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Mannigfaltiges.

Ein zweiter Marſchall Ney. ~ Trotzdem an der That-
ſache nicht zu zweifeln iſt, daß Marschall Ney am 7. Dezem-
ber 1815 im Luxemburggarten zu Paris erſchoſſen wurde,
tauchte nachher doch wiederholt das Gerücht auf, es sei nur
eine Scheinexekution vorgenommen worden, und der Marschall

(Nachdruck verboten )

ſei hierauf mit Wissen und im Einverständnis mit der fran-

zöſiſchen Regierung nach Amerika entflohen, wo er während
vieler Jahre eine Schule gehalten habe und hochbetagt im

. Jahre 1846 gestorben ſein ſoll.

Ein amerikanischer Schriftsteller hat es sich zur Aufgabe
gemacht, zu erfahren, woher dieser Glaube komme, welcher
hauptsächlich in ganz Nord-Carolina verbreitet iſt. Er hat
dortige alte Einwohner aufgesucht, frühere Schüler des an-

geblichen Marschalls, und aus diesen und anderen Quellen
eine Anzahl intereſſanter Anekdoten gesammelt, welche die

leuten Lebensjahre des alten franzöſiſchen Herrn betreffen,
der jedermann von der Echtheit ſeiner Ansprüche auf Namen
und Titel des Marsſchalls Ney zu überzeugen wußte. Man
kannte ihn in ganz Nord-Carolina als Peter Stuart Ney,

einen „vorzüglichen Schulmeister und Mathematiker". Für

gewöhnlich war er ſehr ſchweigſam und unmitteilſam, was
ſein vergangenes Leben betraf, aber hin und wieder, wenn

_ ihm die Zunge durch ein paar Extragläser Wein gelöst war,

garten brachte.





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Kund

Auch in Prachtband gebunden mit Goldschnitt zum Preiſe von 40 Mark zu beziehen.

dann „kämpfte er seine Schlachten noch einmal durch“. Bei

solcher Gelegenheit teilte er einem Colonel Hinton alle Einzel-

heiten seiner Scheinhinrichtung mit. Er erzählte ihm, daß
für. dieſelbe nur Soldaten gewählt worden seien, die früher
unter seinem speziellen Kommando gestanden hätten. Sie hätten
den Befehl erhalten, über ihn hinweg in die Luft zu feuern.
Man habe ihm dieſe Anordnungen durch einen Offizier mit-
geteilt, der ihn von seinem Gefängnis nach dem Luxemburg-
Als die Salve fiel, habe er sich zu Boden
geworfen, das Gesicht zur Erde, wie es ihm dieser Offizier
eingeſchärft habe. Die anwesenden Regimentsärzte hätten
ihn dann für tot erklärt und darauf sei er zur Beerdigung
seinen Freunden übergeben worden, die ihn verkleidet nach
Bordeaux brachten. Hier habe er ſich auf einem Kauffartei-
schiff luth Eharteſton eingeſchifft, wo er am lezten Februar 1816
elandet sei.
G Die Nachricht von dem Tode des Herzogs von Reichſtadt
wurde dem alten Herrn während der Schulstunde durch den

. Brief eines alten Freundes mitgeteilt, der in Jersey wohnte.

Beim Lesen dieses Schreibens verriet er eine außergewöhnliche

Erregung. Er warf den Brief auf die Diele des Schul-

zimmers, trat wütend darauf und rief:

Prinz ist tot. Jetzt ſind alle meine g ( nü e ve h

y Er entließ sogleich seine Schüler und gab ihnen eine ganze

Woche Ferien. Er starb am 14. Oktober 1846 im Hauſe
eines Freundes zu Rowan. Die letzten merkwürdigen Worte

, des angeblichen Marſchalls lauteten: „Beſsières ist gefallen,

die alte Garde iſt besiegt ~ jetzt will ich sterben!“

Einige Jahre nach seinem Tode errichteten ihm mehrere
ſeiner Schüler auf seinem Grabe eine Marmortafel, welche
noch vor nicht langer Zeit zu sehen war. C. E.

