228
Das Vu ch für All c.
Hch 9.
Der
Z-riedrich ZarnLe,
und
glcisungen und andere Betriebsunfälle vorkamen. In Toledo
stürzte die Maner des neuen Seminars ein, fiel n-uf ein Haus
und begrub dessen Einwohner, eine ganze Familie. In einem
anderen Hause wurden durch dessen Einsturz Vater, Mutter
und vier Kinder erschlagen. Am allerfchlimmslen lauteten
jedoch die Nachrichten von Consuegra, daS einige Meilen nord-
westlich von Alcazar, an den letzten Ausläufern der „Berge
von Toledo" liegt.. Ein kleiner, in der Nähe entspringender
und für gewöhnlich ganz unbedeutender Fluh, der Amarguillo,
durchschneidet die Stadt, über die sich am 11. September um
8 Uhr Morgens ein fccrchtbares Umvetter entlud. Nasch stieg
das Wasser im Flusse und überschwemmte den unteren Stadt-
theil, wo mit vieler Mühe noch etwa 30 Personen aus bereits
unterwaschenen Häusern gerettet wurden. Als die Nacht
hereinbrach, gingen trotz aller Warnungen der Behörden viele
Leute in ihren Häusern, obwohl dieselben bedroht waren, zu
Bette. Bald darauf brach der Sturm, der sich gegen Abend
gelegt hatte, von Neuem mit verdopvelter Gewalt los. Die
Flutheu stiegen abermals mit Blitzesschnelle, rissen Alles mit
unwiderstehlicher Macht mit sich und überschwemmten fast die
ganze Stadt. Ein Haus nach dem andern stürzte ein, und
die Bewohner wurden in den Fluthen begraben. In einem
einzigen Hause fand mau nachher 27 Leichen und in einem
öffentlichen Gebäude wurden 60 Personen, die dort eine Hoch-
zeit feierten, verschüttet. Am anderen Morgen lag die Sucht
in Trümmern, und fast ein Viertel der Einwohnerschaft war
verunglückt. Ein Theil der Stadt war ein unzugänglicher
zählend, ihrer Rückkehr. Endlich trat Elisabeth ein mit
den Worten- „Er ist gerettet, soeben empfängt er die
Weisung, bis zum nächsten Tage den Hof und "des Her-
zogs Dienste für immer zu verlassen."
Katharina stammelte heiße Dankesworte, dann sank
sie auf ihr Lager zurück.
müth geführt. Bereit dazu ist ja Alles längst gestellt — das
", "' ' " Aber
nach und nach wie einer Königin oder
dieuenden Händen angelegt, die sonst sich hier-
für nicht in Bewegung setzten. In Rußland
ist bei solchen Gelegenheiten das ganze Haus
in Bewegung und die ganze Familie und
weibliche Verwandtschaft wird aufgeboten.
Namentlich in früheren Zeiten waren dann
auch alle um die Braut zu deren Toilette
sich versammelnden weiblichen Wesen im
prächtigsten Schmuck, der in den schweren,
bestickten und mit funkelnder Auszier be-
setzten Kleidern, in Gold- und Silbergehängen
und in dein strahlenden, kroueuartigen Kopf-
putz deit Wohlstand der Familie und der
Geladenen bezeugte. Die Illustration auf
S. 229 gibt davon und von dem Aufgebot
für die Toilette der noch blutjungen, in
ernstes Sinnen versetzten Braut eine Vor-
stellung. Die mit einem kostbaren, landes-
üblichen Kopfschmuck augelhane Mutter ist
eben dabei, eigenhändig das üppige Haar
ihres Kindes zum Kirchgang zu kämmen und
zu ordnen; die Kästchen stehen da, welche den
Brautschmuck bergen, die jüngere Schwesbr
schmiegt sich ahnungsvollen Herzens zu Füßen
der Glücklichen, welche das traute Heini nun
verlassen wird und auf der alle Augen der
Anwefenden ruhen, bis ihre Toilette be-
endigt ist.
