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gHeft 1.

Form und ſchließlich auch über den Preis. Da die Beſtellung
eine ſehr große war, so erbat sich der Goldarbeiter eine ent-
sprechende Anzahlung, die der Fremde mit der größten Bereit-
willigkeit leiſtete. Schon im-Wagen sitzend, rief er den Gold-
schmied nochmals heran und sagte: „Jch habe das Wichtigste
vergeſſen. Jedes einzelne Stück soll das Monogramm meiner
Frau und am Fuß oder ſonst an einer unauffälligen Stelle
meinen vollen Namen tragen."

Der Juwelier war hierzu natürlich gerne erbötig, der
Fremde ſuchte nach der Brieftaſche und überreichte dann dem
Goldarbeiter seine Karte.

Der Juwelier lächelte. Wir sind ja Namensvettern,"
sagte er, „auch ich heiße Karl Müller."

„Ich wußte das," entgegneteder Besteller freundlich, „unsere
Namensgleichheit iſt es auch, die mich bestimmt hat, diese
Beſtellung, die ein lang gehegter Wunſch meiner Frau iſt,
gerade Ihnen anzuvertrauen."

Die Herren ſchieden im besten Einvernehmen. Von Zeit
zu Zeit kam der Fremde, der sich mit „Herr Oberſt“ anreden

Der Orller, von der Payerhütte

Gänge für mich; seiner Rechtlichkeit können Sie unbedingt
vertrauen.. .

Der Oberst verabſchiedete ſich und übergab dem Dienſst-
mann die Beſtellung. Der Juwelier aber wartete vergeblich
auf die Rückkehr des Kunden, und als er abends aus dem
Geschäft sich nach seiner in Währing befindlichen Privat-
wohnung begab, war das erste, auf das seine Frau zu ſprechen
kam, daß sie ihm die gewünſchten tauſend Gulden gesendet habe.

„Was für tauſend Gulden ?“ frug der Geschäftsmann.

„Nun die, um welche du geschrieben haſt."

„Ich habe um kein Geld geſchrieben.'

„So ? Hier iſt aber doch deine Karte, das iſt deine Hand-
ſchrift und außerdem ist hier der Umschlag mit der Geschäfts-
firma! Ich habe das Geld dem alten Krakovitzer gegeben,
wie ich das ſchon oft gethan habe.“

lich zu ſpät — ein Licht auf; sein nobler Namenspetter,
der Oberſt a. D. Karl Müller, der dem Dienstmann unterwegs
das Geld abgenommen hatte, war ſpurlos verſchwunden und
natürlich längst über alle Berge. v. Lychdorff.
Wachſtelze und Kreuzotter. + Es war im vergangenen
Sommer, als ich auf einem Spaziergange an einem alten
Steinbruche in der Nähe Fuldas vorüber kam. Plötzlich
wurde ich von einer Bachſtelze umflattert, die durch ihr ſon-
derbares Benehmen und durch ängstlich klingende Töne meine





Da s Buch für Alle.

ließ, in das Geschäft, um sich nach dem Fortschreiten der
Arbeit zu erkundigen; nach einigen Wochen waren die beiden
Kannen sowie das Tablett fertig, während die Schalen sich
noch in Arbeit befanden. ,

Der Oberſt trug den Arm noch immer in der Schlinge.
Er erzählte dem Juwelier, daß er bei einem Spazierritt
mit dem Pferde gestürzt sei, was ihn auch veranlaßt habe,
seinen Abſchied zu nehmen; den Arm werde er leider kaum
wieder gebrauchen können. Der Goldarbeiter sprach sein Be-
dauern aus, besonders darüber, daß der Herr durch dieses
unglückliche Ereignis gezwungen worden ſei, eine sicherlich
glänzende Karriere aufzugeben. Der Oberst a. D. ſchien
übrigens sehr reich zu sein, denn nur ein sehr wohlhabender
Mann konnte sich ein ſo koſtſpieliges Geschenk, wie das des
Silberservices, gestatten.

Die fertigen Arbeiten gefielen dem Obersten außerordentlich
gut. Er betrachtete die Kannen von allen Seiten und sprach
den Wunſch aus, diese ſogleich mit nach Hauſe zu nehmen.