Menſch=liche Wiederkäuer. — Eine ſehr auffallende Er-
ſcheinung ist es, daß manche Menschen die genossenen Speisen
nach einiger Zeit wiederkäuen. In früheren Zeiten? fabelte
man, daß dieſe Menſchen einen aus mehreren Abteilungen
beſtehenden Magen wie die tieriſchen Wiederkäuer besäßen.
Die Unterſuchungen an Verstorbenen haben aber keine der-
artigen anatomiſchen Veränderungen dargethan. Der Vor-
gang iſt der, daß kürzere oder längere Zeit nach dem
Eſſen einzelne Biſſen ohne eine wesentliche Geschmacks-
veränderung in den Mund zurückſteigen, dort nochmals
gekaut und zum zweitenmal verschluckt werden. Doktor Alt
beobachtete einen Mann, der zwei Goldfiſche von 51/2 und
6'J» Centimeter Länge versſchluckte und sie nach 20 Minuten
wieder lebend von ſich gab. Die Heraufbeförderung der
Speisen erfolgt nicht willkürlich, sondern nach ihrer Verdau-
lichkeit. Nach den Beobachtungen von Gallois besteht die



| D a s Buch für Atlle.

aufsteigende Masse anfänglich unterschiedslos aus flüſſsigem
und festem Speisebrei. Nach der Maßgabe der Verdauung
folgen dann nur feste Speiſen und schließlich unverdauliche
Speiseteile, wie Sehnen und Salatblätter. Roſsier sah, daß
ſich die Anzahl der Bissen auf 6 bis 12 für das Frühſtück,
auf 11 bis 21 für das Mittagsbrot und auf 7 bis 16 für
das Abendessen belief.

Das Viederkäuen ist den damit behafteten Personen nicht
besonders lästig und auch für ihre Geſundheit nicht schädlich.
Schneider berichtet von einem Fuldaiſchen Hofrat, der am
Ende des vorigen Jahrhunderts lebte, daß er stets die Speiſen
nochmals kaute und troßdem 70 Jahre alt wurde. Eine
luitrvetets des Aktes iſt den betreffenden Personen

hmerzhaft. |

Man muß diese Erſcheinung als eine Folge der Erkrankung
der Magennerven ansehen. Dafür ſpricht, daß sie bei nervöſen
Personen verhältnismäßig oft vorkommt, und daß ſie durch
Vererbung übertragen werden kann. So fing der Sohn eines
Schweden, der ſeit seinem dreißigsten Lebensjahr wieberkäute,
mit 24 Jahren ebenfalls damit an. Die Nerven des Magens
werden durch die aufgenommenen Speisen in ungewöhnlicher
Weise gereizt, so daß Zuſammenziehungen des Magens ein-
treten, die die Speiſen nach oben drücken. Eine gleichzeitige
Erschlaffung des Magenmundes gestattet dann den Durchtritt
der Speiſen. Nicht selten zeitigt eine geeignete Morphium-
behandlung befriedigende Heilerfolge. Th. S.

Chineſiſche Iuſtiz. - Eine hübſche Illuſiration zu den
merkwürdigen Rechtsanſchauungen im Reiche der Mitte giebt
uns der nachſtehende Vorfall: Vor einiger Zeit machte
eine Bande die Umgegend von Shanghai höchst unsicher,
indem sie bei Tage die auf den Feldern arbeitenden Bauern
anfiel, um durch Drohungen Geld von ihnen zu erpressen,
und bei Nacht in die Wohnungen, wo etwas zu holen war,
einbrach. Dabei griffen die Kerle auch einmal auf das Fremden-
viertel von Shanghai über, und das ſollte ſchließlich ihr
Verderben. werden.

Als eines Tages die Diebe sogar die Verwegenheit hatten,
auch das Haus eines Mandarinen heimzuſuchen und einige
hundert Dollars daraus mitzunehmen, da wurde dem zu-
ständigen Richter die Sache zu bunt. Nach chinesischem
Brauch ließ er den Mandarinen, in dessen Bezirk die Räuber
hauptsächlich hauſten, zu sich entbieten und befahl ihm, die
Uebelthäter binnen drei Tagen zu ergreifen, widrigenfalls
er tauſend Hiebe mit dem Bambus aufgezählt bekommen
würde. Der unglückliche Untermandarin ging nun also mit
ſeinen Trabanten auf die Suche; aber vergebens. Der erſte
Tag verging, ohne daß von den Verbrechern eine Spur ent-
deckt worden wäre, und auch der zweite neigte sich seinem
Ende zu, ohne Zeuge der erſehnten Feſtnahme gewesen zu
ſein. Nach einer ſchlafloſen Nacht gab sich der Mandarin
am dritten und letzten Tag nochmals die größte Mühe, aber
am Abend befanden ſich die Räuber noch immer auf freiem
Fuße. !