Handlung bei Lessing, Schiller und Goethe," und die Ltudie:
„Christian Reuter, der Verfasser des Schelmuffsky, sein Leben
und seine Werke." Eine Ausgabe des jüngeren „Titnrel"
wurde seit Jahren von ihm geplant, doch ist er nur zu einigen
Vorstudien gelangt, die in seinen Arbeiten über den Gral-
tempel und die Sage vom Priester Johannes niedergelegt
sind. Mit besonderem Eifer hat sich Zarncke endlich auch der
Kritik der Goethe-Bildnisse gewidmet. Ein plötzlich auf-
tretendes heftiges Unterleibsle den hat den verdienstvollen Ge-
lehrten am 15. Oktober 1891 dahingerafft.
furchtlos ist. , ,
weise sausende. Aber kaum einer der Millionen Reisenden
denkt daran, wenn er den Zug besteigt, daß sein Leben
und seine Gesundheit von der Pflichttreue des berußten
Mannes vorn auf der Lokomotive abhängt, an dessen
Aufmerksamkeit und Kräfte während der Fahrt An-
forderungen gestellt werden, wie kaum in einem anderen
Berufe.
Nicht als ob der Beruf des Lokomotivführers an
für sich ein so außerordentlich gefährlicher wäre! ,
Erfahrung hat es gelehrt, daß Seeleute, Fischer
Bergleute mindestens ebenso stark gefährdet sind,
der Lokomotivführer; von ihnen wird aber doch
in seltenen Fällen eine Anspannung aller Geistes-
nud
Wie
unr-
und Körpcrkrüfte verlangt, wie sie von einem Lokomotiv-
führer jede einzelne Fahrt erheischt.^ Wohl müssen
Fischer und Seemann in Zeiten des Sturmes und des
iingewitters oft tagelang nm ihr Leben kämpfen; wohl
muß der Bergmann, den ein Grubenunglück betroffen
hat, ebenfalls Alles, was er von Intelligenz und
Kvrpcrkrast hat, eiufchcu, um sich und seine Kameraden
zu retten; diese Vorfälle aber sind außergewöhnliche,
während der Lokomotivführer täglich gewissermaßen
moralische Heldenthaten auszuführen hat, will er nicht
sich selbst, seine Mitbeamten und Hunderte von Passa-
gieren in Tod und Verderben bringen.
Je mehr sich unser Verkehr entwickelt hat, je rascher
auch in Deutschland die Züge fahren, desto mehr hat
sich die Schwierigkeit des Lokomotivführerberufes ge-
Trümmerhausen, und auch in den anderen Stadttheileu hatte
das Wasser furchtbar gehaust. Unser Bild auf S. 225 steckt
die bei Consuegra über den Amargnicko führende Brücke nach
dein Rücktritt der Gewässer dar und zeigt die Massen von
Trümmern, die dort angeschwemmt worden waren. Die Stadt
Madriders wurde ebenialls furchtbar heinigesucht. Ueberall
ist auch die Ernte vernichtet worden — man kann sagen, daß
die Provinzen Toledo und Ciudad-Real aus lange Zeit hinaus
vollständig ruiuirt sind.
Noch lag das herzogliche Schloß in tiefer nächt-
licher Ruhe, als mit der beginnenden Morgendämme-
rung der erste Hufschlag auf dein Schloßhofe erscholl.
Nur einem der Schläfer drang er mit erschreckender
Bcdeutsamkeit zum Ohr: Prinzessin Katharina sprang —
aus traumgequältcm Halbschlummer erweckt — vom
Lager empor. Sie war zum Fenster geeilt, um es
mit erbebenden Fingern zu offnen, ihre Äugen erblick-
ten die in den Mantel gehüllte Gestalt des Reiters,
dem die Schloßwache soeben das eiserne Gitter öffnete.
Sie sah noch, wie sich das bleiche Antlitz des Aus-
gestoßenen zu ihrem Fenster wandte, und seine Hand
ihr den letzten Gruß - einen Abschied für das ganze
Leben — zuwinkte. Dann verhallten die Hufschläge,
und Katharina glitt mit einem ächzenden Klagelant
zu Boden. —
Ein zweiter Gast verließ etwas später an demselben
Morgen den Hof des Herzogs Ncaxiin ilian.
