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. übrig, als sich auf den Heimweg zu machen,



















Der schmetterling.
Une

z D . Reinhold Ortmann.

(Fortſezung und Schluß.)






(Nachdruck verboten.)

;. harten Auflachen fort, nachdem sie ein
Ji paar Sekunden lang auf Rudolfs Er-
©) widerung gewartet hatte. ,„JIſt es das
nachträgliche Entſezen über die Gefahr,
in der Sie ſich da beinahe befunden hätten,
/ was Sie ſo ſtumm macht? Oder haben
sf Sie mir wirklich nichts — gar nichts
ô mehr zu sagen?" s

„Doch, Fräulein v. Ranten, ich möchte Ihnen noch
manches sagen, aber ich möchte es nicht thun, ehe Sie
ich beruhigt haben. In Ihrer gegenwärtigen Stim-

mung würden Sie wahrſcheinlich doch jedem meiner

Worte eine falſche Deutung geben und würden für Gleich-
gültigkeit oder Herzloſigkeit nehmen, wes – –
_ Sie hatte nach dem unverhüllten Geſtänd-
nis, das sie ihm ſoeben mit Augen und Mund
gemacht, etwas ganz anderes erwarten müſſen, .
und die demütigende Erkenntnis, daß sie siehe
getäuſcht habe, ließ sie zuſammenzucken wie unter
tnct Feihgut nichts hören, “ fiel ſie ihm
wild in die Rede, „nichts ~ nichts ~ nichts! :
Gehen Sie — lasſſen Sie mich allein! Ich haſſe
Sie + és iſt mir unerträglich, Sie zu ſehen.“

Er verſuchte umſonſt sie zu beſchwichtigen, und
als er darauf beharrte, daß sie jezt mit ihm in
das Thal hinunterginge, lief sie plötzlich davon.
Im nächſten Augenblick ſchon hatte der Nebel sie
verſchlungen, und Rudolf wußte nicht einmal,
welche Richtung er einſchlagen müſsſe, um sie zu
verfolgen. Er ſuchte wohl noch eine Zeitlang
nach ihr und rief wiederholt ihren Namen, aber
er wußte von vornherein, daß es ein ausſichtze.
loſes Beginnen sei. Ohne Zweifel hatte ſie
ket feſten Willen, ſich nicht von ihm finden zu
lassen. : :
So blieb ihm denn zuletzt nichts anderes

von bitterer Reue erfüllt, daß er seiner erſten
Absicht untreu geworden war und ihrer Auffor-
derung überhaupt Folge geleiſtet hatte. Der Ab-
ſtieg war noch mühſeliger als das Heraufklet.Ö
tern, und faſt überall, wo er den Fuß auf das
nackte Gestein sette, war er in Gefahr, ausn
zugleiten. Aber er gewann doch nach und naeh
L GU t gs ts s
Adlerwand. : Ö ;

Da löſte sich unmittelbar hinter ihm eine
dunkle Menſchengeſtalt, die Gestalt eines großen
hageren Mannes, aus dem bergenden Schug

Mun?“ fuhr Fräulein v. Ranten mit einem



eines Felſenvorſprunges, hinter dem sie ſich so lange
verborgen gehalten hatte. Lautlos, mit unhörbaren
Schritten, glitt der Mann auf Rudolf zu und plöt-
lich ~ der Ahnungzsloſe befand sich eben hart an

| dem Geländer, das den schmalen Steig nach der Seite

des furchtbaren Abgrundes hin schütte + warf er

| sich mit der ganzen Kraft seines Körpers gegen den

jungen Rechtsanwalle. |
Rudolf stieß einen Schrei der Ueberraſchung und

| des Schreckens aus und fuhr mit einer blit;ſchnellen,

halb instinktiven Bewegung nach ſeinem hinterlisſtigen
Angreifer herum. Es gelang ihm auch wirklich, ihn
zu packen, aber der Wucht des unerwarteten Anpralls

hatte der junge Mann doch nicht widerſtehen können.

