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612

Das Buch für Alle.

Heft 25.

in einem von Rossen mit ehernen Hufen nnd goldenen Mähnen
gezogenen Wagen dahinführt, den die übrigen Gottheiten, Dä-
monen nnd die mannigfaltigen Ungeheuer der Meerestiefe um-
spielen, aber nicht so läßt der Maler unseres Bildes den
Meeresgott nnd sein Gesolge vor uns erscheinen: Neptun ist
als Kind, mit einem fpielzeugartigen kleinen Dreizack in der
Hand, auf dem Rucken eines mächtigen Fischungethnms dar-
gestellt, hinter ihm sitzt eine ebenso kindliche Amphitrite, und
auch das übrige Gefolge besteht ans von Möven umflatterten
Kindergestalten, die theils schwimmen, wie der kleine Schwarz-
kopf vorne links, der eine auS der Tiefe heraufgeholte Muschel
darbietet, theils ein anderes Meeresungethüm als Fahrzeug
benützen. Ganz vorne sitzt anch eine kleine pausbäckige Nereide
mit einer gewaltigen Muschel neben sich auf dem Lrtrande, die
zu frieren scheint und überaus komisch wirkt. Die verschiedenen
Figuren sind mit glücklichster Laune erfunden, und das Ganze
besticht von vornherein durch gefällige Anordnung und wohl-
gestimmtes Kolorit.

Die erste Sergparthie.
(Siehe das Bild auf Seite 614.)
/IVKar Gräfs hübsches Genrebild, von dem wir auf S, 613
eine Holzschnittnachbildung bringen, behandelt in höchst

ansprechender und tüchtiges malerisches Können verrathender
Weise das alte, und doch immer wieder neue und erheiternde
Thema vom „Salontiroler". Der junge Referendar macht feine
erste Gebirgsreije. Er hat große Dinge vor und sich in München
echt berglerisch ausstaffirt. Die wildledernen kurzen Hosen, die
Wadenstrümpfe, die Lodenjoppe und der Jügerhut stehen ihm
gar prächtig, und sind natürlich für einen rechten Bergsteiger
die Hauptsache; aber die Stiefeln, diese plumpen, nägel-
beschlagenen Bergschuhe — nein, das ging nicht! Diese anzu-
legen, dagegen sträubte sich sein ganzer innerer Mensch, Was
würden wohl die jungen, vornehmen Damen seiner Bekannt-
schaft sagen, wenn sie ihn mit solch' grobem, schwerem Schuh-
wecke sahen; der ganze impcmirende Eindruck, den er in seinem
Bergkostüm ans sie auszuüben sicher ist, müßte dadurch gefährdet
werden. Auch die schönen Sennerinnen, bei denen er kolossale
Eroberungen zu machen hofft, müssen am Schuhwerk gleich
sehen, daß er ein Mensch von anderem Schlage ist, als die
gewöhnlichen Sterblichen, die mit so klobigen Untcrtheilen im
Gebirge hernmstampfen. Trotz der Abmahnungen Kundiger
trennt er sich nicht von seinen modischen Schnabelschuhen, son-
dern tritt getrost die erste Bergparthie an. Aber ach! wie
ergeht's unserem armen Salontiroler auf dem scharfen Gestein!
Zwar gelingt es ihm, den Gipfel des Berges zu erklimmen,
denn „Schneid" hat er trotz seiner Eitelkeit, aber ans dem
Rückweg gehen die seinen Stiefel aus allen Fugen, seine Füße

werden wund, mit Mühe schleppt er sich noch zur nächsten Alm,
wo die „schöne Sennerin" ihn, mitleidig mit ein paar alten
Holzpantoffeln zu Hilfe kommen muß, um ihm nur den Ab-
stieg zu Thals zu ermöglichen.

König CstristilM IX. und Königin Lniie von
Dänemark.
iSiehe die 2 Porträts auf Seite 615.)
^ünf Tage lang haben die glänzenden Festlichkeiten gedauert,
< 1 mit denen in Kopenhagen die goldene Hochzeit des dänischen
Künigspaares (siehe die Porträts auf S. 615) gefeiert worden
ist, und die dadurch eine besondere Bedeutung erhielten, daß
das dänische Königshaus mit den Höfen von halb Europa
durch verwandtschaftliche Baude enger verknüpft ist. Uni das
greise Jubelpaar waren seine sechs Kinder und deren Gatten
und Nachkommen versammelt, wie auch die weitere Verwandt-
schaft nnd überhaupt die europäischen Hofe sich gleichfalls ver-
treten ließen. — König Christian IX. von Dänemark ist am
8. April 1818 als ein jüngerer Prinz des Hauses Schleswig-
Holstein-Sonderburg-Glücksbuvg geboren und stand dem dänischen
Throne verwandtschaftlich nahe. Noch näher trat er ihn, durch
seine am 26. Mai 1842 vollzogene Vermählung mit der am

Wcptun's Kinderzeit. Nach einem Gemälde von Paul Wagner. (S. 611)