Herr Christoph Truchseß v. Waldburg
hatte, einen sofortigen kaiserlichen Befehl
zur Rückkehr vorschützcnd, eine schriftliche
Verabschiedung hinterlassen nnd den:
Schauplatz seiner regen Thütigkeit den
Rücken gekehrt. Bei seiner Ankunft auf
dem Hradschin zu Prag wurde der nicht
wenig beklommene Herr jedoch aller-
feiner Besorgnis; überhoben, da ihm
Baron Fernemont die Mittheilung
machte, daß Kaiser Rudolf II., von
einem heftigen körperlichen Leiden Plötz-
lich heimgesucht, nach weiterer reif-
licher Ueberlegnng von einer Vermäh-
lung nun überhaupt gänzlich abzusehen
entschlossen sei, jedoch, von dem umsich-
tigen und gewissenhaften Handeln seines
Agenten höchst befriedigt, ihn seiner-
höchsten Gnade versichere. In der That
hatte auch Herr Christoph Truchseß
v. Waldburg die für den schwankenden,
unberechenbaren Monarchen nutzlos ver-
geudete Mühe nicht zu bereuen. Sein
ältester Sohn Wilhelm erhielt die ver-
sprochene Präsidentenstelle am Kam-
mergericht zu Spcier, er selbst aber ein
kaiserliches Gnadengeschenk von zehntau-
send Gulden.
DaS Geschick der drei Heldinnen dcr
geschilderten Ereignisse fand in der zu
erwartenden Weise seine Erfüllung. Erz-
herzogin Anna wurde 1611, gerade sieben
Wochen vor dem Tode Nudvlf's 1i., mit
Matthias, der seinem Bruder ans dem
Throne folgte, vermählt. - Ebenso er-
hielt kurz darauf das Bündniß zwischen
Magdalena von Bayern und dein Pfalz-
grafen Wilhelm von Neuburg den
priesterlichen Segen. Zwischen Prin-
zessin Katharina von Lothringen nnd
ihrem Vater fand zwar, nachdem der-
selbe angesichts der Unzuverlässigkeit
des kaiserlichen Liebhabers von seinen
Plänen bekehrt war, eine Aussöhnung
statt, doch vermochte selbst die Zeit die tiefe Wunde
ihres Herzens nicht zu heilen. Ihr Lebcnsglück war mit
dem Tage, der ihr Georg Truchseß v. Waldburg ge-
raubt, vernichtet. In stiller Trauer über die verlorene
Jugendliebe trat sie, trotz der Bitten ihrer Angehörigen,
in das Kloster zu Remiremont in Lothringen ein, als
dessen Aebtissin sie schon im Jahre 1620 starb.
^okomotivfülirer.
aus dein Verkehrsleben.
IZon
Air. Myers.
(Nachdr. Verb.)
sckück zu!" ist der Gruß, den die
-Lokomotivführer einander zu-
rnfen, wenn einer von ihnen
die Lokomotive besteigt, um
eine der rasenden Fahrten nut
Tä dem Schnellzug anzutrcten.
Und es ist wohl nvthwendig, daß man
dcni Abführenden Glück wünscht, denn die
Reise, die er antritt, ist eine gefährliche
und erfordert die Körper- und Geistes-
kräfte eines tüchtigen Mannes, der
pflichtgetreu, geistesgegenwärtig und
Und solcher Männer haben wir glücklicher-
Lrauttoilette.
- (Siche das Bild auf Seite 229.)
V2ei allen Völkern werden die Hochzeiten mit althergebrachten
Festlichkeiten begangen. Vor Allem ist die Brant am
Tage ihrer Hochzeit der Gegenstand außerordentlicher Auf-
merksamkeit ihrer Familie nnd Verwandtschaft. Ihr höchster
Fest- nnd Ehrentag wird ihr in der Häuslichkeit, die sie mit
einer anderen, ihrer eigenen, vertauschen soll, in der sorg-
fältigen Ausschmückung vor ihrem Gang znm Altar zn Ge-
Kleid und der Schmuck, der Schleier und der Kranz,
es wird ihr Alles
Prinzessin von
Friedrich Zarncke.
(Siehe das Porträt.)
>Mit dem bekannten Germanisten, Professor Friedrich Zarncke
-^-1 r m Leipzig, ist ein Alaun von großem Wissen nnd einfluß-
reicher Stellung ans der deutschen Gelchrtenwelt geschieden.
