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Jahrg. 1899.



Ams Geld.

Roman aus dem Wiener Leben.
Von :

Guſtav Iohannes Krauß.

W (Fortſezung.)

z (Nachdruck verboten.)



Neuntes. Kapitel.

§ udi Hohenberger lief ſchon vor zwölf Uhr
.) in der alten Kastanienallee des Augar-
tens, von der aus er den Eingang im




geputzt, wie ein Feſtredner.



[Vs S Auge behalten konnte, ruhelos auf und
GU ab. Er hatte sich heraus-

Illu]ſtrirte Familien-Zeitung.

lieben weiten Welt! – Das G sichterl . . . wie zum
Malet! > Wenn ein Bildhauer das sieht, so wird er
verrückt !“

„Aber Herr Hohenberger!“ lispelte Eva.

ghet denn, Herzerl?“ fragte der Liebhaber gur-
rend.

„Sie sollen mich nicht ſo ansehen, “ antwortete Eva
leiſee. „Und nicht so reden. Ich bringe ſonſt kein
Wort heraus und kann Sie gar nicht anſchauen vor
Verlegenheit. “ :

„Du mein liebes, ſüßes Kinderl!“ raunte Hohen-
berger, entzückt von dieser mädchenhaften Scheu. „Das
wär’ ja aber das reine Unglück für mich. Ich bin ja
so närriſch verliebt in deine lieben, ſüßen Guckaugerln.“

Während dieſes Geſprächs waren ſie in eine ſtille



Seitenallee gekommen, in der weit und breit kein Menſch
zu sehen war. Unter einem mit tauſend blauen Blüten-
dolden prangenden Fliederbuſch stand eine Bank, auf
die setzten sie sich.

_ Hohenberger begann damit, Eva in ſeine Arme zu
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herabbeugte, um sie zu küſſen, fuhr sie zuſammen-
ſchreckend empor.

„Nein + nein > nein!"

„Aber Everl!“ flehte Hohenberger.

„Nein, nein! - + Das wär' gegen die Treue, die
ich meinem Bräutigam ſchuldig bin.“

Die Erwähnung des Bräutigams brachte Hohen-
bergers Blut zum Sieden. Mit rotem Kopfe und
blizenden Augen knirſchte er: „Aber das
iſt ja Unſinn! -- . Dieſer Bengel...



/ Ueber zwei Stunden war Fein
geschickter Jean an ihm thätig gewesen.
Dafür lobte das Werk aber auch den
Meiſter. Die Krähenfüße in den Augen-
winkeln Hohenbergers waren ſelbſt jetzt, im
hellen Tageslichte, nur zu bemerken, wenn
man ganz genau hinſah. Die Geſichts-
farbe war von faſt natürlicher Friſche,
der ſchwarze Schnurrbart war in feinem
Schwunge kühn und zierlich zugleich, der
Rock saß prachtvoll in den Hüften und
über den Schultern, die Längsfalte der
hellen Beinkleider fiel ſo elegant auf den
Lackstiefel hinunter, als hätte Viktor Tilg-
ner oder ſonst ein berühmter Bildhauer
ſie in den feinen Stoff gebügelt.

Im Bewußtsein dieſer tadelloſen Außen-
seite, die Bruſt von der Hoffnung auf ein
Stelldichein mit seiner ſchönen Eva ge-
ſchwellt, war Herr Rudi so guter Dinge
wie ſchon lange nicht. Dazu ſchien die
Sonne so ſchön warm auf den Rasenplatz
drüben, hier unter den mächtigen Bäumen
war es ſo ſchön kühl, die Vögel ſangen,
und wenn ein Lüftchen sich regte, kamen
ganze Wogen ſchweren Blumenduftes in
den Baumgang gesſtrömt. Die Welt war
so ſchón, daß der Alte sich schier wieder
jung fühlte.

Kam dort nicht Eva?

Er kniff haſtig das Monocle ins Auge
und spähte nach einer hellen Gestalt, die
eben in den Eingang getreten war und
[tt qt tu Ketes fiſher ct Reſer
Sie war's wirklicht Und wie entzückend
das Mädel wieder ausſah ~ zum Anbeißen!

Er flatterte ihr entgegen, führte die
von dem sommerlichen Halbhandſchuh frei-
gelaſſenen Finger ihrer Rechten an ſeine
Lippen und blieb dann, in begeistertes An-
schauen verſunken, vor ihr ſtehen.

„Wie lieb von Ihnen, Everl, daß Sie
gekommen sind! –~ Und wie ſüß Sie
wieder ausſchauen! . So was giebt's





Kannſt du denn nicht los von ihm, Everl?
Mein Vorſchlag mit dem Theater . . ."

Das Mädchen ſchüttelte hoſfnungslos
den Kopf. „Das iſt unmöglich!" sagte sie
tonlos. „Wie ich Ihnen ſchon geſchrieben
habe - ich hab’ kein Talent. Und dann
. mein Vater würde mich tot ſchlagen,
wenn ich ihm ſagen wollte, ich löſte meine
Verlobung auf und wolle zur Bühne gehen. Ü

„Ist er denn wirklich ſo grob, dein
Vater?“ fragte Hohenberger bedrückt.

„Fürchterlich grob!“ antwortete Eva
zuſammenſchaudernd. „Und Fo jähzornig.“
Dann fragte sie, erſtaunt aufblickend:
„Aber woher wiſſen Sie denn das?"

Ba ... ich ... hm ...! es patte
Hohenberger nicht recht in den Kram, ein-
zugeſtehen, daß er ſich beim Direktor nach
Evas Vater erkundigt hatte.

Das Mädchen zwang ihm das Bekennt-
nis aber ab. „Richtig!“ ſagte ſte, „der
Vater hat ja geſtern erzählt, daß Sie bei
seinem Direktor waren, und die Alten nach-
geſehen worden ſind. “

Hohenberger verwünſchte im ſtillen die
unheimliche Eigenschaft der Bureaus, die
Kunde von dem, was die großen Herren
thun und laſſen, mit der Geſchwindigkeit
des elektriſchen Stromes durch alle Amts-
sſtuben fortzuleiten, deren Inſaſſen das
wichtige Ereignis dann am häuslichen Herde
ü sti! riwortete er: „Na
ja – ich war dort. Man . .. man uuill
ys§). wiſſen, mit wem man es zu thun
hat.

Eva hatte für den Augenblick keine
Veranlaſſung, die Sache weiter zu verfelgen.
Sie ſchlug die ſchönen Augen nieder und
ſagte seufzend: „Wenn sein Direktor ſchon
weiß, daß er grob iſt, dann können Sie ſich
vorſtellen, Herr Hohenberger, wie er zu
Hauſe iſt. Namentlich gegen uns Kinder.
Sein Wille iſt Geſet, Widerſpruch giebt's
nicht. Und darum iſt gar nicht daran zu





nicht zum zweitenmal auf der ganzen

Bilhelm Jordan. (S. 354)

denken, daß ich zur Bühne gehe.“
 
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