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516

Das Buch für Alle.

gelt 21.


Minister Grafen Fritz Eulenburg, einem Vetter
feines Vaters, wurde er 1864 in das Ministerium
des Innern als Hilfsarbeiter berufen, wurde 1867
Vortragender Rath in demselben und ging 1869
als Regierungspräsident nach Wiesbaden, 1872
als Bezirkspräsident nach Metz und 1873 als
Oberpräsident nach Hannover. In dieser schwie-
rigen und verantwortungsreichen Stellung be-
währte er sich aus's Beste, indem er wesentlich
zur Versöhnung der Gemüther, auch in vielen
welsischen Kreisen, beitrug. Als Graf Fritz Eu-
lenburg seine Entlassung als Minister des In-
nern genommen hatte, wurde Graf Botho am
31. März 1878 dessen Nachfolger und setzte das
von Jenem begonnene Werk der Verwaltungs-
reform im Sinne der weiteren Entwickelung der
Selbstverwaltung fort. Dabei gerieth er in lNei-
nungsverschiedenheiteu mit dem Fürsten Bismarck.
Diese führten im Februar 1881 zu einer pein-
lichen Scene im Herrenhaus, wo bei der Be-
rathung einer Novelle zur Kreisorvnung der neben
dem Minister sitzende Geheimrath Rommel aus
dem Handelsministerium sich unerwarteter Weise
erhob, um Namens des Handelsministers Für-
sten Bismarck eine Erklärung zu verlesen, welche
den vorausgegangenen Aeußerungen des Ministers
des Innern widersprach. Dieser nahm sofort
seinen Abschied und erhielt Herrn v. Pnttkamer
zum Nachfolger. Graf Eulenburg befand sich
dann einige Zeit im Ruhestand, bis er, nach-
dem eine Verständigung mit dem Fürsten Bismarck
erfolgt war, im August 1881 Oberpräsident von
Hessen-Nassau wurde, wo er bisher eine große,
erfolgreiche und in der ganzen Provinz warn!
anerkannte Thätigkeit entfaltet hat. Der höchste
Glanzpunkt in dieser Zeit war wohl für ihn die
Enthüllung des Germania-Denkmals aus dem Nie-
derwald am 28. September 1883, wo er die
Ehren der Provinz dem ruhmgekrönten Kaiser
Wilhelm und nahezu allen deutschen Fürsten er-
weisen durste. Graf Eulenburg ist ein gewand-
ter Redner; große persönliche Liebenswürdigkeit
ist ein hervorstechender Zug seines Charakters.
Er ist seit dem Oktober 1875 in kinderloser Ehe
verheirathet, feine Gattin ist die Tochter des
Generals der Kavallerie v. Alvensleben, des
einstigen Kommandanten von Berlin; sie war in
erster Ehe mit dem 1872 gestorbenen Grafen
Otto v. Keyserlingk-Neustadt vermählt. Die
beiden jüngeren Brüder des Grafen Botho sind der Oberhof-
und Hausmarschall des Kaisers, Graf August, und der lang-
jährige Kommandeur der zweiten Gardeulcmen, Oberst Graf
Karl zu Eulenburg. — Der neue Ministerpräsident hat sich
am 28. März im preußischen Abgeordneten- und im Herren-
hause mit einer gleichlautenden kurzen Ansprache vorgestellt.
Er wurde von zahlreichen Abgeordneten aller Parteien be-
grüßt, es gab ein fortwährendes Händeschütteln. Der Graf
ist als Oberpräsident nur wenig gealtert, seine Stimme klingt
noch ebenso Hell nnd klar, wie im Jahre 1881, auch in seinen
Bewegungen zeigt er noch die frühere Gelenkigkeit und Frische.