Zarncke, dessen Bildnis; die Leser obeustehsnd sinden, war am
7. Juli 1825 zu Zahreustors in Mecklenburg geboren. Er
studirte in Rostock, Leipzig nnd Berlin germanische Philologie,
gründete 1850 in Leipzig das „Literarische Cenlralblatt sür
Deutschland", habilitirte sich 1852 an der dortigen Hochschule,
nnd wnrde 1858 znm ordentlichen Professor dcr deutschen
Sprache nnd Literatur ernannt. Zarncke hat eine große
Menge von schätzeuswerthen Schriften herausgegebeu, von
denen mir aus räumlichen Rücksichten nur einen Theil hier
anführcn können, io seiueZAbhnndlung über den „Deutschen
Cato", seine verschiedenen Schriften über das Nibelungenlied,
dem er einen großen Theil seiner Thätigkeit gewidmet hat, seine
Ausgaben dieses großen Nationalepos lind des „Narrcnschiffs"
von Sebastian Brandt, mehrere Beiträge zur Geschichte Ver-
deutschen Universitäten, die Programmabhandlung.- „lieber den
fünffüßigen Jambus mit besonderer Rücksicht auf seine Be-
Die Aeberschwemmungen in Spanien.
(Siehe das Bild auf Seite 225.t
1-Ieber die spanischen Provinzeu^Toledo, Almeria, Ciudad-
T ° Real und Valencia ist im September durch fnrchtbare
Ueberschwemmungen ein großes Unglück hereingebroch n. Ta?
unter Wasser gefetzte Gebiet, Hunderte von Städten und
Dörfern umfassend, liegt an den Flüssen Tajo und Guadal-
quivir sammt ihren Nebenflüssen; über 100,000 Menschen sind
aus ihren Wohnstätten vertrieben worden, nnd mau kann sich
leicht vorstelleu, welche Noth unter ihnen herrscht. Tas Un-
glück wurde durch an verschiedenen Orlen uiedergegangenc
Wolkenbrüche verursacht, zu denen sich vielfach noch Stürme
gesellten, die, wie in Valencia, Häufer und Bäume nieder-
würfen. In Almeria rissen die plötzlich zu einem verheeren-
den Strome augewachscnen Gewässer Alles, was ihnen im
Wege war, mit sich fort, u. a. die Gasfabrik, Lagerränme
und.viele Privnlhäuser, unter deren Trümmern die Einwohner
begraben wurden. Auf weite Strecken hin wurden die Eisen-
bahndämme zerstört, so daß der Verkehr mit den südlichen
Provinzen gänzlich unterbrochen war, und zahlreiche Ent-
Das Vu ch für All c.
Hch 9.
Der
Z-riedrich ZarnLe,
und
glcisungen und andere Betriebsunfälle vorkamen. In Toledo
stürzte die Maner des neuen Seminars ein, fiel n-uf ein Haus
und begrub dessen Einwohner, eine ganze Familie. In einem
anderen Hause wurden durch dessen Einsturz Vater, Mutter
und vier Kinder erschlagen. Am allerfchlimmslen lauteten
jedoch die Nachrichten von Consuegra, daS einige Meilen nord-
westlich von Alcazar, an den letzten Ausläufern der „Berge
von Toledo" liegt.. Ein kleiner, in der Nähe entspringender
und für gewöhnlich ganz unbedeutender Fluh, der Amarguillo,
durchschneidet die Stadt, über die sich am 11. September um
8 Uhr Morgens ein fccrchtbares Umvetter entlud. Nasch stieg
das Wasser im Flusse und überschwemmte den unteren Stadt-
theil, wo mit vieler Mühe noch etwa 30 Personen aus bereits
unterwaschenen Häusern gerettet wurden. Als die Nacht
hereinbrach, gingen trotz aller Warnungen der Behörden viele
Leute in ihren Häusern, obwohl dieselben bedroht waren, zu
Bette. Bald darauf brach der Sturm, der sich gegen Abend
gelegt hatte, von Neuem mit verdopvelter Gewalt los. Die
Flutheu stiegen abermals mit Blitzesschnelle, rissen Alles mit
unwiderstehlicher Macht mit sich und überschwemmten fast die
ganze Stadt. Ein Haus nach dem andern stürzte ein, und
die Bewohner wurden in den Fluthen begraben. In einem
einzigen Hause fand mau nachher 27 Leichen und in einem
öffentlichen Gebäude wurden 60 Personen, die dort eine Hoch-
zeit feierten, verschüttet. Am anderen Morgen lag die Sucht
in Trümmern, und fast ein Viertel der Einwohnerschaft war
verunglückt. Ein Theil der Stadt war ein unzugänglicher
zählend, ihrer Rückkehr. Endlich trat Elisabeth ein mit
den Worten- „Er ist gerettet, soeben empfängt er die
Weisung, bis zum nächsten Tage den Hof und "des Her-
zogs Dienste für immer zu verlassen."
