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Heft 22.

: daß sie die Bedingungen zur Erreichung desſelben von
Natur aus in ihrer angeborenen geſunden Konstitution

hatten, und daß es eigentlich ihr eigenes Verdienſt und

nicht das der Medizin iſt, wenn sie mit dieſem unſchätz-
baren Kapitale haushälteriſch gewirtſchaftet haben, statt
es wie andere, vorzeitig Gealterte, in den Zeiten der
überſchäumenden Jugendkraft zu vergeuden. :
Wer im Besite ſeiner Geſundheit alt werden will,
muß erſtens, wie das Beiſpiel der meiſten zu hohen
Jahren gekommenen Leute zeigt, eine geſunde wider-
ſtandsfähige Natur besiten, die in manchen Familien
geradezu erblich iſt. Es werden freilich Beiſpiele an-
geführt, daß Menſchen von urſprünglich ſchwacher Kon-

ſtitution durch methodiſche Körperübung und eine mit
eiſerner Strenge durchgeführte enthaltſame Lebensweise

ein hohes Alter erreicht haben. Das beweiſt aber nur,
daß sie vermöge dieſer Lebensregeln dem in ihnen
steckenden geſunden Kerne in Zeiten ſchwankender Ge-
ſundheit, wie sie faſt jeder Menſch durchzumachen hat,
zum Durchbruch verholfen haben.

Der zweite Punkt von Wichtigkeit iſt, daß man

mit einer angemeſſenen Lebensweise nicht
erſt anfängt, wenn die Sünden früherer
Jahre sich bereits ſchwer bemerklich ma.
chen, und das Alter vor der Thür ſteht.
Freilich hält ein geſunder menſchlicher
Körper in den Jugendjahren oft geradezu
unglaubliche Anstrengungen aus, ohne
Schaden zu nehmen, und man muß des-
halb, wenn man ſpäter ängſtlich gewor-
den und zur Einkehr in ſich ſelbst ge-
th | ctet it cs s u
eigenen Sarge erblicken und in hypo-
chondriſche Selbſtvorwürfe verfallen. Aber
schließlich kommt doch für den Kräftigsten
der Moment, wo es Zeit iſt, seiner
überſchäumenden Lebensluſt Zügel anzu-
legen, wenn er nicht sein eigenes Leben
verkürzen will. Die Grundlagen für
ein geſundes Alter müssen daher ſchon
in früheren Jahren gelegt werden, durch
ein mäßiges Leben, welches in zweck-
mit tus te Mu
punkt der möglichen Entwickelung führt.
Extreme aber sind in jeder Hinſicht von
schlechten Folgen. Wer mit eiſernenm
Willen seine Arbeitskraft aufs äußerſte
anspannt, wird ebenso vor der Zeit geiſtig
und körperlich abwirtſchaften, wie der,
welcher jeder Anstrengung aus dem
Wege geht.

t z; Glücke sagt die Natur und
Selbstbeobachtung vielen Menſchen, wenn
sie über gewiſſe Jahre hinaus ſind, was
ihnen zweckdienlich iſt. Das hier Vorteil-
hafte läßt ſich aber nicht in bestimmte
Schablonen gießen, sondern muß ſich
der Individualität des einzelnen genau
anpaſſen, ſo daß nur die allgemeinen Ge-
ſichtspunkte hervorgehoben werden können.

In erster Linie iſt die ausreichende
Bewegung in friſcher Luft ein Punkt,
der von vielen vernachlässigt wird. Kann
sich die Luft in unseren Zimmern ſchon
im Sommer trot geöffneter Fenster
nicht mit der Atmoſphäre des freien Fel-
des oder Parkes oder Waldes meſſee, ſo |
wird sie der Geſundheit noch um vieles.
unzuträglicher, wenn ÖOfenheizung und
stundenlanges Lampenbrennen sie ver-
ſc<hlechtern. Außerdem trägt zur Erhaltung der Herz-
kraft nichts in ſo hohem Maße bei, als eine mittlere
körperliche Arbeit, wie ſie beim Spazierengehen in der
Ebene oder in mäßig bergigem Gelände geleiſtet wird.
Je nach Neigung und Geſschicklichkeit können an Stelle
ſtundenlangen Gehens andere Leibesübungen treten,
und es iſt durchaus nicht lächerlich, wenn der greiſe
Gladstone zur Stärkung seiner Gesundheit sich auf
ſeinem Landſite mit dem Fällen von Bäumen befaßte.

