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Der Fuchs von hesselrode.
^oinan
L. Kaidüeim.
tFortsctziing.i
_ (Nechtrurk verbotcn.l
ie?" rief.Bodo aus. „Entschuldigen Sie,
Adele, ich muß lachen, so naiv können Sie
doch unmöglich sein, zu denken, daß — ?"
„Was "ich denke, ist dies," gab lie
Dame ruhig zur Antwort. „Die Barone
von Hesselrode brauchen für ihren Prozeß
einen unwiderleglichen Beweis, daß der
verstorbene Freiherr v. Qnestenhorst schon
wahnsinnig war, als er sein Testament machte."
„Richtig!" bestätigte Bodo.
„In meinem Besitz sind Briefe Ihres Baters, welche
diesen Beweis enthalten," fuhr die Schau-
spielerin siegesgewiß fort.
„Woher haben Sie die? Wir ver-
mntheten immer, daß er die Sachlage
am Genauesten gekannt haben müsse."
„Tas ist außer allen! Zweifel! Diese
Briefe sind aber nicht nur unanfechtbar
als Aufzeichnungen des nächsten Ver-
wandten und Hausfreundes, sondern sie
enthalten auch das Gutachten eines Arztes."
„Adele! Geben Sie mir die Briefe,
lassen Sie mich sic sehen!" rief Bodo,
ganz Feuer und Flamme.
„Ich werde mich hüten! Meine Er-
fahrungen mit dein Fuchs von Hessel-
rode mahnen zur Vorsicht."
„Adele! Sie wissen, daß ich von mei-
nem Bruder abhängig war "
„Jawohl, er belastete Hesselrodeburg
bis auf die äußerste Grenze mit einer
letzten Hypothek, um Ihre Spielschulden
zu bezahlen, er forderte dafür unsere
Trennung. L, ich bin ganz vernünftig,
Bodo, ich sah ein, wir mußten scheiden."
„Und Sie hatten gerade damals so viel
glänzendere Aussichten," sagte er spöttisch.
„Ihr Bruder hielt es für passend,
diese Annahme als Thatsache zu betrach-
ten und Ihnen als solche zu erzählen."
„Alle Welt weiß, daß cs so war!"
„Hat sich ,alle Welt niemals betrogen?
Glauben Sie, daß ich diesen kleinen Al-
boiu nicht hätte fesseln können, wenn ich
gewollt hätte?"
Freilich, das glaubte er! So viel
Macht und noch viel mehr traute er ihr
zu Dieser kleine Graf mit seinem vielen
Geld war eben nicht der Klügste, und sie
hätte ihn also sicherlich einfangen können,
wenn sie es darauf angelegt Hütte. Warum
hatte sie es nicht gethan? Etwa aus Liebe
zu ihm? Nein, der Gedanke war lächerlich.

„Geben Sie mir die Beweisstücke, Adele! Dazu
sind Sie ja doch gekommen!" drängte er.
„Dazu kam ich, ja! Aber was nützt es mir, mit
Ihnen allein zu verhandeln? Ich traue Ihnen nicht
mehr, Bodo! Sie konnten mir schwören, was Sie
wollten, ich glaube Ihnen nur, wenn Heinz sein
Ehrenwort dazu legt."
„Abscheulich!" knirschte Bodo.
„Tn hast's gewollt!" sagte sie sehr ernst. „Es ist
so! Zwischen uns Beiden sind alle Illusionen zerrissen,
zerstört, wir kennen uns, Bodo!"
„Woher hast Du diese Briefe, wenn Du mir nur
das sagen wolltest?"
„Woher? Ich könnte jede beliebige Lüge sagen, aber
der Wahrheit die Ehre, ich weiß es selbst nicht! Ter
.«asten war plötzlich nach dein Brande unter meinem
Gepäck. Aber was wirst Tu so blaß?"
„Es sind die Briese meines Baters an
„An die unglückliche Freifrau v. Luesteuhvrst.
Ganz richtig! Und außerdem die von ihr an ihn! Sie
klagt ihm darin ihres Mannes Sonderbarkeiten."

Wallycr Hauser, schweizerischer Bundespräsident für 1892. lT 982 i

Er ging neben ihr her in einer Aufregung ohne
Gleichen. Wenn er die Briefe hatte, daun war es
nicht nöthig, daß er sich an Helia band, kann —
Aber Adele Heiratheu? Hhne Zweifel würde sic
diese Bedingung stellen!
Wie konnte er die Briefe von ihr erlangen, ohne
sie zur Frau nehmen zu müssen?

Elftes Aapitel.
Hclia hatte sich die kleine Schneiderin aus dem
Torfe bestellt und diese am Morgen vergeblich er-
wartet. Um Mittag kam sie endlich angehnmpelt, aber
nicht so sonnig lachend, so fröhlich wie sonst, sondern
blaß und bedrückt, sodaß Helia sie sofort fragten „Was
ist Ihnen, Tora?"
Tas Nähdortchcn faltete aufgeregt die Hände in-
einander und flüsterte i „T, gnädiges Fräulein, was
hab' ich erlebt! Welches Unglück für Sie, wenn's heraus
kommt!"
„Für mich? Für mich, Törtchen? Was darf nicht
herauSkommen?" zitterte es von Helia's
Lippen. „Betrifft es etwa meinen Prozeß?"
„Ja, gnädiges Fräulein. Aber die
Treues will 's Ihnen selbersagen, ich soll Sie
schicken. Wenn's sich nicht gerade so ge-
lroffen hätte, daß ich hierhin mnßte, so
„Ich will hin! Ich will sofort hin!"
rief Helia in größter Anfregung.
„Nicht jetzt, gnädiges Fräulein! Ach,
das ist ja gerade, was die Treves so
ängstigt, daß es herauskommt mit dem
Kasten, und dann ist Alles verloren! Ganz
heimlich sollen r-ie kommen, .«einer darf es
wißen vielleicht könnte ja noch Rettung
sein! Wenn's aber ein Mensch erfährt,
der Ihnen nicht gut ist, so ist Alles ver-
loren."
„Ja, was soll ich denn aber anfangen?
Ich habe keine Ruhe mehr! Tie Augst
macht mich ganz verwirrt. Was sagten
Sie da von einem Kasten, Törtchen <!" stam-
melte Helia.
„Mit Papieren! Mit Briefen! Tie
Treves wird Ihnen Alles ausführlich er-
zählen."
„Ach, Törtchen, wenn ich diesen unse-
ligen Prozeß verlöre!" schlnchzte Helia.
„Hätte man mich doch aufwachsen lassen
wie.ein armes Mädchcn! Tann hätte
ich gelernt, mir selbst zu helfen, zu arbeiten
wie ^Andere auch."
--ie lief im Zimmer aus und ab. Alle
Dual und Aufregung dieser unseligen Erb-
schaftsgeschichte kam wie eine undurch-
dringliche Wolke über sie, und zugleich ein
unbeschreiblich elendes Gefühl, eine tiefe
Temuthigung, daß sie so jammervoll ab-
häiigig war von Geld und Gut. Lieber
doch keinen Pfennig haben, lieber doch in
einer fremden Stadt für Geld einen Dienst
suchen, als so sich zur Beute machen für
jede unedle Leidenschaft, die das Geld erregt!
 
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