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Illu]ſtrirte Familien-Zeitung.

Jahrg. 1899.





Das DorfKinod.

Roman

von
Georg Bartwig.
§ (Fortſeßung. )

I § (Nachdruck verboten.)
< gebe zu, daß die Kleine allerliebſt war,“

| sagte Olaf nach langem Schweigen zu ſei-
nem Freunde. :

18:: td „Wirklich?“ verſetzte Klauſſen ſpöttiſch und
S ſchlug seine dunklen Augen mit heißem
B Glanze vom Boden auf. „Nun ~ nimm 's

nicht übel – was euresgleichen „allerliebſt“

nennt, das hat gar keinen, aber auch gar
keinen Bezug auf dieſes holdselige Geſchöpf. Du begreifst
das nicht? Natürlich! Ihr ſeht ja nicht mit geiſtigen
Augen, und eure leiblichen kennen keinen anderen Maßſtab,
als den eures philiströseän Geschmackes. „Allerliebſt“
iſt in diesem Fall die reine Läsſterung! Göttlich-ſchön
iſt das richtige Wort. Das haben die Maler
aller Zeiten bewiesen, indem sie ihren Madonnen
dieſe Art Gesichter verliehen. “ :

„Mag sein. Aber noch nicht einmal die
Augen haben wir geſehen !“ j

„Ja, die Augen!“ rief Klauſſen, ihn am
Arm fasſend, mit leuchtendem Blick. „Die Augen!
Siehst du, das iſt für mich jetzt das ſüßeſte
Rätsel. Ich dichte ihr die verſchiedenſten Augen
an. Wenn sie braun wären –~

„Braune Augen stören mich allemal bei hoch-
blondem Haar,“ sagte Olaf trocken. „Jch würde
mich nie in ein ſolches Mädchen verlieben können. “

„Natürlich!“ lachte Klauſſen. „Du hast dir
da eine Schablone zurecht gemacht und legst sie
nun pflichttreu an. Du biſt mir der Rechte! ~
Menſch, haſt du denn einen Begriff, was alles
zuſammenwirken muß, um das ideal Schönſte,
die Harmonie, an einer menſchlichen Gestalt her-
vorzuzaubern ?“

„Ich weiß nicht, ob mir dieſes Begriffs-
vermögen innewohnt, aber das weiß ich beſtimmt,
daß ich ſo raſch, wie du, nie verliebt sein könnte.“

„Verliebt?“ rief der Maler, die Haare von
der heißgewordenen Stirn ſtreichend. .

„Na, was denn anderes? Einfach verliebt
biſt du in das hübſche Dorfkind, “ sagte Olaf
ruhig. „Ob nun als Künſtler oder Menſch,
macht für mich wenig Unterſchied. – Aber um
wieder auf unsere eigene Angelegenheit zu kom-
men: ich hoffe, morgen werden wir ſo weit ſein,
um nach Hochwald zu unſeren Koffern zu ſpazieren. “

„Das ſieht dir wieder ähnlich !“ rief Klauſsen,
ſich auf dem Absatz herumdrehend. „Ich bitte dich,
verdirb uns wenigstens diese einzige Frohſtunde
nicht mit deiner Sorge um Hemden und Strümpfe. Be-
trachte mich als Versicherungsgeſellſchaft für verloren
ß): Fribwähche. Hier iſt's ja ſo ſchön, ſo märchen-

aft ſchön !" ;










„HBeſonders ich in diesem Anzug, der mir nirgends

paßt, in dem ich als Vogelſcheuche dienen könnte,“
üs Kut. yj Hef zauttelud hier in der Bruſt

Jubeltag iſt! Wer kennt uns denn? Kommt's denn

auf ein paar Tage an? Wir ſind ja doch Freiherren.
Oder laſſen wir die Sachen von Hochwald hierher kom-
men !“ /

„Biſt du toll? Eher ließe ich dich heute noch im
Stich samt deinem neueſten Ideal. “

„Nun also, so geben wir beide etwas nach.“

„Das heißt, du willst deine Madonna noch einmal
sehen, sprechen und, wenn's ſein kann, eine Skizze von
ihr anfertigen, nicht wahr?“ é

„Ja, genau das! Alſo abgemacht. Wir bleiben
zwei Tage an Ort und Stelle, bis dahin ſchaffe ich
Gelegenheit. Morgen ſchlüpfen wir übrigens wieder
in unsere eigenen Häute, dir zum Troſt.“

Inzwiſchen hatte ihnen das Waldreich seine grünen
Thore weit geöffnet. Tempelstill war's in der schattigen
Kühle. Selbſt der Wind säuſelte nicht mehr durch die
Zweige zu Häupten der eintretenden Wanderer.