h lt. vierten Tage mußte der Unglücksmensſch unweigerlich
vor seinem Vorgesetzten erscheinen, der bereits ein Dutzend
kräftige Schergen zum Prügeln bereit hatte. Umsonst ver-

ſicherte der Unterbeamte hoch und teuer, er hätte alles gethan»

was ihm möglich gewesen sei; es half alles nichts. Er wurde
entkleidet und platt auf den Boden gelegt. Der erste Scherge
wollte gerade zum Schlagen ausholen, als plötzlich ein Ruf
aus der Reihe der Zuſchauer ertönte. Die unvermutete Unter-
brechung kam von einem englischen, im Fremdenviertel an-
gestellten Geheimpoliziſten, den sein vorgesetzter Polizeiinspektor
geschickt hatte, um zu melden, daß die Räuber gefaßt wären.
Die Freude des auf dem Boden liegenden Mandarinen kannte
keine Grenzen; er weinte vor Dankbarkeit und versicherte
dem Geheimpoliziſten immer von neuem, die Ausländer wären
doch fabelhaft kluge und edle Männer. .

Weniger erfreut waren dagegen die Schergen, da ſie ſich
nun des besonderen Spaßes, einen Mandarinen prügeln zu
dürfen, beraubt sahen. Ebenso machte der ſich langſam zer-
streuende Haufe der Zuſchauer kein Hehl aus seiner Unzu-

friedenheit über das ihm in letzter Stunde noch entriſssene |

ſehnlichst erwartete Vergnügen. v. B.





419

Va banque! - Es war gegen das Ende des 17. Jahr-
hunderts, als bei dem Marchese L., dem reichſten Nobile
Venedigs, ein großer Maskenball stattfand. Unter den durch-
einanderwogenden, tanzenden und koſenden Masken in den
reichſten Kostümen zeichnete sich besonders ein schwarzer Do-
mino aus, der sowohl durch seine hohe Gestalt und majestä-
tiſche Haltung, als durch seine gewandten und graziöſen Be-

wegungen die allgemeine Aufmerkſamkeit auf sich zog. Er

ſchien in dem Gedränge der Säle und Zimmer jemand eifrig
und lange zu ſuchen und trat endlich, sichtlich verſtimmt von
der Täuſchung, den gehofften Gegenstand seiner Sehnsucht
heute nicht unter den Anwesenden gefunden zu haben, in
einen Seitensaal, wo die stolzen Nobili Venedigs den Reich-
tum ihrer Voreltern am grünen Spieltiſche vergeudeten. Es
wurde hoch geſpielt, wie der vor dem Bantier aufgetürmte
Geldhaufen anzeigte. Der Domino trat an den Tiſch, muſterte
ſeine Umgebung und sette endlich, die Spielenden gleichſam
persſiflierend, ein Thalerſtück auf eine Karte. Kaum aber
hatte der Bankier das Silberſtück gewahrt, als er höhniſch
und mit ſsarkaſstischem Lächeln dem Aussetzer desselben die
Frage hinwarf: „Für die Bedienten, Monsignore ?" –+ Statt
aller Antwort zog der Domino ſchweigend einen Brillantring
von faſt unſchätbarem Werte vom Finger, reichte ihn dem
Bankier und rief, stolz ſich aufrichtend: „Va banque!“
Alles stußt, der Bankier erbleicht, prüft den Ring, und
ergreift endlich wieder, mit leichtem Kopfnicken den Satz an-
erkennend, die Karten; die Hände zittern ihm, er zieht ab,
und ſein ganzer Reichtum ist verloren ~ die Bank iſt gesprengt.
Der Domino hatte gewonnen. Ruhig ſteckt er den abge-
zogenen Ring wieder an den Finger und wendet sich, auf
den Goldhaufen deutend, mit den Worten an den erstarrten
Bankier: „Für die Bedienten des Hauſes,? Monsignore!“
kehrt ihm dann mit einem verächtlichen Blicke den Rücken
und verläßt den Saal und die Gesellſchaft. In der Vorhalle,
wo ihn seine Dienerſchaft erwartete, nahm er die Maske vom
Gesicht, gab sie einem Lakai in glänzender Livree, und ent:
fernte ſich dann. Es war Auguſt, Kurprinz von Sachsen,
der Starke genannt, der nachmalige König von Polen, ein
abgeſagter Feind aller Haſardſpiele. . E. K. :
Die ganze Menſchheit zu Gaſte. ~ Ein englischer Sta-
tiſtiker hat sich mit der Frage beſchäftigt, ob irgend ein
Millionär reich genug sei, sämtliche Menschen auf der Erde
einen Tag lang zu beköstigen. Dieser Engländer hat aller-
dings dabei die in seinem Vaterlande obwaltenden Verhält-
niſſe zu Grunde gelegt und angenommen, der freundliche
Gastgeber gedenke die Menschheit zu einem englischen Frühstück,
einem guten Mittagsmahl und einem Abendbrot einzuladen.
Er rechnet auf die Perſon 2,50 Mark und bemerkt dabei,
daß das, was an den Kindern und halb erwachſenen Leuten

