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Das B uc<{ f ür Alle.
Heft 5.
dahin habe ich mir ſchon ein kleines Kapital zuſammen-
verdient, und ich werde niemals vergeſſen, daß du
mein treuer Freund gewesen biſt, ich gebe dir die nötigen
Mittel, ein College zu beſuchen und Priester zu wer-
den. Ja, die gebe ich dir, Abe, ~ das heißt, ich
strecke dir das Geld vor, und wenn du in Anit und
Würden biſt, zahlſt du es mir zurück. Aber nur vier
Prozent Zinſen würde ich nehmen, ~ darauf haſt du
Heins Hanh. drückte use cu dargereichte Rechte, und
ein Strahl inniger Dankbarkeit brach aus ſeinen großen
runden Augen. „Ihr seid alle so gut zu mir,“ stam-
melte er, ,ich will auch niemals vergeſſen, die Vander
bilts in mein Gebet einzuſchließen. Der Himmel möge
z glutlih mazhen und groß und mächtig unter den
„Dafür werden wir ſchon ſelbſt sorgen, guter Abe, “:1
erwiderte der frühreife Cornelius, deſſen ſelbſtändige,
praktiſche Ansichten übrigens nur ein Reſultat der ameri-
kaniſchen Erziehungsweiſe waren, die damals wie heute
auf faſt nichts anderes gerichtet war, als auf die mög-
lichſt frühe und gründliche Ausbildung und Schärfung
des Erwerbssinnes. G
Die Unterhaltung zwiſchen den beiden Knaben
stockte, Cornelius Vanderbilt hing seinen Gedanken
nach, während der angehende Negerprediger eine kleine
Ausgabe der Bibel hervorgezogen hatte und bei dem
elenden Licht der Laterne darin las.
Da tönten feſte Schritte am Ufer, und eine lange,
hagere, in einen weiten Mantel gehüllte Gestalt trat
aus dem Dunkel der Battery in den Lichtkreis, der
vom Bug des kleinen Fahrzeugs ausging. Der Fremde
warf einen prüfenden Blick auf die beiden jugendlichen
Insassen des Bootes und stieg dann die Böſchung herab.
„Wo iſt der Eigentümer dieſes Bootes?“ fragte er.
„Der bin ich, Sir, “ antwortete Cornelius, und aus
dem Ton, mit welchem er die wenigen Worte sprach,
klang freudiger Stolz hervor. Im übrigen blieb er
ruhig ſißzen und wartete ab, was der Fremde ihm
mitzuteilen habe. : :
„Wie, Sie ſind der Beſitzer dieses Fahrzeugs ?" fragte
der Mann im Mantel ein wenig ungläubig, „Sie
wollen ſagen, daß Ihr Vater – ~
„Was ich ſage, das will ich ſagen, “ unterbrach ihn
Cornelius, „mein Vater iſt ſeit einem Jahre tot, und ich
führe die Farmgesſchäfte meiner Mutter. Dieses Boot
iſt mein Eigentum. Aber ich denke, Sir, das alles
geht nur mich an. Ausfragen laſſe ich mich nicht!“
Der Fremde ſtrich lachend ſeinen rotblonden Voll-
bart. „Oho, junger Mann, “’ rief er, „Sie ſcheinen
recht energiſch und ſelbſtbewußt zu sein, aber im übrigen
ganz der Mann, den ich brauche. Hätten Sie Luſt,
ein hübſches Stück Geld zu verdienen?“
Abdurrahman-Khan, Emir von Afghaniſtan. (S. 123)
Cornelius Vanderbilt sprang auf. „Gewiß, Sir,“
rief er, „wie sollte ich dazu keine Luſt haben, jeder
wünſcht, Geld zu machen natürlich auf ehrliche
Weiſe. ~ Was ſoll's ſein?“ ;
„OD, nicht viel. Mit Ihrem Boot ſollen Sie eine
kleine Spazierfahrt machen und mich und einen Freund
und - vielleicht noch etwas anderes mitnehmen.“
. zus 1zshitt ſoll die Fahrt gehen ~~ wann ſoll sie
attfinden?
guet abend,“ erwiderte nach einer kleinen Weile
des Ueberlegens der Rotbärtige, „Sie werden alles
nähere erfahren und können auch sogleich Handgeld
bekommen, wenn Sie ſich zu einer bestimmten Zeit beim
Silkcthollar-Scot in her Nigger-Wley. eifuhen!. (ct
ſich kerzengerade auf, „Jeſus, das iſt ja die verrufenſte
Gasse von New York, sie wird ja auch Murderers Row
oder Cut Throat Lane *) genannt, und man iſt ſeines
Lebens nicht sicher, wenn man sie bei Nacht paſſiert.