Katharina stammelte heiße Dankesworte, dann sank
sie auf ihr Lager zurück.
müth geführt. Bereit dazu ist ja Alles längst gestellt — das
", "' ' " Aber
nach und nach wie einer Königin oder
dieuenden Händen angelegt, die sonst sich hier-
für nicht in Bewegung setzten. In Rußland
ist bei solchen Gelegenheiten das ganze Haus
in Bewegung und die ganze Familie und
weibliche Verwandtschaft wird aufgeboten.
Namentlich in früheren Zeiten waren dann
auch alle um die Braut zu deren Toilette
sich versammelnden weiblichen Wesen im
prächtigsten Schmuck, der in den schweren,
bestickten und mit funkelnder Auszier be-
setzten Kleidern, in Gold- und Silbergehängen
und in dein strahlenden, kroueuartigen Kopf-
putz deit Wohlstand der Familie und der
Geladenen bezeugte. Die Illustration auf
S. 229 gibt davon und von dem Aufgebot
für die Toilette der noch blutjungen, in
ernstes Sinnen versetzten Braut eine Vor-
stellung. Die mit einem kostbaren, landes-
üblichen Kopfschmuck augelhane Mutter ist
eben dabei, eigenhändig das üppige Haar
ihres Kindes zum Kirchgang zu kämmen und
zu ordnen; die Kästchen stehen da, welche den
Brautschmuck bergen, die jüngere Schwesbr
schmiegt sich ahnungsvollen Herzens zu Füßen
der Glücklichen, welche das traute Heini nun
verlassen wird und auf der alle Augen der
Anwefenden ruhen, bis ihre Toilette be-
endigt ist.
Handlung bei Lessing, Schiller und Goethe," und die Ltudie:
„Christian Reuter, der Verfasser des Schelmuffsky, sein Leben
und seine Werke." Eine Ausgabe des jüngeren „Titnrel"
wurde seit Jahren von ihm geplant, doch ist er nur zu einigen
Vorstudien gelangt, die in seinen Arbeiten über den Gral-
tempel und die Sage vom Priester Johannes niedergelegt
sind. Mit besonderem Eifer hat sich Zarncke endlich auch der
Kritik der Goethe-Bildnisse gewidmet. Ein plötzlich auf-
tretendes heftiges Unterleibsle den hat den verdienstvollen Ge-
lehrten am 15. Oktober 1891 dahingerafft.
furchtlos ist. , ,
weise sausende. Aber kaum einer der Millionen Reisenden
denkt daran, wenn er den Zug besteigt, daß sein Leben
und seine Gesundheit von der Pflichttreue des berußten
Mannes vorn auf der Lokomotive abhängt, an dessen
Aufmerksamkeit und Kräfte während der Fahrt An-
forderungen gestellt werden, wie kaum in einem anderen
Berufe.
Nicht als ob der Beruf des Lokomotivführers an
für sich ein so außerordentlich gefährlicher wäre! ,
Erfahrung hat es gelehrt, daß Seeleute, Fischer
Bergleute mindestens ebenso stark gefährdet sind,
der Lokomotivführer; von ihnen wird aber doch
in seltenen Fällen eine Anspannung aller Geistes-
nud
Wie
unr-
und Körpcrkrüfte verlangt, wie sie von einem Lokomotiv-
führer jede einzelne Fahrt erheischt.^ Wohl müssen
Fischer und Seemann in Zeiten des Sturmes und des
iingewitters oft tagelang nm ihr Leben kämpfen; wohl
muß der Bergmann, den ein Grubenunglück betroffen
hat, ebenfalls Alles, was er von Intelligenz und
Kvrpcrkrast hat, eiufchcu, um sich und seine Kameraden
zu retten; diese Vorfälle aber sind außergewöhnliche,
während der Lokomotivführer täglich gewissermaßen
moralische Heldenthaten auszuführen hat, will er nicht
sich selbst, seine Mitbeamten und Hunderte von Passa-
gieren in Tod und Verderben bringen.
