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Heft 6. Illuſtrirte Familien-Zeitung.

Das DorfkKingd.

Von

Gerura Bartwig.

(Fortsetzung.)




) f Nachdruc Ü Â
: M;. Marquise unterdrückte i “roßer Selbſt:
beherrſchung vas schier unbezwingliche
/ Verlangen, Klauſſen nachzueilen und an
V3 ihrem Arm zurückzuführen. Sie war
VES froh, als Florence eintrat.

Iûs : "Aus Y Furauet“. aner

„In einer Stunde t hu ich zum franzöſiſchen Bot-
schafter. Der letzte Karton aus Paris, ſchnell !“

„In fünf Minuten wird Madame koiffiert werden, “
liſpelte Florence und beeilte ſich, das Ankleidezimmer
ft zzuhtes. mit leidenſchaftlicher Haſt ans Fenſter,

als könne sie Klauſſens Gestalt noch unter den junge

knoſpenden Bäumen hinſtürmen ſehen. Sie lauſchte.
Der Aprilwind wehte lind durch die Sternennacht. Ein
Springbrunnen plätſcherte. Es war, als ob alle Adern
der Natur in Lenzwonne aufbrechen wollten. Wie das
Flüstern der Liebe klang's. :

Die Marquise preßte die Lippen aufeinander. Sie

hatte den höchſten Einſat gewagt. Wenn ihre Vor-
aussetzung nicht zutraf? Ihre Unruhe beſänftigte sich
an der Vorstellung, daß er litt, unerträglich litt. Er
mußte seine Ketten zerreißen.

Als Jnes ſchon im Begriff stand, die Treppe hinab-
zuſteigen, wandte ſie ſich mit raſchem Entſchluß noch
einmal zu ihrer Kammerfrau. „Benüyten Sie die Zeit.
Mir verlaſſen Berlin morgen mit dem Orient-Expreß-
zug. Halten Sie alles bereit.“ ... ;

„So muß es sein, “ ſagte die junge Frau im Wagen
zu ſich ſelber. „Der Schnitt muß scharf sein. Wollen
doch sehen, ob eine ſentimentale Närrin und ein ver-
uytstloſcr Schreier den jungen Adler festhalten können
in ihrem Neft."

f Sie ſchleß die Augen und träumte von kommendem
ück. ~

Die ablenkende Zerſtreuung, welche die Marquise
erzwingen wollte, bot ihr die glänzende Soiree in. den
Räumen des franzöſiſchen Botſchaftshotels in reichem
Maße. Nicht einen Augenblick blieb sie fortan ſich
selbſt überlassen.

Eine hohe Geſtalt trat auf sie zu.

Sie wandte sich mit unangenehmſter Ueberraſchung
S s z vu tes
Zuſammentreffen ahnen können, lieber Marquis, ſo
hätte ich mir eine Sicherheitswache ſtellen lasſen. Denn
ein Mann, der den Sport betreibt, mein Hotel zu
jeder Tageszeit zu ſtiurmen

Seine dunklen Augen sprühten unter den dichten
Brauen einen Blick unersſättlichen Haſſes in ihr herr-
liches Antlitz.



Dienſteifer. (S. 139)
Nach einem Gemälde von Karl Müller-Hamburg.




 
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