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D a s B uch f ür All le.

Heft 23.





U 11.18 zo Ft Grchatslete:
haus gehen o Malt. Der Nesel soll sein Kind in
die Magdalenenkirche überführen und da aufbahren, von
dort holen wir es dann mit allen Ehren und Zeichen
ein und geleiten es auf den Friedhof. “

. Dieser Antrag fand Billigung, und der Gerichts-
fieuer Malek erhielt den Befehl, Nesſel davon zu ver-
ändigen. ;



Ein totes Kind auf der Bahre. Welch schneidende

Jronie auf das Daſein! Noch nicht gelebt und schon









gestorben ; das zarte Pflänzchen im Keime erstickt, ein
Fünkchen erloſchen, ehe es zur Flamme wurde.

Es ist natürlich, daß solch ein junger Weltbürger

eigentlich noch von niemand außer der Mutter geliebt

wird, und daß der Schmerz über ein im zarteſten Alter
entriſſenes Kind nicht so tiefe Wunden ſchlägt, wie um
jenes, das uns durch ſein Entfalten erfreut, durch seine

Leiden unser Mitleid herausgefordert, uns durch sein
Lallen und Lächeln beglückt hat, und indem es lang-
sam unter unseren Mühen und Sorgen zum Menſchen
ſich zu entwickeln begann, unserem Herzen näher trat.

So auch hier. Der Schmerz um den kleinen Karl
Johann war in der Scharfrichterei nur bei Frau Vero-
nika echt, aber die äußerliche Trauer, die an der Bahre











Verſuche mit Telkegraphie ohne Draßt zwiſchen Irankreich und England : Die Htation in Wimereux bei Zoulogne ſur Mer. (S. 555)

entwickelt wurde, war großartig –~+ sofern Pomp und
Entfaltung eines Scheinglanzes Trauer bedeuten. Mei-
ſtens kleidet sich ja die Eitelkeit der Zurückgebliebenen
in das Gewand der Trauer für den Gesſchiedenen. Hier
in ter etben Stube der Scharfrichterei Neſſel war
es gewiß so. :

Die kleine blaſſe Leiche, in weißen Muſſelin ge-
kleidet, über und über mit Blumen und Heiligenbildern
bedeckt, lag aufgebahrt im eichenen, metallbeſchlagenen
Sarge, und die vielen schweren Wachskerzen, die um
den kleinen Katafalk brannten, verbreiteten trotz der
ſchwarz ausgeſchlagenen Wände ein so helles Licht, daß
man die Apparate des traurigen Handwerkes, welches

die Nessel schon seit unvordenklichen Zeiten betrieben, .
 
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