Je mehr sich unser Verkehr entwickelt hat, je rascher
auch in Deutschland die Züge fahren, desto mehr hat
sich die Schwierigkeit des Lokomotivführerberufes ge-
Trümmerhausen, und auch in den anderen Stadttheileu hatte
das Wasser furchtbar gehaust. Unser Bild auf S. 225 steckt
die bei Consuegra über den Amargnicko führende Brücke nach
dein Rücktritt der Gewässer dar und zeigt die Massen von
Trümmern, die dort angeschwemmt worden waren. Die Stadt
Madriders wurde ebenialls furchtbar heinigesucht. Ueberall
ist auch die Ernte vernichtet worden — man kann sagen, daß
die Provinzen Toledo und Ciudad-Real aus lange Zeit hinaus
vollständig ruiuirt sind.
Noch lag das herzogliche Schloß in tiefer nächt-
licher Ruhe, als mit der beginnenden Morgendämme-
rung der erste Hufschlag auf dein Schloßhofe erscholl.
Nur einem der Schläfer drang er mit erschreckender
Bcdeutsamkeit zum Ohr: Prinzessin Katharina sprang —
aus traumgequältcm Halbschlummer erweckt — vom
Lager empor. Sie war zum Fenster geeilt, um es
mit erbebenden Fingern zu offnen, ihre Äugen erblick-
ten die in den Mantel gehüllte Gestalt des Reiters,
dem die Schloßwache soeben das eiserne Gitter öffnete.
Sie sah noch, wie sich das bleiche Antlitz des Aus-
gestoßenen zu ihrem Fenster wandte, und seine Hand
ihr den letzten Gruß - einen Abschied für das ganze
Leben — zuwinkte. Dann verhallten die Hufschläge,
und Katharina glitt mit einem ächzenden Klagelant
zu Boden. —
Ein zweiter Gast verließ etwas später an demselben
Morgen den Hof des Herzogs Ncaxiin ilian.
Herr Christoph Truchseß v. Waldburg
hatte, einen sofortigen kaiserlichen Befehl
zur Rückkehr vorschützcnd, eine schriftliche
Verabschiedung hinterlassen nnd den:
Schauplatz seiner regen Thütigkeit den
Rücken gekehrt. Bei seiner Ankunft auf
dem Hradschin zu Prag wurde der nicht
wenig beklommene Herr jedoch aller-
feiner Besorgnis; überhoben, da ihm
Baron Fernemont die Mittheilung
machte, daß Kaiser Rudolf II., von
einem heftigen körperlichen Leiden Plötz-
lich heimgesucht, nach weiterer reif-
licher Ueberlegnng von einer Vermäh-
lung nun überhaupt gänzlich abzusehen
entschlossen sei, jedoch, von dem umsich-
tigen und gewissenhaften Handeln seines
Agenten höchst befriedigt, ihn seiner-
höchsten Gnade versichere. In der That
hatte auch Herr Christoph Truchseß
v. Waldburg die für den schwankenden,
unberechenbaren Monarchen nutzlos ver-
geudete Mühe nicht zu bereuen. Sein
ältester Sohn Wilhelm erhielt die ver-
sprochene Präsidentenstelle am Kam-
mergericht zu Spcier, er selbst aber ein
kaiserliches Gnadengeschenk von zehntau-
send Gulden.
DaS Geschick der drei Heldinnen dcr
geschilderten Ereignisse fand in der zu
erwartenden Weise seine Erfüllung. Erz-
herzogin Anna wurde 1611, gerade sieben
Wochen vor dem Tode Nudvlf's 1i., mit
Matthias, der seinem Bruder ans dem
Throne folgte, vermählt. - Ebenso er-
hielt kurz darauf das Bündniß zwischen
Magdalena von Bayern und dein Pfalz-
grafen Wilhelm von Neuburg den
priesterlichen Segen. Zwischen Prin-
zessin Katharina von Lothringen nnd
ihrem Vater fand zwar, nachdem der-
selbe angesichts der Unzuverlässigkeit
des kaiserlichen Liebhabers von seinen
Plänen bekehrt war, eine Aussöhnung
statt, doch vermochte selbst die Zeit die tiefe Wunde
ihres Herzens nicht zu heilen. Ihr Lebcnsglück war mit
dem Tage, der ihr Georg Truchseß v. Waldburg ge-
raubt, vernichtet. In stiller Trauer über die verlorene
Jugendliebe trat sie, trotz der Bitten ihrer Angehörigen,
in das Kloster zu Remiremont in Lothringen ein, als
dessen Aebtissin sie schon im Jahre 1620 starb.
