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Hand gepatt, der Leuchter entglitt ihr.

aber glaubte noch immer den duntlen

fallen zu ſehen.

















Heft 12.

Illuſtrirte Harreli

















-



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nn.



Iahrg. 1899.



DorfKino.

D Roman
von

72, HGrourg Hartwig.

(Fortſezung u. Schluß.)

V ] M L 4,9
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|



(Nachdruck verboten.)
nes war in ihr Zimmer zurückgekehrt. Sie
fühlte, daß kein Maßstab an dieſe ungeheuer-

'// I!
“ / liche Beichte heranreiche, daß sie einen

Z; Triumph ausgekoſtet, der ein-

( zig. R seiner Abſcheulichkeit
aſtand.

§ In ihrem Boudoir blieb
ſie wie in Gedanken verloren einen Mo-
ment ſtehen. Dann hob ſie einen Leuch-
ter uss Tiſch und trat mit ihm vor den
Spiegel.

"Wie sie in das Glas hineinſah,
schwebte Gretas holdseliges Antlitz, lachen-
den Mundes und glücklichen Blickes, ihr
ſo deutlich vor Augen, daß Ines és
utbet ihrem Gesicht im Spiegel zu sehen

aubte.

G Waren diese von Ueberreizung ge-
ſchärften Züge wirklich die ihren? Diese
wachsfarbenen Züge mit den dunklen
Schatten um die Lider, um die Lippen?

Sie erſchrak. Was ihr da entgegen-
ſtarrte, war's nicht ein Bild des Ver-
falls, als sei das Alter vorzeitig vor sie
hingetreten? Ines fühlte ſich von seiner



. Das Licht erlosch.

Sie trat ins Ankleidezimmer. Der
weiße Teppich mit seinen Roſenranken
ſchimmerte fleckenlos am Boden. Jnes

îStchatten Fritz Chlers gesſpenſtiſch darüber

Bis zu ihren Füßen
reckte er ſich hin.

| Sie riß die Glocke vom Tiſch und

läutete heftig.

Florence huſchte herein und leistete
ihrer Gebieterin die gewohnten Dienſte.
Die ſchlimme Wetterwolke auf Ines’ Stirn
larate ſie, wie ſonst vertraulich zu plau-
dern.
y„HJſt noch jemand auf außer Ihnen?"

„Nein, Madame. August iſt soeben
voin Herrn entlaſſen worden. .

„Gut. Sie können gehen. “

Jnes warf sich in den Seſſel und
ergriff einen Roman. Kaum aber hatte
die Kammerfrau ſich entfernt, als sie mit
ſchlechtgedämpftem Schrei aus den Pol-
ſtern emporſprang. ;

Anstürmen ſah ſie ihr Verderben,
gegen welches es keine Hilfe, kein Ent-



Iſolde.

weichen gab. Ueber ihrem Haupte fühlte sie es zu-
ſammenſchlagen.

Sie bereute ihren Betrug nicht. Das rechtmäßige
Testament Erneſt Beauremonlts, welches ihr eine Jahres-
rente auswarf, kaum hinreichend für ihren Bedarf an
Blumen und Handſchuhen, war nichts beſſeres wert
gewesen als den Holzbrand im Kamin.

Nein, dieſe Handlung bereute sie nicht. Aber etwas
anderes bereute sie: nicht zugepackt zu haben, um das
ſchwache Leben ihres Feindes zu vernichten, als er
tt qa deſ Feel bort kap. §c Bekenntnis hätte
entgegenſchleudern können!

Die Höhe ihrer Verzweiflung ließ sie laut auflachen.



Nach einem Gemälde von Alfred Seifert. (S.

en-Zeitn



Es gab keine Rettung mehr. So weit konnte ſie nicht
von der Höhe ihres Triumphes herabſteigen bis zur.
demütigen Bitte an die Gnade der Beauremonts, dem
Hetu r ‘Marquit ſh z1c6t fteizgchen: é '
Shtüßel a al iter Uotther d Ut ers ent
wesen, bevor der alte, gebrechliche Mann ihr seine
Millionen in den. Schoß streute? Die Erinnerung
an fiele zeuutihe Zeit des Darbens durchſchüttelte
ie mit Grauen. :
Und neben der finsteren Gestalt des Mangels reckten
ſich jet die rächenden Hände der beleidigten Gerechtig-
keit nach ihr aus. Wo die Stätte finden, ſich ihrem
Griff zu entziehen? Nur im Grabe – sonst nirgends.

Was iſt der Tod?

Sie starrte vor ſich hin, die Arme
auf der Bruſt gekreuzt.

Ein Flüchten vor der Geierkralle des
Alters; ein Flüchten aus der Gewalt der
Menſchen und Verhältnisse. Ein Ueber-
trumpfen des Schicksals.

Ihre Gedanken durchjagten in wilder
Haſt das drohende Arſenal des Todes.
Sterben, ohne es zu wissen, deſſen war
ſie fähig. Hintaumeln wollte sie, aber
nicht hinſchreiten.

: Hatte Florence nicht von einem Mittel
geſprochen, das ihre Gliederſchmerzen be-
täubte und Schlaf herbeizwang? Das
war das rechte.

Jnes griff zur Schelle.

„ZFch sühle mich todkrank nach dem
Schrecken dieſes Abends, nach der Be-
gegnung mit jenem – Hektor Beaure-
mont,“ sagte sie, als Florence eintrat.
„Ich brauche ein Mittel, das mir Schlaf
bringt. Von ſelbſt fände ich keine Ruhe. “

Die Kammerfrau nickte überzeugt.
„Madame ſehen ſehr leidend aus |“

„Sie haben Tropfen gegen ſolche
Ueberreizungen der Nerven. Ich mill
davon nehmen. Mir ſchwindelt der Kopf.
Geben Sie mir das JFläſchchen. “

„Madame müſssen davon erſt nehmen,
wenn Sie im Bett liegen. Der Schlaf
kommt bald.“

„Desto besſer. Ich will mit einer
leichten Doſis den Verſuch machen. Wo
iſt das Flacon?"

ztHisr. Darf ich die Tropfen ab-
ählen !“

Ö hte! nehme für jezt nur die Hälfte, Ü“
ſagte Jnes, bitter lächelnd. „Legen Sie
mir eine Decke über die Chaiſelongue.
Fühle ich keine Wirkung, werden Sie
gerufen werden. Stellen Sie Flacon
und Löffel in Bereitschaft neben mich.“

Florence widersſtrebte dem Befehl.

„Madame, ein Bekannter, der Apotheker-
gehilfe iſt, hat mir heimlich ohne ärzt-
liche Vorschrift diese Tropfen gegeben.
Ich darf ſie nicht aus der Hand lassen.“

„Sie können morgen meinen Dienſt


 
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