Natürlich muß auch die Wohnung, in der die meiſten

Menſchen den größten Teil des Tages verbringen, den
gesundheitlichen Anforderungen entſprechen; die geräu-
Hufen. qr eher bezbercs. por Nordmuuten seſſlstc
Wohnen und Schlafen gerade gut genug, während oft
gerade die besten Räume aus falſch verſtandener ge-
ſellſchaftlicher Rücksicht als Paradezimmer unbenutzt da-
ſtehen, und ſich ihr Inhaber zum Wohnen und Schlafen
eines minder günstigen Raumes bedient. Daß der
stundenlange Aufenthalt in staubüberfüllten, mit Ver-
brennungsgasen überladenen Räumen, also bei Gesell-
ſchaften und Bällen, in Theatern u. s. w. ein grober
geſundheitlicher Féhler iſt, leuchtet von ſselbſt ein.
Ein weiterer wichtiger Punkt iſt die zweckmäßige
Zubereitung der Speiſen, welche gleichzeitig leicht ver-
daulich und weich gekocht sein und die Nährstoffe in





Da s Buch für Alle.

einer Form enthalten müssen, welche dem Magen nicht
zu viel Ballaſt zumutet. Ein Gericht fetter Aale, eine
Hummermayonnaiſe, Speckknödel, ſchwere . Feſttags-
kuchen u. ſ. w. haben namentlich bei alten Leuten ſchon
yzligcnat hct Gtzp zu einem tglich ZUlasfsngeh
ſuteaj M . (f es
wird ſich bei ſeinem gewohnten Teller Suppe als erſtem
Frühſtück ebenso wohl befinden, wie der andere bei seiner
Taſſe Thee oder Kaffee. Daß Alkohol, mit Maß ge-
noſſen, für das Alter immer noch ein verhältnismäßig
unſchädliches Anregungsmittel iſt, beweiſt die tauſend-
fältige tägliche Erfahrung. Größere Mengen Alkohol

freilich ſchaden zu allen Zeiten und verkürzen das Leben

in hohem Maße. Gewarnt muß beſonders werden vor
dem Genuſse saurer und namentlich kalkhaltiger Weine,
welche nicht nur vermöge ihres Säuregehaltes der nor-
malen Blutbildung Hindernisse bereiten, ſondern durch
ihren Reichtum an schwer löslichen Mineralsalzen zum
Fortſchreiten der Arterienverkalkung direkt beitragen
können. Die Lungenatmung iſt, wie bereits gesagt,



König Malaafa von Samoa. (S. 587)

im hohen Alter erheblich herabgesetzt. Insofern ein

Teil dieſer Funktionen von der Haut übernommen wer-
den kann, muß der Pflege derſelben die nötige Beach-
tung geschenkt und die Hautatmung durch Bäder, nasse
Abreibungen, trockene oder ſpirituöſe Frottierungen be-
fördert werden. :

Wichtige Faktoren freilich entziehen ſich gänzlich dem

Einwirken des Arztes, nämlich die zahlloſen pſychiſchen
Einflüſſe, welche in den ſozialen und Familienverhält-
niſſen des einzelnen liegen. Wer ſich vor äußerem
Mangel Zeit seines Lebens geſchüßt weiß und von
Familienkummer frei iſt, befindet ſich natürlich in gün-
stigerer Lage als der, dem Sorgen die Muße des Tages

und den Schlaf der Nacht stören. Das aber ſind Dinge,

t s v sc cr su cus
_ Nur etwa jeder zehnte Menſch erreicht das fünfund-
ſiebzigſte Lebensjahr, aber es iſt ſicher, daß viel mehr
bis zu dieſer Altersgrenze und noch darüber hinaus
leben könnten, wenn ſie ſich nur rechtzeitig entſchlöſſen,
mit dem Schlendrian eingewurzelter übler Gewohnheiten
zu brechen und eine Lebensweiſe zu führen, wie ſie
der Geſundheitslehre entspricht und den höheren Jahren
angemessen iſt... ;



erworben hatte.



939

Manuuigfaltiges. cgagdrue verboten.)

Ein verfängliches Verlangen. + Bei dem letzten Be-
ſuche des verstorbenen Schah von Persien in England gab
Lord Salisbury in Hatfield ihm zu Chren eine Gartengeſell-
ſchaft. Zur Unterhaltung seines Gastes hatte er einen Kunſt-
ſchütßen herbeigezogen, der vom Kopfe einer Dame Kork-
pfropfen wegſchohl. Der Schah, dem die Ausführung des
Kunſtſtückes jedenfalls leicht dünkte, wollte es selbſt versuchen,
und mit einem Repetirgewehre in der Hand richtete er dessen
Lauf zunächſt auf Lord Salisbury, der darüber nicht wenig
entſeßt war. Aber auch die Dame, die sonst die Pfropfen

auf dem Kopfe hielt, weigerte ſich, dem Perserfürſten als !

