit einem weißen, blutbefleckten und beschmutzten
Tuche verbunden war. Ueberall schrie man ihm
Schmähungen und Verwünschungen zu, drohende Fäuste
erhoben sich gegen ihn, den gestürzten Machthaber, vor
welchem bis Tags zuvor das Volk in Schrecken ge-
lebt hatte.
Er konnte seinen Zorn darüber nicht verbergen.
Gegen St. Just und Couthon, die neben ihm standen,
machte er demselben Luft, ohne daß diese seinen Worten
große Beachtung schenkten.
„Diese Kanaille!" kreischte er unter schweren Schmer-
zen, welche die Stöße des plumpen Leiterwagens ihm
im verwundeten Gesicht verursachten. „Acht Tage hätte
ich noch sollen wirken können, und es wären ein paar
Tausend davon weniger da gewesen. Die Kanaille,
die Kanaille haben wir zu viel geschont. Das rächt
sich nun!"

Das Buch für Alle.
Die Karren fuhren auf den von Truppen umstellten
Richtplatz und machten am Schaffst Halt. Die Scharf-
richter sprangen zuerst herab und halfen den Gefesselten
beim Verlassen der Wagen. Die Menge tobte. Flüche
auf die Bluttyrannen durchgellten die Luft. Antoine
riß den Verband von Robespierre's Kinn mit roher
Hand. Der also Gemarterte schrie auf vor Schmerz.
„Schuft Du!" stieß er hervor. „Bist Du der Henker
von Vieh?"
Dann begann die Guillotine ihre Arbeit. Schnell
fiel ein Kopf nach dem anderen in den eisernen Korb,
und Robespierre niußte nächster Zeuge dabei sein. Er
war kreideweiß im Gesicht, das durch den zerschossenen
Kinnbacken scheußlich verzerrt erschien.
Endlich war auch an ihm die Reihe, er war der
Letzte. Ein tausendfacher Jubelruf brauste auf, als
sein Haupt fiel. Antoine trug seinen kopflosen Leich-
nam auf den Karren, der ihn zu den Kalkgruben
bringen sollte.

Heft 4.
Die Feier des 600jährigrn Gestehens der schwei-
zerischen Eidgenossenschaft in Schwyz.
(Siehe das Bild auf Seite tüt.)
-^cm Jahre des Herrn 1291, im Anfang des Augustmondes,
verbanden sich wohlvertraulich die Männer des Thales
Uri, der Gemeinde Schwyz, und auch die Männer im Gebirg
von Unterwalden in Erwägung der bösen Zeiten und schworen,
mit aller Macht und Anstrengung an Gut und Leuten ein-
ander in und außer den Thälern auf eigene Kosten ans und
wider alle die zu Helsen, welche ihnen oder einem von ihnen
Gewalt anthun möchten." So beißt es in dem alten Bundes-
bries, dessen Original noch im Archiv zu Schwyz nusbewahrt
wird und durch den die drei Länder am Vierwaldstättersee
den Grundbau zur schweizerischen Eidgenossenschaft legten, die
infolge dessen am 1. und 2. August 1891 zu Schwyz die
Feier ihres 600jührigen Bestehens beging. Das Fest verlies
trotz der am Vorabend und am ersten Tage ungünstigen Wit-
terung in glänzendster Weise und in gehobenster Stimmung
aller Theilnehmer. Die Feier wurde am Morgen des 1. August
mit Kanonendonner und Musik emgeleitet, daun stellte sich
der Festzug zusammen. Voran eine Ablheiluug Schützen und


ZLurg Nassau im Tahuthake. Originalzeichnuug von B. Wolff.

die Konkordia Zürich. Die erste Gruppe bildeten der Bundes-
präsident Welti und die Bundcsräihe Deucher und Schenk;
daun folgte der Rationalrath, der Ständerath, die Bundes-
feierkommission, die fremden Diplomaten und die schweizerischen
Gesandten und Konsuln; hierauf ein Musikcorps, Offiziere
aller Waffengattungen und die Aboronungen der Kantone mit
ihren Waibeln. Jeder Gruppe ging eiu kleiner Herold in
den Kantonsfarben voran (Skizze 5). Hinter den kantonalen
Abordnungen folgten diejenigen der schweizerischen Hochschulen
und Vereine, und den Beschluß machte wieder eine Abtheilung
Schützen. So bewegte sich der Zug durch die mit Zuschauern
dicht gefüllten Straßen zur Kirche, wo Kaplan Marti die
Weiherede hielt, und nach Beendigung der religiösen Feier
zum Festplatze (Skizze 3). Dort entbot Ständerath Reichlin
der Versammlung den Gruß des Volkes und der Behörden
von Schwyz, und Bundespräsident Welti hielt in Erwiede-
rung der Begrüßung eins von lautem Jubel begleitete An-
sprache. Nachmittags zwei Uhr begann das Festspiel auf der
in ihrem Aufbau au das Theater zu Oberammergau erinnern-
den Bühne (Skizze 1). In einer Reihe von Bildern wurden
die wichtigsten historischen und legendären Momente aus der
Vergangenheit des Schweizervolkes vorgeführt. Neunhundert
Personen wirkten dabei mit. Als zum Schluß Mutter „Hel-
vetia" ihren Gruß an das Volk sprach, und Musik und Chor
das Lied „Rufst du, mein Vaterland" anstimmte, erreichte die
Begeisterung ihren Höhepunkt. Dann vereinigten sich alle
Gäste zum Bankett in der 7000 Personen fassenden Festhalle
(Skizze 4 und 6). Von neun Uhr an waren die Häuser und
Straßen beleuchtet, Feuerwerk wurde abgebrannt, von allen

