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Heft 2.

Unterbrecher erreichbar, und man mit der Handhabung des-
selben vertraut iſt. Ist dieſes nicht möglich, so ſuche man
den Verunglückten in nachſtehender Weise von der Leitung
zu befreien. Man berühre die betreffende Person nicht dirett
mit den bloßen Händen, damit der elektriſche Strom nicht
auch auf den Hilfebringenden übergeleitet wird, sondern er-
faſſe den Verunglückten, wenn Gummihandſchuhe nicht zur
Stelle ſind, an den Kleidern, oder bilde aus trockenen Klei-
dungsstücken eine Zwischenlage, mit welcher man denselben
angreift, und ziehe ihn von der Leitung ab. Kann man den
Betäubten nicht von der Leitung wegbekommen, so hebe man,
wie vorher angegeben, mit den geschützten Händen den Kör-
per oder das betreffende Glied von der Erde ab. Gewöhn-
lich wird dadurch der Leitungsweg durch den Körper des
Verunglückten unterbrochen und man bekommt denselben jett
leicht von der Leitung ab. Wird aber mit dieſen Maßnah-
men kein Erfolg erzielt, ſo bringe man zwiſchen den Körper
des Betäubten und die Erde eine nichtleitende Zwiſchenlage,
wie trockene Kleider in genügender Dicke und Breite, Matratzen,
Kissen oder trockene Bretter, und wiederhole nun den Verſuch,
ihn von der elektriſchen Leitung abzulöſen. Sowie der Kör-
per von der ſtromführenden Leitung befreit ist, entblöße man
den Hals von den Kleidungsstücken und wende nun die künſt-
liche Atmung an. Man hat dabei den Mund des Verun-

Welsſtechen bei Gewitter. Originalzeichnung von F. Sch le g e l. (S. 51)

ſchimpflich geltende Amt übernehmen, obgleich mit dem
Poſten ein recht gutes Gehalt verbunden war.

Im Kriwinalgefängnis zu Corte saßen damals drei von
der Juſtiz zum Tode verurteilte Mörder, deren Hinrichtung
in Ermangelung eines Henters nicht stattfinden konnte. Im
hohen Rate der Inſel, unter Paolis Vorsitz, kam man endlich,
um die Verlegenheit zu beseitigen, zu dem Beschluß, einen
dieser Mörder zu begnadigen, unter der Bedingung, daß er
für Lebenszeit das Henkeramt übernehme und damit den An-
fang mache, die anderen beiden Verurteilten zu hängen.
Man wandte ſich alſo deshalb an einen der Missethäter.

Dieser antwortete: „Ich will nicht Henker von Korsika wer-

den, denn dadurch würde ja ich ſelbſt und auch meine ganze
Verwandtschaft entehrt. Man würde mich verachten."

„Ihr wollt also lieber selbſt gehängt werden ?"

„Ja, ganz gewiß! Das ist mir weniger unangenehm."

Darauf trat man mit dem gleichen Vorſchlag an den
zweiten, dann auch an den dritten Verurteilten heran. Beide
gaben ohne langes Besinnen dieselbe entschieden ablehnende
Erklärung : „Lieber den Tod, als solchen Schimpf!" ,

Die Verlegenheit konnte alſo vorläufig nicht beseitigt
werden.

Da fügte es ſich, daß ein ſizilianiſcher Matroſe von Palermo
mit einem Schiffe nach Korſika kam und dort im Streite
einen Menſchen erſtach. Man verurteilte ihn deshalb zu viel-
jähriger Zwangsarbeit, fragte ihn aber dann, ob er vielleicht
bereit ſei, sich begnadigen zu laſſen und in solchem Falle
wohlbestallter Henker von Korſika zu werden. Dazu erklärte
er sich bereit, So konnten denn nun endlich die drei zum





D a s B u < f üx. Alke.

glückten zu öffnen, den vorderen Teil der Zunge zu erfassen,
wobei man die Finger am besten mit einem Tuch umwitkelt,
um die Zunge herauszuziehen, die man dann wieder lang-

sam zurückgleiten läßt. Es ist namentlich darauf zu achten,

daß die Zungenwurzel bewegt und nach vorn gezogen wird.
Dieses Verfahren iſt längere Zeit und zwar ungefähr sechzehn-
mal in der Minute fortzuſezen. Sind die Zähne zuſammen-
gepreßt, ſo daß sie mit der Hand nicht voneinander getrennt
werden können, so hat man zwischen sie in ſchonender Weise
ein Stück Holz einzuſchieben, und so den Mund zu öffnen.

Irgendwelche Flüſſigkeiten ſind dem Bewußtlosen nicht zu
verabreichen, weil sie leicht in die Luftröhre gelangen könn-
. Itttrlie iſt außerdem so ſchnell wie möglich ein Arzt
erbeizuholen.

ite wirkſam diese Art der künſtlichen Atmung ist, mag
folgender Vorfall zeigen. Ein Arbeiter, der auf der elektri-
schen Station von Saint Denis einen Telegraphendraht be-
feſtigen wollte, hatte dabei mit der Hand eine vorüberführende
elektrische Leitung ergriffen und war zu gleicher Zeit mit dem
Telegraphendraht an eine zweite elektriſche Leitung gekommen.
Der Strom war dadurch geſchloſſen worden und durch die
Hand und den Körper in die Erde gegangen. Der Arbeiter
hatte einen Strom von 4500 Volt mit etwa 55 Wechseln in
der Sekunde wahrscheinlich einige Minuten lang erhalten, und