7. September 1817 geborenen Prinzessin Luise von Hessen-
Kassel, einer Enkelin des Erbprinzen Friedrich von Dänemark
und Nichte Christian's VIII. Er trat in dänische Kriegsdienste,
nahm seinen Aufenthalt in Kopenhagen nnd schien somit die
geeignete Persönlichkeit, um bei dem bevorstehenden Erlöschen
des dänischen Mannesstammes in dessen Erbe einzutreten. Durch
das Thrvnfolgegesetz vom 31. Juli 1853 ward er Erbprinz von
Dänemark und bestieg nach dem Tode Friedrich's VII. am
15. November 1883 den Thron. Von der Königin Luise sagte
ein Kopenhagener Blatt, als sie ihren 70. Geburtstag feierte:
„Die Königin ist mehr als irgend Jemand eine umsichtige
Blutter. So wird die Geschichte sie einst nennen; sie wird
mit Anerkennung ihren feinen weiblichen Verstand hervorheben,
der sich hauptsächlich darauf konzentrirt, das Glück ihrer
Kinder zu schaffen. Und wenn sie heute gefeiert wird als die
Schwiegermutter von Rußlands jetzigem und Englands zu-
künftigem Herrscher, kann sie mit Recht behaupten, daß ihr
langes Leben nicht ohne schöne Früchte geblieben ist. Sie
machte den Hof ans Berustorff zu einem stillen, behaglichen Heim
mit allen häuslichen Tugenden, wo fremde Königssöhne an-
muthige und holde Gemahlinnen finden konnten. Sie erzog
schöne nnd liebenswürdige Töchter, die selbst in den größten
Ländern der Erde, unter ungewohnter Pracht sich durch ihren
natürlichen Liebreiz auszeichneten. Sie begann als eine arme
prinzliche Offiziersgattin. Nun ist sic die Schwiegermutter
von halb Europa und Asien." Die Kinder des Jubelpaares
sind: Kronprinz Friedrich, vermählt mit Prinzessin Luise,
Tochter des verstorbenen Königs Karl XV. von Schweden;
Prinzessin Alexandra, vermählt mit dem Prinzen von Wales;

Prinz Wilhelm, seit 1863 unter dem Namen Georg I. König
von Griechenland, vermählt mit Prinzessin Olga, Großfürstin
von Rußland, dessen ältester Lohn, Kronprinz Konstantin, der
Gemahl der Prinzessin Sophie von Preußen, Schwester Kaiser
Wilhelm's II., ist; Prinzessin Dagmar, unter dem Namen
Maria Feodorowna Gemahlin des Kaisers Alerander III. von
Rußland; Prinzessin Thyra, vermähll mit dem Herzog von
Cumberland, nnd Prinz Waldemar, vermählt mit der Prin-
zessin Biarie von Orleans.

Eroberungen aus der Hljierwel't.

Allerlei vom modernen Unternehmungsgeiste.
Von Ä. (dslrar Hst tau st manu.
- (Nachdruck verboten.)

llchen Aufschwung im letzten Menschenalter die
Züchtung der Rinder, Schafe, Schweine, Pferde
und des Geflügels genommen hat, ist allgemein
bekannt. Besonders die bahnbrechenden Forschungen des


englischen Naturforschers Charles Darwin haben dazu
beigetragen, die Zucht der Hausthiere in neue Bahnen
zu lenken, und durch rationelle Methoden bedeutende Ver-
besserungen der Rassen je nach der Bestimmung der

Thiere zu erreichen. Unbekannt aber wird es den
meisten unserer Leser sein, welchen Umfang die Zucht von
Lurusthiercn angenommen hat, welche erstaunlichen
Preise für solche erzielt werden, und was für merk-
würdige „Hausthiere" sich in manchen Gegenden unseres
Erdballs der Mensch halt.
lieber Hunde und Pferdezucht wollen wir hier nicht
berichten, denn so großer Luxus darin auch getrieben
wird, so wäre besonders Merkwürdiges darüber mücht
mitzutheilen. Allein es gibt in der That sehr merk-
würdige Thierzüchter. Wahrend man bei uns die
Katzen nicht besonders züchtet, sondern es Km Zufall
überläßt, wie sie sich vermehren, ja oft einen Theil der
jungen Katzen bald nach der Geburt ertränkt, ist die
Katze in Amerika ein geschätzter Handelsartikel geworden,
allerdings erst durch die Intelligenz eines deutschen
Farmers. Die Ansiedler auf neuen Farmen, also ge-
wöhnlich im Westen der Vereinigten Staaten von
Nordamerika, haben sehr viel von Ratten und Mäusen
zu leiten. Da die Bedingungen für die Entwickelung
dieser Thiere gerade ans den Farmen sehr günstig sind,
vermehren sie sich in ungeheuerer Weise und richten einen
Schaden an, der oft groß genug ist, den Eigenthümer
der Farm vollständig zu ruiniren. Er ist kaum noch
im Stande, die Vorräthe seiner Ernte, die Ergebnisse
seiner monatelangen Arbeit vor diesen Nagern zu schützen.
 
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