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a uu nuäcülil .;



Illuſtrirte

Familien-Zeitung.

Jahrg. 1899.





Ams Geld.

Roman aus dem Wiener Leben.
Von

Gulſtav Iohannes Kraut.
(Fortſezung.)



.... (Nachdruck verboten.)
? s b das Geld glücklich macht, fragſt du mich,
. Fanny?" wiederholte Eva, ihre ineinander
verſchränkten Hände betrachtend. „Giebt's

glaub’ nicht d'ran. Und wenn's es giebt,
ſo beſteht' s g'wiß nicht darin, daß eine
einen Mann hat mit einem blonden Schnurr-
bart und blauen Augen, und ſonſt nichts
von der ganzen lieben Welt. Wegen der Fähnchen
thät ich's nicht, aber wegen des andern, was dazu
gehört. Weißt du denn, Fanny, was das heißt, ſich
solche Kleider kaufen können, wie ich sie heut' g sehn
hab'’? Das heißt kein Menſch mehr ſein,

sondern ein halber Herrgott auf Erden.



denn überhaupt ein wirkliches Glück? Ich



ſie sich vergift’ hab/n miteinand’, weil die Eltern da-
gegen waren. Mit Not und Müh’ sind's davon "kom-
men, daß sie nicht haben in's Gras beißen müſsſsen.
Jetzt ſind ?! zwei Jahr verheiratet, und wo is die
ut rien z H ka M Fe z Kezui shut
Haus kommt, ſtreiten ſ, daß man's in der ganzen
Gassen hört. Die vergiften sich vielleicht noch einmal,
zket vor Jammer, daß sie nicht mehr auseinander
önnen.“

Entrüſtet antwortete die Schwester: „Weißt du, was
du biſt, Eva? Ein ſchlechtes Mädel biſt du. JIch
kann nicht so reden wie du und kann dich nicht wider-
legen. Aber ich weiß, daß nur ein herzloſer Menſch
so denken und reden kann. Und .... und das aller-
ſchlechteſte iſt, daß du . . . daß du mit solchen Gedanken
in dir dem armen Menſchen freundliche Augen machst.
Sein Leben möcht’ er geben für dich, der Franz, und
du ~ =! :

Sie schlug die Hände vor das Gesicht und begann
aufgeregt zu ſchluchzen.

Eva sah gedankenvoll auf die Weinende. Dann

drehte sie sich um, legte ſich in ihr Bett. Eine Weile



lag sie ſtill, dann löſchte sie das Licht aus, das sie auf
den Stuhl neben ihrem Lager geſett hatte.

„Du, Fanny, “ sagte sie durch das Dunkel, . wenn
dir am Schicksal meines Bräutigams ſo viel liegt, so
mußt du halt recht fleißig beten, daß der Millionär
bald kommt. Biſt ja ſo fromm = vielleicht hört der
liebe Gott auf dich. Dann iſt der Franz die ſchreck-
liche Gefahr, mich zu kriegen, los. Obwohl ihm ſelber
das gar nicht ſo ſchrecklich zu ſein ſcheint. “

In empörtem Tone klang es zurück: „Er kommt
aber nicht, der Millionär. Geld geht wieder nach
Geld und nicht nach einem glatten G ſichtel. Wenn
du aber Ehr’ im Leib haſt, ſo mußt du dem Neumeier
sagen, wie dir's ums Herz iſt, auch ohne daß der
reiche Mann kommt. Und wenn du's nicht thuſt,
ſo... ſo... bei Gott, so sag ich's ihm!!