erſpart würde, den Erwachſenen und starken Eſſern zu gute

käme. Seine Rechnung ergiebt, daß diese Beköſtigung der
Menſchheit für einen Tag die Summe von 3750 Millionen
Mark erfordern würde. Selbst unter den reichsten ameri-
kaniſchen Milliardären giebt es keinen, der im ftande wäre,
die Rechnung für dieſe Gaſterei zu bezahlen. A. O. N.

Eine Ahnungsvolle. ~ Als Napoleon II. in London
lebte und sich zeitweilig mit militäriſchen ſchriftſtelleriſchen
Arbeiten beschäftigte, war er öfters Gast in Gore Houſe, wo
er auf die gaſtfreundlichſte Art von der Schriftſtellerin
Gräfin v. Bleſsington empfangen wurde. Nachdem Napoleon
Kaiſer der Franzoſen geworden, gab eines Tages Lady
Blesſington, die sich gerade in Paris aufhielt, ihre Karte
in den Tuilerien ab; es wurde jedoch keine Notiz von ihr
genommen. :

Einige Wochen hatte sie vergeblich auf Antwort ge-
wartet, da traf sie den Kaiser zufällig in einer Gesellschaft.
Es war Napoleon völlig unmöglich, ihr aus dem Wege zu
gehen. . .
Vor der noch immer hübſchen Gräfin stehen bleibend,
rief er aus: „Wie, Lady Bleſſington, Sie in Paris! Wie
lange werden Sie bleiben ?“ :

Lady Blesſington antwortete spit: „Je nun, einige Zeit
~ und Sie, Majestät?“ | O. v. Br.





= Alnion Deutſche Werlagsgeſellſchaft in Btuttgart, Werlin, Deipzig. &-







Soeben beginnt zu erſcheinen:

15 Lieferungen à 2 Mark.

um die Erde .. C. W. Allers.

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Von Jathr zu Jahr mehrt sich die Zahl der Globetrotter, die auf eine Weltreise zurückblicken können. Aegypten, Indien, Siam, China, Japan und die Vereinigten Staaten
ſind die Hauptetappen dieser Reise, die wohl wie keine andre Tour durch den Wechsel von Natur- und Kulturerſcheinungen die stärksten Eindrücke hinterläßt. ]
Ein lebenstreues Bild der in Frage stehenden fernen Gegenden rollt C. W. Allers, der Meister unter unsern Zeichnern, in dem auf seiner jüngſt vollendeten Weltreise ent-

standenen Werke „Rund um die Erde“ anf. In Hunderten von Illustrationen entwirft der Künſtler eine eigenartige, anschauliche Charakteriſtik von Land und Lenten. Dazu

kommt, daß er selbſt es unternommen hat, seine und seiner Reiſegenoſſen Schicksale zu beschreiben. ~ Allers als Humorist + wer kennt ihn nicht ans den Briefen, die bisher be-
kannt geworden sind! Die joviale Grundstimmung seines Wesens iſt aber nie so trefflich zum Ausdruck gekommen, als in den Schilderungen dieser nenzeitlichen Odyſſee, deren Scenen

bald in den feinsten Hotels der Welt, bald in elenden Dörfern exotischer Völker sich abspielen.

Durch Veranstaltung einer Ausgabe in 15 Lieferungen à 2 Mark machen wir das bereits in der gebundenen Ausgabe sehr beifällig aufgenommene Werk den weitesten Kreiſen

zugänglich. — Die erſte Lieferung iſt erſchienen und kann in den meiſten Buchhandlungen eingeſehen werden.
 
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