Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext






























uſt













Der Schmetterling.

| Novelle
2 . Reinhold Ortmann.
êqGortfehung)





1.3 (Nachdruck verboten.)
/as werden wir sehen, ob Sie belohnt
z oder bestraft werden,“ entgegnete Lilli
v. Ranten dem Rechtsanwalt. „Eins oder
das andere gewiß ~ und vielleicht auch
beides. Aber Sie werden sehr viel Scharf.
sinn aufwenden müſſen, um zu meinem
ùLieblingsplätzchen zu gelangen.“
~- Völlig verwirrt von dem Jqüßen Lächeln,
daz ihre letzten Worte begleitet hatte, kehrte Rudolf
zu dem Studiengenoſſen zurück, der ihn mit scherz-
haften Vorwürfen empfing. ;
„So also sehen die charakterfeſten Leute aus ! Vor-
hin nahmſt du es beinahe für eine Beleidigung, daß
ich dir zumutete, zu tanzen. Aber du darfst mildernde
Umſtände für dich geltend machen, das gebe ich zu.
_ Elin reizenderes Mädchen iſt mir ſeit langem nicht vor-
. gekommen. Wer iſt ſie denn?“

_ HJ Hin Fräulein v. Ranten, “ sagte Rudolf kurz, denn WI
er fühlte ſich unangenehm berührt durch den Ton, in ||
welchem Doktor Stahlſchmidt von Lilli sprach. „Weitere
Auskunft aber kann ich dir leider nicht geben, denn
meine Bekanntſchaft mit ihr datiert erſt seit geſtern
und iſt eine ganz oberflächtihken...

y„Hirklich? Es ſah, offen gestanden, nicht so aus.
_ Die Kleine hat ja ein Paar prachtvolle Augen, und
_ ie weiß guten Gebrauch von ihnen zu machen. Ich
werde mich doch 'mal ein bißchen nach ihr erkundigen. “
Die Geſellſchaft des redſeligen Freundes war Rudolf
ganz unerträglich geworden, und er machte sich von
ien los, ohne erſt lange nach einem Vorwande zu
uchen. ; .
| e er iſt tüchtig verſchoſſen, “ dachte Doktor Stahl:
ſchmidt, indem er ihm lächelnd nachblickte. „Und die
kleine Wetterhexe hat es auch ganz offenbar auf ihn
abgesehen. Für eine Bekanntſchaft von vierundzwanzig
Stunden wenigstens war das Augenſpiel doch ſchon
ein bißchen allzu lebhaft und ausdrucksvoll. " ;
. Während des ganzen folgenden Tages stieg Rudolf
_ . JImberg in den Bergen umher, um Lilli v. Rantens
Märchenſchloß zu finden. Als er an dem Marterl auf
der Adlerwand vorüberkam, las er bewegt die In-
ſchrift, die von dem jähen Ende eines hoffnungsvollen
jungen Menſchenlebens erzählte. Eine leiſe Empfindung
_ des Grauens durchzitterte seine Seele, als er über das
roh gefügte Geländer hinweg in die ſchauerliche Tiefe
blickte, die mit ihren unten vorspringenden Klippen
und Schroffen allerdings jedem hier Abgestürzten ſicheren
_ Tod verhieß. Aber das ſehnſüchtige Verlangen, das
_ ihn heraufgeführt hatte, gab seinen Gedanken bald
wieder eine andere Richtunn.
. Er verfolgte den Pfad, der offenbar sehr wenig
begangen wax, und der immer beschwerlicher wurde,



_ ODPhnotograptiiererlag von Franz Fanfstaengl in München.

Spielgefährten. Nach einem Gemälde von Hugo Oehmichen. (S. 643)

%
 
Annotationen