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Iahrg. 1899.



Roman

Das

R Georg Hartwig.

(Fortſetung.)



Per kleine Körper ihres

' / glüht, die junge Frau ſelbſt
I fühlte

Seit einigen Tagen konnte
sie ein Gefühl unheilvoller

Ahnung nicht mehr los werden. Es |
ſchlich hinter ihr drein, es ſchlich ihr

zur Seite. Immer war's da und legte
ihr eine Laſt mehr aufs Herz.

„Die Nerven find's, “’ fagte die alte -
Kathrine, deren Kenntnisnahmeſſich nichts
entzog. „Und ein Wunder wär's nicht,

wenn Sie nächſtens ganz fertig wären. Ü
Greta ſchloß das Fenster und ver-
zehrte ihr einfaches Abendessen.

| Da der Kleine ſchlief, holte ſie dann

î_ ihren Nähkorb herbei. Ein weißes Kleid-
chen lag darin, Hänschens Jahrkleid.
Sie allein, die es an dieſer Stelle ge-
fertigt, wußte, wie viel Schmerz und

Gram ihre Augen in das luftige Ge-
webe hatten tropfen laſſen.
Das roſa Schleifenband hatte Ka-

_ thrine heute mitgebracht. Greta zerſchnitt-/
es gedankenverſunken. Ihr war's, als ||
tönten die Worte Niklas Meißners durch (

die Stille: „Wenn du Bekanntiſchaft
machteſt mit dem Elend

Ja, elend war sie! O, wie elend!

Der armſelige Krüppel hatte ihrem

Gatten den Tod angedroht, wenn ſie
. elend durch ihn würde. :

îGretas Hände zitterten heftiger.

Nicht den Tod, Glück hatte Klauſſen

gewonnen für das Elend, welches er

_ ihr ſchuf; ſtrahlendes, wonniges Glück

~ an eines fremden Weibes Herzen.

Wie lieb mußte er dieſe Fremde haben,
daß er ſein Kind darüber vergaß!

Das weiße Kleidchen lag fertig in
Gretas Schoß. Sie starrte darüber hin

_ auf das Streifchen Mondlicht, welches
unm die Fenſterecke ins Zimmer lugte.

Cs war finster im Zimmer.
Kiſſen des Kinderbettchens leuchteten.

Nur die

Plötzlich ein Schrei – ſchwach und

dennoch ſchrillennſ. Die junge Frau

_ Yyprang auf und eilte zu dem Kinde.

Hy„Hänschen !“

Erſchlief fort. Aber ſie fühlte seinen ;

nals Greta es zur Ruhe bettete.
der Sonnenbrand hatte die

—sich ſchwer bedrückt. -

Iluſtrirte Familien:Zeitung.

Dorf kind.

; (Nachdruck verboten.)
Kindes war heiß,

Aber
Luft durch-



Körper in irockener Glut zucken. Hastig zündete sie

Licht an. Das Kind lag mit geſchloſſenen Augen da,

Fieberröte im ſchmerzlich verzogenen Antlitz. Erſchreckt
ſtürzte Greta davon, um die Magd zu wecken, die ſchlaf-

trunken aus ihrer Kammer hervorkam, aber bei der

Kunde, Hänschen sei krank, sogleich lebendig wurde.

Sorgſam legte ſie die Hand auf des Kindes Stirn.
„Na, Hansel, was iſt denn das? ~ Er hat Fieber.
Die Augenzähne kommen, ~ da giebt's leicht ſolche
Geschichten. Ich möchte aber doch den Doktor rufen.“

Greta starrte ſie wie geiſtesabweſend an. Sie
konnte es so ſchnell nicht faſſen, daß zwiſchen dem
letzten glücklichen Gutenachtkuß und dieſer Wandlung
nur Stunden lagen. t

TD.



Kaiserin Elkifabetlh von Feſterreich, Königin von Angarn +.
Rach einer Photographie von Carl Pietz ner, K. K. Hof- und Kami.er-Photograph in Wien. (S. 171)

| nc

konnte ihr entgehen.



Ja !“ stieß sie rauh vor Angst hervor. „Hole In
Er soll sogleich kommen!“ ;
Der Arzt, welcher den Kleinen ſchon etlichemal
behandelt hatte, und das Schicksal der jungen Mutter
von Herzen beklagte, erſchien ohne Zögern. Er war

der Hoffnung, ſich abermals einem leichten Fall gegen- i

übergeſtellt zu sehen.
Gretas Augen hingen weit geöffnet mit ſehnſuchts-

voller Spannung an ſeinen Blicken, bereit, Troſt und

Beruhigung darin zu lesen. Nicht die kleinſte Regung

Plötlich ſchwankte sie und fiel Kathrine in die hastig
sc cr AIs Arzt ihr einige Tropfen kalten Waſſers ;
auf die Stirn ſpritzte, fragte er: „Kön

nen Sie nicht Herrn Klauſſen benaehſ.

richtigen? Aber es muß ſchnell ge-

schehen. Am beſten wär's = iſt nicht

sonst jemand da, den man zur Unter-
ibgung der armen Frau herbeiholen
fönnte?“ :

„Sie hätte wohl einen guten Be-
kannten,“ flüſterte Kathrine, da Greta
ÇnÌnrÛ sich zu regen begann. „Aber der Herr
I iſt ſelber krank. Hingehen will ich aber
P| doch morgen beizeiten.“

Die junge Frau richtete ſich auf.

„Meine liebe Frau Klauſſen, “ sagte
der Arzt, sie bei der Hand nehmend,
„wir müſſen uns immer in Geduld
und Ergebung faſſen. Wollen auch jett
hoffen, daß die Krankheit Ihres Shhn.
chens glücklich vorübergeht. Es iſt eine
Gehirnentzündung, an der er leidet.“

Ihre Unerfahrenheit wußte nichts von

der Gefährlichkeit dieser Krantlheit,
aber itz Mutterherz mit ſeinem Inſtinkt
ahnte sie. :

„Retten Sie ihn, “ murmelte sie mit
erſtickter Stimme. „Es kann nicht ſein.
Eher nimmt Gott mein eigenes Leben &

„Thun Sie jetzt, was ich anordne,“
sagte der Arzt mit ſanster Beſtimmtheit,
tief gerührt von dieſem ſprechenden
Jammer.

„Ja, alles - alles! Nur geſund
werden muß er.“

Die Thränen, welche ihre Augen
nicht weinen konnten, brannten ſchmerz-
haft in ihrer Bruſt, so daß ſie auf-
stöhnen mußte vor innerer Qual.

„Ich habe nur noch mein Kinn. Es
iſt das lelzte, was Gott mir gelassen
hat auf Erden. Eltern, Bruder alle
find tot. Ich ſtehe verlaſſen und allein
da mit meinem Kinde. Sie wiſſen nicht,
wie lieb ich es habe!"

„Doch !“ sagte er bewegt. „Aber ich
muß thun, was meine Pflic,. iſi! Sie vor-
bereiten auf die Schwere des Falles. " —

Die Sonne stieg empor. Ein ge-
witterſchwüler Tag brach an. Schwüle
laſtete auch in dem Himmer, über das
 
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