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einem Beobachter der Mühe wert geweſen wäre,

onen jeglichen Standes und Alters an ſich

JImberg, der noch immer wie vor dreißig

| und seit dem Beginn der abendlichen Dunkel-

teilte, war zeitweilig von Personen beiderlei

Pfandleiher, einem kaum mittelgroßen Männ-





;tiù

















Illuſtrirte Familien-

Zeitung.





Der Schmetterling.
Uevrlle

f von

| : Reinhold PBrtmanne.

; . (Nachdruck verboten.)

Erltes Fiapitel.
])as Bureau des Pfandleihers Auguſt Im-
| berg lag in einer jener ſtillen Seiten-
ſtraßen, wo um die Abendzeit der Ver-
kehr faſt ganz aufhörte, und wo die

ES)?;, ſpärliche Beleuchtung den wenigen Paſsan-
Z ten kaum gestattete, einander im Vorüber-
[l . gehen zu erkennen. Es befand ſich dort
Ahn. ſchon ſeit mehr als dreißig Jahren.

In der Nachbarſchaft hieß es, der alte
Imberg ſei bei ſeinem Geſchäft ein wohlhaben-
der Mann geworden. Jedenfalls war ſeine
Kundſchaft eine sehr zahlreiche, und wenn es



unter dem halbdunklen Thorweg des alten
Hauſes ein paar Stunden lang auf der Lauer
zu stehen, so hätte er gewiß gar viele Per-

vorbeihuſchen sehen. Sie blickten meist ſcheu
umher, als ob ſie ſich auf verbotenen Wegen be-
fänden, um dann behend in dem hofwärts ge-
legenen Eingang des Imbergſchen Geſchäftsn.
lokals zu verſchwinden. ;
Namentlich an den Sonnabenden, oder
~ wenn der Monatserſte vor der Thür ſtand,
war des Zulaufs ſchier kein Ende, und Auguſt

Jahren alle Obliegenheiten seines Berufes
ganz allein besorgte, wußte trotz ſeiner erſtaun-
lichen Beweglichkeit die Fülle von Arbeit zu-
weilen kaum zu bewältigen. ,
Einen solchen heißen Tag gab es für ihn
auch heute. Es war der lette des Monats

heit hatte die heiſere Thürglocke, deren An-
ſchlagen jedesmal den Eintritt eines neuen Be-
ſuchers verkündete, kaum eine Minute lang
geschwiegen. Der kleine Raum vor dem Laden-
tiſch, der das ſchmale Comptoir in zwei Hälften
Geschlechts faſt überfülle. Es koſtete dem
chen mit faltigem, gutmütigem Gesicht und
hellen, klug blickenden Augen, dann oft nicht
geringe Mühe, die Ungeduldigen zu beſchwich-
tigen, von denen jeder als der erſte abgefertigt
werden wollte.
Cin anderer- an ſeiner Stelle wäre bei der
_ Mannigfaltigkeit der Dinge, die ihm da zum
Versa angeboten wurden, und deren jedes
doch auf ſeine Beſchaffenheit geprüft und auf
einen Wert abgeſchätzt werden mußte, mit sol-
_ chem Andrange wohl überhaupt kaum fertig ge-





| worden. Aber Auguſt Imberg hatte in ſeiner langen

Praxis Erfahrung und Sicherheit genug gewonnen,

um meiſt mit einem einzigen Blick taxieren zu können,

was er ohne eigene Gefahr auf ein Unterpfand dar-
leihen dürfe, und die meiſten dieser Schmucksachen,
Uhren und Kleidungsstücke wanderten ja auch nicht
zum erſtenmal durch seine Hand.