. „So!“ gab Eva gedehnt zurück. „Biſt mir ja eine.
recht liebe Schwester, du! Ein Glück, daß mein Franzl“
~ sie betonte das mein ~ „auf mich mehr hört als auf
dich. Und ich würd’ ihm dann sagen, daß du mich
bloß anschwärzen willst bei ihm, weil du ihn ſelber
gern hätt'ſt. Daß du im Schlaf immer mit ihm red ſt
und ihm die qlletkciünſen Namen giebſt . . .“

„Eva !! !“

Der Aufschrei gellte so ſchmerzlich-ſchrill,





Das heißt alles seh'n können, was ſchön
iſt auf der Welt, und vor allem Häßlichen
die Augen zudrücken dürfen. Das heißt
reiſen, das heißt mit Leuten umgehn, die
von was anderem zu reden wiſſen, als vom
G'schäft und von der Wirtschaft, mit Ge-
lehrten, mit Künstlern und so weiter. Und
das heißt vor allem anderen mächtig sein, ſo
mächtig, daß jeder sich Müh’ giebt, gut
Freund zu sein mit dir, und jeder Angst
hat vor deiner Feindschaft. + Und in unſeren
Kleidern gehen, das heißt, nichts haben von
alledem, das heißt ſein Lebtag unten bleiben
müſſen in der Niederung. Das heißt, auch
inwendig verkümmern und verkrüppeln, weil
man vor lauter Sorg’ um Eſſen und Trinken
und Kleider und Zins zu gar keinem g ſcheiten
Gedanken mehr kommt. Das heißt ſo klein
und jämmerlich ſein, daß. jeder ſich die
Schuh an dir abputzt, daß deine Freund-
ſchaft nix gilt und deine Feindſchaft kei-
UU 45554:: U§:
Schlucker als Freund’. Denn ſeine Freund’
müſsen immer in der Angît sein, er pumpt
ſie an, seine Feind’ aber ſind sicher davor.
~ Du, Fanny, was glaubst, wie lang
müßt ein blonder Schnurrbart sein, daß er
einem alles das erſetzen könnt'?“

„Und wo bleibt die Liebe?“ fragte Fanny
tonlos.

„Die Liebe?" antwortete Eva. „An die
glaub’ ich auch nit. Wenigstens nit daran,
daß ſie so glücklich machen kann, wie's in
den Gedichtenbücheln ſteh. Im Anfang
vielleicht. Aber dann denk’ an deine Freun-
din, die Grinzinger. Die waren doch so ver-
liebt ineinander, ſie und ihr Ferdinand, daß









Konrad Ferdinand Meyer +. (S. 306)

heß das Kind in seinem Bettchen unruhig
wurde. .;

Eva murrte mißmutig: „Was ſchreist.
denn so verruckt? Wenn die Kathi erſt
munter wird, kann man wieder eine Stund’
lang kein Aug’ zumachen. Und jett laß
mich in Ruh. Ich will ſchlafen.“

Fanny antwortete nichts mehr. Nur
ab und zu drang ein dumpfer, halb erſtickter

. Ton von ihr zu Eva hinüber, der verriet,

daß die Gekränkte bitter in ihre Kiſſen
weine.
In Eva regte ſich das Mitleid. Sollte
ſie nicht zu ihr hinüber ſchlüpfen, wie ſo
oft schon, und ihr gute Worte geben? Aber
wer hatte Fanny auch geheißen, ſich so gegen
die eigene Schweſter zu stellen + ihr ſogar
zu drohen? Nein, sie hatte nur in der Not-
wehr gehandelt. Sie brauchte nicht um Ver-
zeihung zu bitten.

Als sie dies mit ſich ins reine gebracht
hatte, legte ſie ſich aufs Ohr und ſchlief
bald den feſten, tiefen, ruhigen Schlaf, der
der Schlaf der Gerechten heißt und in Wahr-
heit der “les der guten, ungestörten Ver-

auung iſt.

Drittes Kapitel.

Am anderen Tag gingen die Schwestern
einander aus dem Wege, soweit das in
der kleinen Wohnung möglich war. Fanny
war ſehr blaß und hatte dunkle Ringe um
die Augen. Das wurde aber wenig be-
achtet, denn jeder hatte mit ſich selbst zu
thun. Der Vater mußte frühzeitig auf das
Bureau der Versſicherungsgeſellſchaft, bei der
er angestellt war, der Studioſus Karl auf










 
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