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Das Dorfkind.

Roman .

von

Grorg Hartwin.
(Fortjezung.)

B t EEE (Nachdruck verboten.)

Vas wüßte ich beſtimmt, “ ſagte Olaf, ſich
in den Schaukelſtuhl werfend, „daß mich
kein Menſch zwingen könnte, ohne meine
Frau Umgang zu halten. Und wäre es
eine Prinzeſſin aus dem Monde, die
mir um den Bart ginge.“

„Dann könnte ich mit dem Leben und
meiner Kunst abſchließen,“ wendete
Klauſſen ein. „Ich will aber vor-
wärts kommen. Dazu muß ich bekannt
werden. Ein halbes Dutzend Häuſer
wie das der Frau v. Beauremont ~
und der Zweck iſt erreicht. Begreifst
du das denn nicht?"

„Wie steht's denn mit den alten
Gemälden der Frau Marquiſe?“

„Die taugen nichts,“ erwiderte
Klauſſen raſch. „Ich werde aber ſie
selbſt malen. “ .

„So, so! Was ich ſagen wollte
und weshalb ich mir dieſe Viertelstunde
im Vorbeigehen abgemüßigt habe ~
yes „Frau ~ iſt dir nichts aufge-

allen?"

„Nein, wahrlich nicht!“ entgegnete
Klausen.

„Letzthin abends, ehe du kamſt ~
ich hatte den Jungen aufs Knie ge-
nommen = ſah ich ſie nebenan im Zim-
mer ſtehen, die Hände aufs Herz ge-
êÑ drückt, bleich wie der Tod, als ob sie
umfallen wollte, Ich sette den Buben
auf den Teppich und ging zu ihr und
fragte ſie, ob sie ſich unwohl fühle. Sie
ſchrak zuſammen, als ob meine Frage
ſie auf einem Verbrechen ertappt hätte.
„Mir iſt nichts!“ sagte ſie. Der Kum-
mer ſtand ihr aber auf dem Gesicht ge-
schrieben. „Jch kann Jhnen vielleicht
helfen,“ sagte ich teilnehmend. „Es
iſt wirklich nichts!“ sagte sie freundlich
wie immer. „Manchmal kommt's ſo
wunderlich über uns, daß man meint,
die Sonne ſei für immer untergegangen.
Aber der liebe Gott sorgt ſchon dafür,
daß wir's ertragen können.“

„Was denn? Was ertragen?“ fiel
Klauſsen ein.

„Das wirſt du besser wiſſen, als ich.
Jedenfalls trägt ſie etwas auf der Seele,
das du allein heben kannst.“

„Meinst du, ich gäbe mir nicht





!!: Mäh, es zu thun?“ rief Klauſſen nervös auf-
ahrend.
: . renv. Glaubst du, daß ich noch einen Schritt in
mein Haus thun kann, ohne von jammervollen Em-
pfindungen erdrückt zu werden? Der Junge iſt noch
nicht groß genug, mich zu entſchädigen. Laß die Zeit
kommen, so wird die Sache ſich klären. Jm übrigen,“
setzte er, ſich zur Ruhe zwingend, hinzu, „werde ich
Greta befragen. Ich finde ſselbſt, daß sie zu bleich
aussieht. Aber sie quält sich ja auf unverſtändige Weiſe
mit dem Jungen. Ich kann sie doch nicht zwingen,
auszuſchlafen. “

„Willst du mir den Vorwurf der Lieblosigkeit

Olaf pfiſf vor ſich hin.

Zeichen der Unzufriedenheit. Seine gereizten Nerven
empörten ſich dagegen.

„Wag willst du eigentlich von mir?“ ſagte er heftig,
ſich mit gekreuzten Armen vor den Schaukelſtuhl ſtel-
lend. „Welche Parallele ziehſt du? Du halt deine tech-



Wilhelmine, Königin der Niederlande. (S. 115)

Klauſsen kannte dieſes



niſchen Kenntnisse gut ausgenützt und wirst reich dabei
werden, wenn du fortfährſt, Verſtandesarbeit zu treiben.
Dabei könnte i < verhungern. Ich brauche Inspiration.
Und die kann ich nicht kommandieren, wie du deine
Zahlen. Ich kann sie mir auch nicht vorſchreiben
laſſen, ich nehme sie, wo sie mir zu teil wird. Folge
ich meinem Genius, iſt dir's nicht recht. Ließe ich
meine Familie aber entbehren, wäre dir's auch nicht
recht. Da du dich doch ſchließlich auf einen bestimmten
Standpunkt stellen mußt, so sage jett alſo, was ich
nach deiner Ansicht thun und was ich laſſen muß, meiner
Pflicht zu genügen.“ :
feh Olaf stand auf. „Jch werde dir unbequem, wie ich
ehe |
_ uKein,“ rief Klauſſen blaß vor Aerger, obwohl
im Inneren durchaus von der Wahrheit dieſer Worte
durchdrungen. „Nein! Quäle mich jetzt auch noch mit
Empfindlichkeit! Hier zu Hauſe bin ich ein Ungeheuer
und außerhalb ein Phänomen!“ Er
lachte bitter. „Schöne Situation das!
Ich wollte, du ſteckteſt in meiner Haut.“
„Du verausgabſt deine guten Seiten
zu ſehr nach außen, fürs Haus bleibt
Ährtqtis bars. lg Hut tt
er mich in meine ſchlichte Haut geſteckt
hat ~ –~ Nun, Bambino, was wollen
wir denn?“" unterbrach er das Geſpräch
zu rechter Zeit, da Greta mit dem
Kinde im Nebenzimmer ſichtbar ward.
Der Kleine zappelte Olaf ſtets so
frohlockend entgegen, daß die junge
Frau seiner Ungeduld nie raſch genug
nachgeben konnte und also auch jetzt leb-
haft über die Schwelle trat.
Klauſſen ging leidenſchaftlich be-
wegt auf ſeinen Sohn zu, hob ihn
mit zuckendem Antlit von Gretas Arm
und preßte ihn an ſich. Dabei that er
ihm jedenfalls weh, denn der Kleine
erſchrak und begann zu ſchreien.

„Sei still!“ herrſchte er ihn an. Der
Kopf schmerzte ihn, und im Herzen
fühlte er sich elend. „So geh, du
Schreihals !“ t

Greta bedeckte die blonden Här-
chen des kleinen Lärmmachers mit Küſſen.
Er hatte sich ihr mit beiden Armen um
den Hals geworfen und barg den Kopf
an ihrer Wange. „Wollen gehen,
Hänschen,“ sagte ſie mit sanfter Würde.

„J bewahre!“ rief Olaf, nahm
schnell das glänzende Papier mit dem
goldenen Wappen vom Tiſch und
Juras es vor dem Kleinen hin
und her.

„Aufgepaßt, Bambino! Wer wird

wohl die Patſche aufmachen! Klapps
— da hat der kleine Kerl eins weg!
So! Na, was steht da? Lies, Bam-

inc U affen hatte sich zum Fenſter ge-



denn weinen! Da, nimm's! Wirſtshn I
 
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