Ueber das, was er einmal geboten hatte, ging er
niemals hinaus, und wenn hie und da ein Neuling
verſuchte, die Abwickelung des Geschäfts durch eine

höhere Forderung aufzuhalten, ſo schob er ihm sein

Eigentum ſtillſchweigend wieder zu. Die Prüfung
der Legitimation, die er nach der gesetzlichen Vorſchrift
'! UG! t gr JS Ja ve üg.
kreiſchender Feder an einem urnalten, "wurmſtichigen
Stehpult bewirkte. In dem gewaltigen eisernen Geld-
ſchrank aber ſchienen wunderbarerweiſe die erforderlichen



deutscher Spezialkommissar für Samoa. (S. 570)



Beträge für jeden einzelnen Fall ſchon abgezählt be:.
reit zu liegen, denn Auguſt Imberg brauchte niemals
mehr als einen einzigen Griff, um die benötigte, meiſt

allerdings recht geringfügige Summe in der Hand zu

habet! n hatte er einer blaſſen, krank und verhärmt
ausſehenden Arbeiterfrau die wenigen Groſchen hin-
gezählt, die der Sonntagsrock ihres Mannes bei wohl-

wollender Schätzung allenfalls noch wert sein mochte,

und andere drängten sich nun an ihre Stelle. Der
Pfandleiher aber wandte ſich über ihre Köpfe hinweg
nach dem dunklen Hintergrunde des Raumes. Seine
ſcharfen Augen, denen trotz ihrer vielseitigen Jnan-
ſpruchnahme nichts zu entgehen schien, hatten da eine
Person erspäht, die ſchon ſeit geraumer Zeit mit ſcheu
geſenktem Kopfe dicht neben der Eingangsthür ſtand,
wie wenn es ihr an Mut gebräche, näher zu dem Tiſche
heranzutreten.

„Wenn Sie immer dahinten bleiben, mein
liebes Fräulein, " sagte er in der freundlich-
jovialen Weiſe, die ihm eine beſondere Be-
liebtheit bei ſeiner Kundſchaft eingetragen hatte,
„ſo können Sie bis zum Geſchäftsſchluß warten,
ehe Sie d'rankommen. Laſſen Sie doch 'mal

ſehen, was Sie mir Schönes bringen.“

Das junge Mädchen, denn nur ein ſolches
konnte, nach ihrer ſchlanken und zierlichen Figur

zögernd. Bereitwillig hatten ihr die anderen
Platz gemacht, und alle Blicke waren neugierig
auf sie gerichtet. ;
: Man hielt sie offenbar für eine Ange-
hörige der beſſeren Stände, obgleich der dunkle
Regenmantel, der das feine Figürchen knapp
umſchloß, von der darunter befindlichen Klei-
dung nichts wahrnehmen ließ, und obgleich
sie ſtatt des Hutes ein rotes Kopftuch von
flockiger Seide trug, wie die Damen es auf dem
Heimweg aus dem Theater oder aus Geſell-
ſchaften zu benutzen pflegen. Daß sie ihr Ge-
ſicht mit Hilfe dieses Tuches nach Möglichkeit
zu verstecken ſuchte, fand mit Rücksicht auf den
Ort, wo es geſchah, niemand beſonders ver-
wunderlich. Wäre doch jeder am liebſten mit
einer Tarnkappe hierher gekommen, die ihn
für alle anderen als für Auguſt Imberg un-
ſichtbar machte. Ein allerliebſtes gerades Näs-
chen, ein kleiner, kirſchroter Mund und ein
Paar runde, ängſtlich blickende Augen gewahrte
man allerdings troy der dichten Umhüllung,
und vermutlich war es nicht zum wenigsten
diesem hübſchen Geſichtchen zuzuſchreiben, daß
der Pfandleiher dem jungen Mädchen das
_ gzaudernd dangereichte winzige Päckchen mit
“ven ſo verbindlichen Lächeln aus der Hand
nahm.

Er trat an das von zwei Gaslampen hell
beleuchtete Stehpult und löste die papierene
Umhüllung. Ein Etui von rotem Leder kam
daraus zum Vorschein, und als er es öſfnete,
funkelte ihm auf weißſeidenem, etwas vergilbtem
Kissen eine große, altmodiſch geformte Broſche
entgegen, die einen aus Brillanten und far:



zu urteilen, die Angeredete sein, näherte ſih
 
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