Ernst Ludwig, der neue Grotzherzog von Hessen. (S. 515)
Eine Ltraßenscene ans Rio de Janeiro.
(Siehe dos Bild aus Seite 517.)
—in der schönen Hauptstadt der südamerikanischen Republik Bra-
silien herrscht gegenwärtig außer der durch die immer noch
nicht gefestigten politischen Verhältnisse bedingten Unruhe und
Aufregung auch das gelbe Fieber mit außergewöhnlicher
Heftigkeit. Es werden täglich 390 Menschen von der Seuche
hingerafft, was bei einer Gesammtbevölkeruug von nur etwa
400,000 Köpfen eine furchtbare Ziffer ist. Leider steigert sich
das Nebel seit dem Jahre 1849, wo zuerst das gelbe Fieber

durch den Schiffsverkehr von Westindien aus
eingeschleppt wurde, trotz der Angeführten Ka-
nalisation nnd anderer hygienischer Vorkehrungen
von Jahr zu Jahr, und fordert besonders in den
Monaten Januar bis Mai feine Opfer, wo-
durch der Aufenthalt in der prächtigen Stadt
zu dieser Zeit für Fremde ganz unmöglich wird.
An der gleichnamigen inselreichen Bucht gelegen,
bietet Rio de Janeiro mit. feinem Hüusermeer, das
rings von hübschen, in üppigen Gärten liegen-
den Villen anmuthig umrahmt wird, während
sonderbar und malerisch geformte Berge den
Hintergrund abgeben, ein höchst anmuthiges und
fesselndes Bild. Damit in schroffen! Gegensatz
steht allerdings das Innere der engen nnd ziem-
lich schmutzigen Altstadt, in der trotzdem der
Hauptschwerpunkt des Handels und Verkehrs
liegt, während die modern gebaute, mit breiten
und schönen Straßen versehene Neustadt weit
stiller ist. In der Altstadt spürt man, daß inan
in dem bedeutendsten Seehafen und Handelsplatz
Brasiliens ist. Auch die Industrie hat sich m
Rio de Janeiro schneller, als in allen ande-
ren brasilianischen Städten entwickelt, und das
Straßentreiben, der Verkehr, ist in den Haupü-
straßen, besonders in der Rua direita, wo sich
die Geschästslokale der Großkaufleute, die Börse,
die Poft und andere öffentliche Gebäude befinden,
ebenso lebhaft als interessant; es erhält sein be-
sonderes -Gepräge durch die eigenthümliche Be-
völkerungsmischnug. Es bilden nämlich, wie
überhaupt in ganz Brasilien, hie Neger und
Mischlinge die Ueberznhl. Weiße und Misch-
linge halten sich ungefähr das Gleichgewicht;
Neger sind außerdem gut halb so viel vorhanden,
als Weiße. Das Neger- und Mulattenelement
tritt daher im Straßenleben Ria de Janeiro's
sehr scharf hervor, wie nufer Bild auf S. 517,
das uns eine Straßenscene aus der brasilianischen
Hauptstadt vor Augen führt, auf den ersten
Blick erkennen läßt. Da jehen wir neben dem
Negerfoldaten die Negerin aus dem Volke mit
ihrem hoffnungsvollen Sprößling einherschreiten;
unter den Stiefelputzern, die auf dem kleinen
Plätzchen an der Straßenkreuzung ihr Handwerk
nusüben, ist ebenfalls ein Neger; am Zeitungs-
kiosk lehnt, mit der Cigarre in der Hand, ein
Stadtpolizist, entweder Neger oder sehr dunkler
Mulatte, und im Mittelgründe des Bildes
sehen wir eine Negerfchönheit im modischen Gewände und
ein Negergigerl. Nur der- brasilianische Jnfanteriehaupt-
mann, der sich nach dortiger Sitte ans öffentlichem Platze
seine ü-tiefel reinigen läßt, scheint aus unverfälschtem, spa-
nischem Blute zu sein, während der neben ihm sitzende
Stutzer und der rechts daherkommende Börsianer ebenfalls
eine kleine Beimischung indianischen oder äthiopischen Blutes
verrathen, die junge Dame neben der Negerin aber den in
Rio de Janeiro zahlreich lebenden deutschen oder englischen
Kaufmannsfamilien anzngehören scheint.
 
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