Sie zaumelten beide ſchwer und hestig gegen das Ge-
änder. '

Und die beiden kreuzweiſe übereinander genagelten
Stämmchen, aus denen es beſtand, settten ihnen keinen
rettenden Widerſtand entgegen. Ob es der langſam
zerſtörende Einfluß der Elemente, oder ob es eine
verbrecheriſche Hand geweſen war, die ihre Befeſtigung

gelockert hatte + jedenfalls gaben sie dem Stoße ſo-
fort nach und stürzten zugleich mit den beiden, ſich jetzt

im Fallen eng umklammernden Menſchenkörpern hinab
in die ſchauerliche Tiefe.





f Harl Graf v. Wedel,
der neuernannte deutsche Botſchafter in Rom. (S. 663)



Iahrg. .

Etftes Fiapitelk.

HAltemlos, geiſterbleich und mit angſtentsſtelltem Ge-
ſicht war Lilli v. Ranten gegen neun Uhr in dem
Hauſe erſchienen, wo Rudolf Imberg wohnte. Als
man ihr auf ihre haſtige Frage sagte, der Rechtsanwalt
sei um sechs Uhr fortgegangen und bis jetzt nicht zu-
rückgekehrt, hielt ſie der Wirtin, mit der ſie ſprach,
einen Männerhut entgegen, den sie bis dahin hinter
ihrem Rücken verborgen hatte. : U

„Kennen Sie das?" fragte sie mit ganz tonloſer
Die Frau betrachtete die Kopfbedeckung von allen
Seiten, dann meinte sie: „Ja, wenn mich nicht
alles täuſcht, iſt es Herrn Imbergs Hut. Um GotteeV
willen, Fräulein, wie kommen Sie zu dem? Meinem
Logierherrn iſt doch nicht etwa ein Unglück zugeſtoßgen?“

Lilli lehnte sich gegen den Thürpfoſten. Sie zitterte
ar t v Mute dg stt r. qe us
neben dem niedergebrochenen Schutzgeländer. “

Die Vermieterin war eine entſchloſſene Frau, und
ihr Entsetzen hinderte sie nicht, ſofort alles zu thun, was
ſie auf eine solche Mitteilung hin für geboten hielt.

Binnen kürzester Zeit war das halbe Dorf alar-

miert. Eine Anzahl von Männern, die mit

allem Erforderlichen ausgerüſtet waren, be-
gab ſich ſchleunigſt in die nur für geübte Klet-
terer zugängliche Schlucht, aus der sich beinahe
senkrecht die Adlerwand erhob. Lilli ſelbſt war
nicht mehr im stande gewesen, ſich ihnen anzu-

. schließen, denn ihre Kräfte hatten nur eben noch

ausgereicht, die Schreckenskunde hinab zu bringen.

Sie hatte eines der Mädchen um ein Glas Waſſer

gebeten, aber noch ehe sie es an die Lippen ge.

setzt, war sie umgeſunken, und man hatte die

Ohnmächtige zunächſt auf einem Sofa gebettet.

Sie war noch nicht aus ihrer tiefen Bewußt-
loſigkeit erwacht, als die Kunde kam, man habe
den abgestürzten Stadtherrn gefunden, aber nich

ihn allein, sondern noch einen zweiten, und Jie
hätten ſich so feſt umklammert gehalten, daß es

trennen.

Auf Tragbahren brachte man beide in den
Gaſthof, wo sogleich mehrere Aerzte zur Stelle
waren. Sie brauchten Ranten, der faſt bis zur
Unkenntlichkeit zerſchmettert und entstellt war,
nicht erſt zu unterſuchen, um festzuſtellen, daß
er auf der Stelle tot geweſen sein müſſe. An
Rudolf Imberg aber entdeckten sie zur größten
Ueberraſchung noch ſchwache Lebenszeichen. Die

Hoffnungen auf die Erhaltung dieſes Lebens
freilich schienen bei der Art der Verletzungen,
die man nun in ſorgfältiger Unterſuchung feſt-
stellte, äußerſt gering. Der einheimiſche Arzt
und die beiden fremden Kollegen, die ſich unter
den Sommergäſten befunden hatten, stimmten
darin überein, daß der arme junge Mann es
höchſtens noch ein paar Stunden machen könne,
und daß er vor seinem Ende wohl ſchwerlich
noch einmal zur Beſinnung kommen werde.

nur mit Mühe gelungen sei, sie voneinander z
 
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