Tode Verurteilten gehängt werden, von welchen es jeder
standhaft verſchmäht hatte, sein Leben zu retten durch
Uebernahme eines von ihnen für so ſchimpflich gehaltenen
Amtes. F. L.
gcLaut angelkkopft. + Ein martialiſcher Herr war Mark-
graf Albrecht Alcibiades von Brandenburg (1522 bis 1555),
der sich einſt bei dem Magiſtrate der Stadt Cölln auf ori-
ginelle Weiſe Respekt zu verschaffen wußte. Eines Tages
suchte der Markgraf die Ratsherren der Stadt zur Sitzungs-
stunde vergeblich auf dem Rathauſe. Sie saßen beim Wein-
krug in einer Schenke, sich beim Würfelspiel unterhaltend.
Plötzlich fuhr klirrend ein Geschoß durch die Fenſterſcheiben
und schlug in die Decke ein, ſo daß die Herren erschrocken
die Würfel zu Boden rollen ließen und entsezt über das
frevelhafte Attentat zum Fenster eilten. Da erblickten sie
auf der entgegengesetten Seite der Straße den Markgrafen
Albrecht, seine abgeſchoſſene, noch rauchende Handbüchſe in
der Hand. Seine Kugel hatte die Spieler etwas unsanft an
die verabſäumten Amtspflichten erinnert.

„Nun, soll ich zum zweitenmal bei den Herren an-
klopfen ?" lachte der Markgraf, als die Ratsherren sprachlos
zum Fenster hinausſtarrten. Als sie dann kleinlaut auf die
Straße eilten, schritt er in ihrer Mitte, als sei nichts ge-
schehen, dem Rathauſe zu. . I. W.

Hahnemann und der Lord. + Der Erfinder der Ho-
möopathie, Chriſtian Friedrich Hahnemann (+ 1843), brachte
seine letten Lebensjahre in Paris zu. Die Uebersiedelung
von Deutschland nach Frankreich geſchah infolge seiner Ver-
heiratung mit einer Franzöſin; Hahnemann war damals, als





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als man ihn fand, war reichlich eine Viertelſtunde seitdem

verfloſſen. Er gab kein Lebenszeichen mehr von sich und
mußte erst mit vieler Mühe von der Leitung befreit werden,
wobei wiederum wenigstens eine halbe Stunde verging. Es
wurde nun zunächſt die künstliche Atmung in der Weise an-
zuregen geſucht, daß die Arme abwechſelnd aufwärts und ab-
wärts bewegt wurden. Doch blieb der Erfolg aus. Man
wendete nun die oben geschilderte Form der künstlichen At-
mung an. Jett begannen die Lungen sogleich wieder ihre
Thätigkeit, und nach zwei Stunden konnte der Arbeiter wie-
der ſprechen. An der rechten Hand und am Oberschenkel
hatte er Brandwunden, im übrigen aber keinen Schaden er-
litten. Th. S.

Korſika ohne Henker. – James Boswell, ein Schotte,
der einige Zeit zu Corte auf Korsika beim General Paoli als
dessen Gaſt weilte, berichtet folgenden sonderbaren Vorfall in
seinem Buche über Korsika :

Um das Jahr 1760, während des langen Krieges mit
den Genuesen, als der Freiheitsheld General Pascal Paoli
der höchſte Machthaber auf der Insel war, starb zu Corte der
Henker von Korsika, ein alter Mann, der viele Jahre lang
sein Amt verwaltet hatte. Es wurde also ein Nachfolger
für ihn geſucht; aber bei dem den Korsen eigenen stolzen Ehr-
gefühl meldete sich niemand, es wollte keiner das für ſo



er diese Ehe einging, 79 Jahre alt. Auch an dieſem seinen
neuen Wohnsſitze führte er eine Reihe bedeutender Kuren aus
und sammelte viele Schüler um ſich. Das Alter ſchwächte
aber wohl nach und nach seine Geiſteskräfte, wenigstens zeigte
ſich dies in dem von ihm oft in abgesſchmackter Weiſe er-
teilten Vorſchriften. Er verſchrieb nur die allerkleinsten Doſen,
und faſt rechtfertigte er den Scherz des großen Arztes Dupuytren,
der einmal sagte: „Hahnemann wirft einige ſeiner Kügelchen
von dem Pont Neuf ins Waſser und ſchickt seine Patienten
nach Havre mit den Worten: „Schöpfet Wasser aus der Seine,
trinkt, und ihr werdet geneſen!" gZu solchen und ähnlichen
Spöttereien gaben Hahnemanns Eigentümlichkeiten oft Anlaß
und vielleicht auch zu folgender Anekdote, die lange in
Paris in Umlauf war.

Eines Tages fährt ein reicher Lord bei Hahnemann vor,
um ihn wegen einer Krankheit um Rat zu fragen. Der Greis
hört aufmerkſam die Darlegung des Patienten an, nimmt
ein Fläſchchen, öffnet es, hält es dem Lord unter die Nase
und sagt: „Riechen Sie! .... Gut! Sie ſind geheilt!‘

Der Engländer, nicht wenig überraſcht, erwidert: „Was
bin ich schuldig ? :

„Tauſend Franken!" ~ lautet die Antwort Hahnemanns.

Der Lord zieht eine Tauſendfrankennote aus ſeiner Taſche,
hält sie dem Homöopathen unter die Nase und sagt: „Riechen
Sie! .... Gut, Sie ſind bezahlt!" — und verläßt das
Zimmer. E. K.
 
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