Klauſſen war in eigentümlicher Stimmung. Laut
stimmte er ein fröhliches Lied an, um gleich darauf



Dr. v. ZBuchka,
der neue Direktor der Kolonialabteilung des deutſchen Auswärtigen Amtes. (S. 35)

ſchweigend vor sich hinzuſtarren.
Bemerkung Olafs lachte er bis zu Thränen, während
er für einen trockenen Witz desſelben nur ein gleich-
gültiges Achſelzucken hatte. :



Ueber eine ernſte



Der biedere Harmſſen achtete wenig darauf. Er

schritt seinen geraden Weg fürbaß, just ſo wie er's
im chen that, ohne zu blenden und ohne geblendet
u werden.
Ö Das Schickſal hatte ihn früh auf eigene Füße ge-
stelle. Etwas Pedanterie lief da von ſelbſt mit unter,
als er im Knabenalter mit aller Energie begann, einem
bestimmten Ziele zuzuſtreben. Immer in den Grenzen
des Könnens und immer zufrieden mit dem Erreichten,
nachsichtiger gegen andere als gegen sich ſelbſt. Ge-
ſchmeidigkeit besaß er nicht, aber seine knorrige Art
that niemandem weh. Sie war wie ein handfeſter
Eichenholzſtabs der Angreifer ebenſo gut abwehren
konnte, als Vertrauenden zum Schuy dienen.

Daß er kein sonderlich hübſcher Menſch war mit
seinem sommerlich kahl geſchorenen rotblonden Haupt
und kräftig geschnittenen Zügen, wußte er wohl. Aber
Tt drs. dhe fd St kde
Vermögen, welches ihn jeden Tag in den Stand ſetzte,
ein häusliches Glück zu begründen.
qu ht hit. Fletch Of tun:
Weib als Lebensgefährtin neben ihm stehen würde,

fühlte er im Herzen die noch zu beſetzende Stelle
warm erglühen. ~
Zur Mittagszeit kehrten die Freunde ins Leh-
hh uud met! auch ru
pfing die jungen Leute mit freundlichem Gruße.
Jetzt beim hellen Tageslicht erſchien er bei weitem
; kezhücte als im Lampenſchein des verfloſſenen
ends.
„Willkommen, meine werten Herren!“ sagte
er, und seine Stimme klang erſchöpft von dem

unser beſcheidenes Mahl zu teilen.“

Olaf drückte ihm die Hand. „Unser Appe-
tit, verehrter Herr Lehrer, verſpricht ſo ausge-
zeichnete Leiſtungen, daß ich Ihre Gaſtfreund-
ſchaft im voraus bedaure. Dieſes Hungergefühl
iſt für mich immer eines der ſchönſten gewesen,
[bat ein gedeckter Tiſch in angenehmer Aus-
icht war. |

Brehmer lächelte. „Will's Gott, werden Sie's
auch hier nicht beklagen. Machen wir gleich die
Probe. Da kommt die Suppe.“

Die jungen Leute, welche bis dahin der Thür
den Rücken zugewandt hatten, vollzogen unwill-
kürlich eine leichte Schwenkung nach der bezeich-
neten Richtung – Olaf mit einem Ausruf der
Ueberraſchung, wobei er mehr ſeinen Freund ins
Auge faßte, als die Erſcheinung auf der Schwelle,
Klauſſen mit ſtummem Auſfstrahlen seiner Züge,
als ob eine bis zur Atemlosigkeit gesteigerte
Yflerraſunsg ihm keinen Ton zur Verfügung
ieße.

Denn das junge Mädchen, das, eine dampfende
Suppenſchüſſel in beiden Händen haltend, ſich

dem Tiſche näherte, war das liebreizende Mädchen unter
dem Roſendach, die Madonnenerſcheinung von heute

moroet bitte, liebe Herren,“ sagte Brehmer, dem



Vorleſen der Predigt. „Laſſen Sie ſich's gefallenen.
 
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