Zielscheibe zu dienen, und so verlangte endlich der Schah,
daß sein Premierminiſter die Stelle der Dame einnehmen
ſolle. Im Mitgefühl für seinen persiſchen Kollegen wußte
Lord Salisbury das aber abzuwenden, indem er sich vom
Schah auf einen Augenblick das Gewehr geben und es da-
bei zu Boden fallen ließ, daß es zerbrach.
Die Neuenburger Ahreninduſtrie. + Jm Jahre 1679
gelangte ein Pferdehändler im Bergdörfchen La Sagne in
den Besitz einer engliſchen Taſchenuhr, die er im Auslande
Jeder ſseiner Bekannten wollte das kuriose
Dinz nicht nur sehen und ticken hören, son-
dern auch berühren, ganz nach Art der Kin-
der. Dabei kam das Gangwerk in Unord-
zog, drehte an den Räderchen, und –
war unlröſtlich, endlich nannte einer den
rst. Bitte tte t 110 Jet ht
durch klaren Verstand und große Anſtellig-
keit ausgezeichnet, allerlei Maschinen verfertigt
und auch einige grobe, aus Ciſen herge-
stellte Dorfuhren der Nachbarſchaft repariert.
Der Pferdehändler zeigte dem jungen Mann
die Taſchenuhr. Jean untersuchte sie von
allen Seiten; es gelang ihm, das Wesen
des Mechanismus zu ergründen, und er ver-
ſprach, das Werk wieder in Gang zu bringen.
Und in der That vermochte er sein Wort zu
halten. Natürlich hatte er das Werk. aus-

Studium ſolcher Art vollkommen geworden
war, ging er mit dem Gedanken un, ſelbſt
eine Taſchenuhr herzuſtellen. Mit Eifer machte
er ſich daran; aber seine Werkzeuge er-
wieſen sich als ungenügend und viel zu grob
für eine ſolche Arbeit. Da begann der junge
Schlosser, ſich die nötigen Instrumente selbst
herzuſtellen, es war die Arbeit eines ganzen
Jahres. Endlich konnte er an den Bau der
Uhr selbſt denken. Und siehe da! ~ Nach
ſechsmonatlichem raſtloſen Schaffen war ſseine
Uhr fertig, Werk, Schale, Zifferblatt, alles

hatte. So wurde Jean Richard im Jahre
1681 der erſte Uhrmacher der Neuenburger
Berge. –~ Natürlich blieb es nicht bei dieſem
erſten Versuch.
stellungen, aber die Arbeit ging namentlich
wegen des Cinteilens und Zähnens der Räder
gar zu langsam vor ſich. Da erfuhr Richard,
daß man inzwischen in Genf ebenfalls mit
der Herstellung von Uhren begonnen und
eine Maſchine zur Zähnung eingeführt habe.
Er reiſte dahin; aber die Maschine, die man
gals Geheimnis behandelte, bekam er nicht zu
sehen, so daß er ſich auch dieſes wichtige
Hilfsmittel durch eigenes Nachdenken ver-
schaffen mußte. Indessen seine Geduld über-
wand alles. Die Maschine kam zu ſtande,
und so wurde Jean Richard, der im Jahre
1741 starb, der Begründer der berühmten
Neuenburger Uhreninduſtrie. E. K.

Furcht vor dem Tode. + Der berühmte

_ düäniſche Dichter Hans Chriſtian Andersen
hatte eine große Furcht vor dem Tode und
lebte ſtets in der Angst, man könnte ihn

lebendig begraben. Daher befestigte er jeden Abend, ehe er

ſich zur Ruhe legte, einen Zettel an seinem Bett, auf dem
die Worte standen: „Jch bin nur ſcheintot!" ~dn-

Ein Held im DWiclekkiſſen. ~ Einſt stand Friedrich der
Große im Hauſe des Prinzen Ferdinand in Berlin Pathe.
Als dem König der Täufling ~ es war ein Knabe = ge-
reicht wurde, trat er, das Kind auf dem Arm tragend, zu
nahe an die brennenden Wachskerzen heran, welche die um-
ſtehenden Pagen in den Händen hielten, so daß die langen
koſtbaren Spitzentücher Feuer fingen. Zum Glück wurden
die Flammen durch die heranspringenden Hofdamen sofort
gelöscht. Bei der darauf folgenden Tafel sagte Friedrich der
Große zum Hofprediger Dr. Sack, der den Taufakt vollzogen
hz "§ciſ Er auch, daß Er den größten Helden der Welt
getauft hat?“n. : ;

„Wieso, Majestät?" fragte der Hofprediger.

„Nun, das ist doch gewiß noch nie vorgekommen, daß ein
pets ſchon im Wirkelkissen die Feuertaufe so glücklich be-
tand !“ I. Wl.

Wie du mir — ſo ich dir. + Schiller lernte in seiner

Jugend Harfe spielen. Als er einmal –~ es war in Lud-

wigsburg — bei offenem Fenster übte, rief ihm sein gegen-
überwohnender Nachbar, der ihn nicht sonderlich leiden
konnte, zu: „Herr Schiller, Sie ſpielen gerade wie der
König David, nur daß Sie es nicht ſo können!"

„Und Sie," erwiderte Schiller gefaßt, „reden gerade wie
der König Salomo, nur nicht so gescheit!" E. K.

nung; man verſuchte es wieder einzurichten.

die Uhr verſagte gänzlich den Dienſt Man

einander nehmen müssen, und nachdem ſéen.

wie er es an der engliſchen Uhr geshen.

Der Schlosser erhielt Be..
 
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