“i esch doch nicht dorthin gehen wollen, Malter
ornelius ?“
„Lies in deinem Buch, Abe, “ rief Cornelius, „und
miſche dich nicht in meine Geſchäfte, von denen du
doch nichts verſtehſt. “
„Wer iſt der Farbige?“ sragte der Fremde haſtig
und, wie es ſchien, ein wenig unwillig. „Diese ſchwarzen
Gesichter übersieht man zu leicht im Dunteln, ich hatte
den Burschen gar nicht bemerkt.“
„Er iſt ein Sklave unseres Hauſes,“ antwortete
der junge Cornelius, „und ein zuverlässiger Junge,
auf deſſen Ergebenheit ich mich unbedingt verlaſſen kann. “
„Um so besser. Und Sie selbſt ~ werden Sie zum
Silberdollar-Scot kommen, damit wir unſer Geſchäft
ins reine bringen können?“
„Ich werde kommen, Sir! Aber vorher möchte ich
auf zwei Fragen Antwort haben. “
„Fragen Sie! Doch halten Sie mich nicht mehr
lange auf, denn ich muß weiter. “
„Nur eine Minute, Sir, meine Fragen ſind kurz.
Also erstens: Jſt Ihr Geſchäft auch ehrlich?“
„Goldehrlich! Was fällt Ihnen ein, dergleichen
erſt zu fragen! ?"
U ss U. P V' ft dt t
denn vielleicht lohnt mir's nicht den Weg.“
„Du gefällſt mir, mein Junge, “ lachte der Fremde,
„ſ0o jung und schon ein ganzer Kaufmann ! ~~ Scheinen
dir fünfzig Dollars lohnend genug ?“
. „Fünfzig Dollars? ~ Ich komme! Erwarten Sie
mich zwiſchen neun und zehn Uhr vormittags beim
Silberdollar-Scot. Mit welchem Namen ſoll ich nach
Ihnen fragen?"
„Fragt nach Patrick O'Sullivan. – Und nun,
guten Morgen !“
Der Fremde hüllte ſich feſter in seinen Mantel und
ſchritt durch das Dunkel auf und davon.
*) Niggerallee, auch Mörderweg oder Halzsabschneider-
straße genannt, besteht noch, soll jedoch in nächster Zeit ab-
gerissen werden.
Der Eingang zum Hafen von Cartagena. (S. 123)
Das B uc<{ f ür Alle.
Heft 5.
dahin habe ich mir ſchon ein kleines Kapital zuſammen-
verdient, und ich werde niemals vergeſſen, daß du
mein treuer Freund gewesen biſt, ich gebe dir die nötigen
Mittel, ein College zu beſuchen und Priester zu wer-
den. Ja, die gebe ich dir, Abe, ~ das heißt, ich
strecke dir das Geld vor, und wenn du in Anit und
Würden biſt, zahlſt du es mir zurück. Aber nur vier
Prozent Zinſen würde ich nehmen, ~ darauf haſt du
Heins Hanh. drückte use cu dargereichte Rechte, und
ein Strahl inniger Dankbarkeit brach aus ſeinen großen
runden Augen. „Ihr seid alle so gut zu mir,“ stam-
melte er, ,ich will auch niemals vergeſſen, die Vander
bilts in mein Gebet einzuſchließen. Der Himmel möge
z glutlih mazhen und groß und mächtig unter den
„Dafür werden wir ſchon ſelbſt sorgen, guter Abe, “:1
erwiderte der frühreife Cornelius, deſſen ſelbſtändige,
praktiſche Ansichten übrigens nur ein Reſultat der ameri-
kaniſchen Erziehungsweiſe waren, die damals wie heute
auf faſt nichts anderes gerichtet war, als auf die mög-
lichſt frühe und gründliche Ausbildung und Schärfung
des Erwerbssinnes. G
Die Unterhaltung zwiſchen den beiden Knaben
stockte, Cornelius Vanderbilt hing seinen Gedanken
nach, während der angehende Negerprediger eine kleine
Ausgabe der Bibel hervorgezogen hatte und bei dem
elenden Licht der Laterne darin las.
Da tönten feſte Schritte am Ufer, und eine lange,
hagere, in einen weiten Mantel gehüllte Gestalt trat
aus dem Dunkel der Battery in den Lichtkreis, der
vom Bug des kleinen Fahrzeugs ausging. Der Fremde
warf einen prüfenden Blick auf die beiden jugendlichen
Insassen des Bootes und stieg dann die Böſchung herab.
„Wo iſt der Eigentümer dieſes Bootes?“ fragte er.