Bergen flammten Freudenfeuer und von der Spitze des hohen
Mythen herab erstrahlte ein mächtiges schweizer Kreuz (Skizze 2).
Am nächsten Tage, Sonntag den 2. August, fand eine Wieder-
holung des Festspiels und ein Feuer auf dem Rütli bei
schönstem Wetter statt. Ter würdige und imposante Verlauf
der Bundesfeier hat nicht nur auf die Schweizer selbst, son-
dern auch auf die zahlreichen Fremden einen mächtigen Ein-
druck hinterlassen.

Gurg Nassau im Gahuthale.
(Siehe die Abbildung.)
1 '»nter den Seitenthälern des Rheines ist das Lahnthal eines
der romantischesten. In zahlreichen Windungen schlängelt
sich der Fluß zwischen bergigen Usern, von deren Höhen Burg-
ruinen und Kirchen, restaurirte Schlösser und Klöster herab-
schauen, dahin, und so bietet das Lahnthal eine Fülle von
malerischen Bildern, die es in mancher Beziehung dem Rhein-
thale ebenbürtig machen. Der Touristenverkehr ist denn auch,
besonders auf der unteren Strecke von Oberlahnstein bis Bad
Ems und Limburg hinaus, ein gewaltiger. Von den vielen
Schlössern und Burgen des Lahnthales führen wir heute
unseren Lesern obenstehend eine der interessantesten vor: die
Ruine der Burg Nassau, des Stammschlosses des Nassauischen
Fürstenhauses. Eine genußreiche, kaum zweistündige Wande-
rung flußaufwärts bringt uns von Ems über Dausenau nach
dem kleinen Städtchen Nassau, von wo aus zuerst die Burg

> dem Blicke sich darbietet. Der Weg dorthin führt über den
Fluß in eiu idyllisches Seiteuthälcheu, das Mühlbnchthal, nach
dem Dorfe Scheuern, und dann auf gut gebahntem Steige
empor zu der stattlichen Ruine, von deren renovirtem Thurme
aus man eine schöne Rundsicht hat. Burg Nassau wurde
um das Jahr 1100 durch Graf Drutwin von Laurenburg
erbaut. Graf Drutwin's Nachkommen nannten sich zuerst
Grafen von Nassau. Bei der Erbtheilung zwischen den Söhnen
des Grafen Heinrich (gest. 1247) erhielt Wnlram It. die Be-
sitzungen auf dem linken Lahmster und wurde Stifter der
Walram'schen Hauptlinie, während Otto I., welchem die Lande
auf dem rechten User znfieleu, Stammvater der Ottonijchen
oder RassawOranischeu Linie wurde, welch' letztere, nachdem
sie fast drei Jahrhunderte in den Niederlanden geherrscht, mit
König Wilhelm III. im Mannesstamme erloschen ist. Die
Walram'iche Linie aber gab dem alten deutschen Reiche einen
Kaiser, Adolf von Nassau, der in der Schlacht bei Göllheim
1298 Thron und Leben verlor. Im Jahre 1816 wurden alle
Länder der Walram'schen Hauptlinie unter Wilhelm, Fürsten
von Nassau-Weilburg, zu einem Herzogthume vereinigt, das
1866 von Preußen annektirt wurde. Herzog Adolf von Nassau
aber ist in: Dezember 1890 nach dem Tode König Wilhelm's
der Niederlande als Großherzog in das bis dahin durch
Personalunion mit den Niederlanden verbunden gewesene
Luxemburg eingezogen. — Alle diese Erinnerungen ruft die In-
schrift am Thore der Burgruine: „Gemeinschaftliche Nassauische
Stammburg" in dem Beschauer wach.
 
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