^okomotivfülirer.
aus dein Verkehrsleben.
IZon
Air. Myers.
(Nachdr. Verb.)
sckück zu!" ist der Gruß, den die
-Lokomotivführer einander zu-
rnfen, wenn einer von ihnen
die Lokomotive besteigt, um
eine der rasenden Fahrten nut
Tä dem Schnellzug anzutrcten.
Und es ist wohl nvthwendig, daß man
dcni Abführenden Glück wünscht, denn die
Reise, die er antritt, ist eine gefährliche
und erfordert die Körper- und Geistes-
kräfte eines tüchtigen Mannes, der
pflichtgetreu, geistesgegenwärtig und
Und solcher Männer haben wir glücklicher-
Lrauttoilette.
- (Siche das Bild auf Seite 229.)
V2ei allen Völkern werden die Hochzeiten mit althergebrachten
Festlichkeiten begangen. Vor Allem ist die Brant am
Tage ihrer Hochzeit der Gegenstand außerordentlicher Auf-
merksamkeit ihrer Familie nnd Verwandtschaft. Ihr höchster
Fest- nnd Ehrentag wird ihr in der Häuslichkeit, die sie mit
einer anderen, ihrer eigenen, vertauschen soll, in der sorg-
fältigen Ausschmückung vor ihrem Gang znm Altar zn Ge-
Kleid und der Schmuck, der Schleier und der Kranz,
es wird ihr Alles
Prinzessin von
Friedrich Zarncke.
(Siehe das Porträt.)
>Mit dem bekannten Germanisten, Professor Friedrich Zarncke
-^-1 r m Leipzig, ist ein Alaun von großem Wissen nnd einfluß-
reicher Stellung ans der deutschen Gelchrtenwelt geschieden.
Zarncke, dessen Bildnis; die Leser obeustehsnd sinden, war am
7. Juli 1825 zu Zahreustors in Mecklenburg geboren. Er
studirte in Rostock, Leipzig nnd Berlin germanische Philologie,
gründete 1850 in Leipzig das „Literarische Cenlralblatt sür
Deutschland", habilitirte sich 1852 an der dortigen Hochschule,
nnd wnrde 1858 znm ordentlichen Professor dcr deutschen
Sprache nnd Literatur ernannt. Zarncke hat eine große
Menge von schätzeuswerthen Schriften herausgegebeu, von
denen mir aus räumlichen Rücksichten nur einen Theil hier
anführcn können, io seiueZAbhnndlung über den „Deutschen
Cato", seine verschiedenen Schriften über das Nibelungenlied,
dem er einen großen Theil seiner Thätigkeit gewidmet hat, seine
Ausgaben dieses großen Nationalepos lind des „Narrcnschiffs"
von Sebastian Brandt, mehrere Beiträge zur Geschichte Ver-
deutschen Universitäten, die Programmabhandlung.- „lieber den
fünffüßigen Jambus mit besonderer Rücksicht auf seine Be-
Die Aeberschwemmungen in Spanien.
(Siehe das Bild auf Seite 225.t
1-Ieber die spanischen Provinzeu^Toledo, Almeria, Ciudad-
T ° Real und Valencia ist im September durch fnrchtbare
Ueberschwemmungen ein großes Unglück hereingebroch n. Ta?
unter Wasser gefetzte Gebiet, Hunderte von Städten und
Dörfern umfassend, liegt an den Flüssen Tajo und Guadal-
quivir sammt ihren Nebenflüssen; über 100,000 Menschen sind
aus ihren Wohnstätten vertrieben worden, nnd mau kann sich
leicht vorstelleu, welche Noth unter ihnen herrscht. Tas Un-
glück wurde durch an verschiedenen Orlen uiedergegangenc
Wolkenbrüche verursacht, zu denen sich vielfach noch Stürme
gesellten, die, wie in Valencia, Häufer und Bäume nieder-
würfen. In Almeria rissen die plötzlich zu einem verheeren-
den Strome augewachscnen Gewässer Alles, was ihnen im
Wege war, mit sich fort, u. a. die Gasfabrik, Lagerränme
und.viele Privnlhäuser, unter deren Trümmern die Einwohner
begraben wurden. Auf weite Strecken hin wurden die Eisen-
bahndämme zerstört, so daß der Verkehr mit den südlichen
Provinzen gänzlich unterbrochen war, und zahlreiche Ent-