„Der bin ich, Sir, “ antwortete Cornelius, und aus
dem Ton, mit welchem er die wenigen Worte sprach,
klang freudiger Stolz hervor. Im übrigen blieb er
ruhig ſißzen und wartete ab, was der Fremde ihm
mitzuteilen habe. : :
„Wie, Sie ſind der Beſitzer dieses Fahrzeugs ?" fragte
der Mann im Mantel ein wenig ungläubig, „Sie
wollen ſagen, daß Ihr Vater – ~
„Was ich ſage, das will ich ſagen, “ unterbrach ihn
Cornelius, „mein Vater iſt ſeit einem Jahre tot, und ich
führe die Farmgesſchäfte meiner Mutter. Dieses Boot
iſt mein Eigentum. Aber ich denke, Sir, das alles
geht nur mich an. Ausfragen laſſe ich mich nicht!“
Der Fremde ſtrich lachend ſeinen rotblonden Voll-
bart. „Oho, junger Mann, “’ rief er, „Sie ſcheinen
recht energiſch und ſelbſtbewußt zu sein, aber im übrigen
ganz der Mann, den ich brauche. Hätten Sie Luſt,
ein hübſches Stück Geld zu verdienen?“
Abdurrahman-Khan, Emir von Afghaniſtan. (S. 123)
Cornelius Vanderbilt sprang auf. „Gewiß, Sir,“
rief er, „wie sollte ich dazu keine Luſt haben, jeder
wünſcht, Geld zu machen natürlich auf ehrliche
Weiſe. ~ Was ſoll's ſein?“ ;
„OD, nicht viel. Mit Ihrem Boot ſollen Sie eine
kleine Spazierfahrt machen und mich und einen Freund
und - vielleicht noch etwas anderes mitnehmen.“
. zus 1zshitt ſoll die Fahrt gehen ~~ wann ſoll sie
attfinden?
guet abend,“ erwiderte nach einer kleinen Weile
des Ueberlegens der Rotbärtige, „Sie werden alles
nähere erfahren und können auch sogleich Handgeld
bekommen, wenn Sie ſich zu einer bestimmten Zeit beim
Silkcthollar-Scot in her Nigger-Wley. eifuhen!. (ct
ſich kerzengerade auf, „Jeſus, das iſt ja die verrufenſte
Gasse von New York, sie wird ja auch Murderers Row
oder Cut Throat Lane *) genannt, und man iſt ſeines
Lebens nicht sicher, wenn man sie bei Nacht paſſiert.
“i esch doch nicht dorthin gehen wollen, Malter
ornelius ?“
„Lies in deinem Buch, Abe, “ rief Cornelius, „und
miſche dich nicht in meine Geſchäfte, von denen du
doch nichts verſtehſt. “
„Wer iſt der Farbige?“ sragte der Fremde haſtig
und, wie es ſchien, ein wenig unwillig. „Diese ſchwarzen
Gesichter übersieht man zu leicht im Dunteln, ich hatte
den Burschen gar nicht bemerkt.“
„Er iſt ein Sklave unseres Hauſes,“ antwortete
der junge Cornelius, „und ein zuverlässiger Junge,
auf deſſen Ergebenheit ich mich unbedingt verlaſſen kann. “
„Um so besser. Und Sie selbſt ~ werden Sie zum
Silberdollar-Scot kommen, damit wir unſer Geſchäft
ins reine bringen können?“
„Ich werde kommen, Sir! Aber vorher möchte ich
auf zwei Fragen Antwort haben. “
„Fragen Sie! Doch halten Sie mich nicht mehr
lange auf, denn ich muß weiter. “
„Nur eine Minute, Sir, meine Fragen ſind kurz.
Also erstens: Jſt Ihr Geſchäft auch ehrlich?“
„Goldehrlich! Was fällt Ihnen ein, dergleichen
erſt zu fragen! ?"
U ss U. P V' ft dt t
denn vielleicht lohnt mir's nicht den Weg.“
„Du gefällſt mir, mein Junge, “ lachte der Fremde,
„ſ0o jung und schon ein ganzer Kaufmann ! ~~ Scheinen
dir fünfzig Dollars lohnend genug ?“
. „Fünfzig Dollars? ~ Ich komme! Erwarten Sie
mich zwiſchen neun und zehn Uhr vormittags beim
Silberdollar-Scot. Mit welchem Namen ſoll ich nach
Ihnen fragen?"
„Fragt nach Patrick O'Sullivan. – Und nun,
guten Morgen !“
Der Fremde hüllte ſich feſter in seinen Mantel und
ſchritt durch das Dunkel auf und davon.
*) Niggerallee, auch Mörderweg oder Halzsabschneider-
straße genannt, besteht noch, soll jedoch in nächster Zeit ab-
gerissen werden.
Der Eingang zum Hafen von Cartagena. (S. 123)