„Bitte," sette der Oberſt hinzu, als er bemerkte, daß der



Juwelier damit nicht ganz einverſtanden zu sein schien, „ich
werde die Kannen und das Tablett ſogleich bezahlen , ſagen
Sie mir nur, was die Gegenstände koſten.'
_ Der Goldarbeiter nannte darauf den Preis mit einigen
hundert Gulden. Auf so eine große Summe ſchien der Be- .
ſteller jedoch nicht gerechnet zu haben. Er entnahm deshalb
seiner Brieftaſche eine Viſitenkarte und bat den Kaufmann, er
möchte so freundlich sein, nach seinem Diktat ein paar Zeilen
ß Jurist. rs qzſeia tegiter aeu eiu vaucstlit she
ſchrieb: „Liebe Frau! Zur Abwickelung eines Geschäftes be-
darf ich umgehend tauſend Gulden; sende mir dieselben durch
den Ueberbringer dieser Karte. Karl."~

Als das geschehen war, erbat ſich der Oberst ein Couvert
und frug, ob der Goldarbeiter vielleicht einen vertrauens-
würdigen Dienſtmann kenne, den man mit dem Auftrage
des Geldabholens ohne Bedenken betrauen könne.

„Gewiß,“" antwortete der Juwelier, „der alte Krakovitzer,
der dort an der Ecke steht, verſieht seit Jahren zahlreiche



aus geſeßen. Nach einer Photographie von Würthle & Spinnhirn in Salzburg. (S.21)

Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Ich blieb stehen, um zu
ſehen, was weiter geſchehen würde und bemerkte nun, wie der
Vogel zu einem nahen Abhange flog, eine Stelle dort mehrere-
mal untkreiſte und ängstlich zwitſchernd zu mir wieder zurück-
kehrte. Es stand außer Zweifel, daß der Vogel meine Auf-
merkſamkeit erwecken und meine Hilfe bei irgend einer Gefahr
in Anspruch nehmen wollte. Ich ging nach der betreffenden
Stelle hin und gewahrte unterhalb eines hervorſtehenden
Steines in einer Erdhöhlung ein Nest mit zwei noch sehr
jungen, halbnackten Vögelchen. Im nächsten Augenblicke aber
fuhr ich erſchrocken zurück, denn dicht neben dem Neſte be-
merkte ich den drohend erhobenen Kopf einer Kreuzotter, die
mit gierig funkelnden Augen nach den jungen Vögelchen
züngelte. Die Gefahr erkennend, in welcher dieſe ſchwebten,
verſette ich nun der Giftſchlange mit meinem ſtarken Knoten-
ſtocke einige ſo kräftige Hiebe, daß sie in zwei Teile zerſpalten
den Rain hinabkollerte. Die Bachſstelze, welche unterdessen
den Schauplatz dieſes Vorgangs umtreiſt hatte, kehrte als-
bald in ihr Nest zurück und widmete sich nun mit großem
Eifer der Pflege ihrer Jungen. Vor mir, ihrem Retter, der
ich ihr Thun und Treiben eine Weile noch mit Vergnügen
betrachtete, bekundete das Tierchen nicht die geringste Scheu.
Aller Wahrscheinlichkeit nach waren bereits einige der Jungen
dem gefräßigen Reptil zum Opfer gefallen. Nur durch meine
Dazwiſchenkunft, welche die Bachſtelze ſo überaus klug zu
; D



benutzen verstanden hatte, waren zwei der Vögelchen dem
Leben erhalten geblieben.

Ich habe mir darauf das Vergnügen nicht verſagt, die
fernere Entwickelung meiner Schützlinge eine Zeit lang noch
zu beobachten, bis ich ſie eines Tages munter zwiſchernd auf
einem nahen Gebüſche ihres Reviers siten ſah. ~ R. v. B.

Das Bulterbrot. ~ Als im Jahre 1812 die Truppen
Württembergs sich zum ruſſiſchen Feldzuge rüſteten, muſterte
der Brigadegeneral v. Hügel das Linien-JInfanterieregiment
in Schorndorf. Nach der Musterung fand ein großes Mahl
im „Goldenen Hirſch“" statt. Die Unterhaltung drehte ſich,
wie natürlich, größtenteils um den bevorſtehenden Feldzug.
Da rief ein junger Lieutenant mitten in das Gespräch hinein:

„So 'nen ruſſiſchen Feldzug mache ich ebenso leicht mit, wie. ;

ich ein Butterbrot esse !“

„Herr Lieutenant," sagte der General, ,ich nehme Sie
beim Wort und werde mir erlauben, Sie an dieſes Butter-
brot zu erinnern.“

Am 18. November mußte dieser Lieutenant bei einer bitteren _
Kälte mit seinem Zug im heftigsten Kugelregen bis an den Hals
durch den Dnieper waten, und als er von Wasser triefend
und vor Kälte zitternd daſtand, kam der General v. Hügel
geritten und fragte lächelnd: „Nun, Herr Lieutenank, wie
ſchmeckt Ihnen das Butterbrot ?“ D,




 
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