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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0019
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v38 Luch für LIle --- -- — lieft l

sonst? Manchmal träume ich aller-
dings —"
„Wovon?" fragte er dringend
„Von —" Sie wollte sagen, von
einem Prinzen in weißem Flanell-
anzug mit gelben Schuhen, errötete
aber und wandte sich ab. „Dummes
Zeug! Wovon soll ich denn träu-
men?"
„Und Ihr Herz? Fühlen Sie das
nie?" forschte er. „Steigen darin nicht
Gedanken auf, Empfindungen, Hoff-
nungen, Wünsche —"
„Na, und was denn sonst noch!"
lachte sie hell auf.
„Kein Sehnen — fort von hier?'
fuhr er leiser fort. „Es ist doch st,
einsam hier, wenn der lange Winter
Sie einschueit, Sie abschlieht von der
Welt, die so schön, so wunderschön ist,
so reich an Leben und Lieben, an


ln Mute geschossene Ngaoen.



Cinsammeln der reifen ügaoenbiälter.
Geben und Nehmen. Es hat doch jeder
seine Bestimmung in der Welt. Glauben
Sie, daß es Ihre Bestimmung ist, im Heide-
haus zu leben, zu welken und zu sterben?"
Sie war ernst geworden. „Tante beklagt
sich nie."
„Aber Sie — Sie, Fräulein Mieze! Im
ersten Lenz! Zwischen Immortellen und
Mairosen ist doch ein Unterschied. Es hat
doch etwas zu bedeuten, wenn die Kind-

heit vorüber ist, und der Abschnitt be-
ginnt
„Welcher?" fragte sie neugierig.
„Wo das Herz zu sprechen beginnt."
Sie ward, ohne zu wissen warum, ver-
legen. „Vielleicht weiß Tante —" sagte sie
stockend. „Da kommt sie."
Das alte Fräulein stand kerzengerade
in der Haustür und blickte scharf auf das
reizvolle Genrebild am Staketenzaun.
Willi Seller wandte sich hastig ab und
schritt dem Eingang zu. Ihm tat das Herz
weh. Etwas in ihm drängte danach, das
süße Geschöpf an sich zu ziehen und fest-
zuhalten und — zu schirmen. Wogegen?
Er wußte es nicht. Die Empfindung lag
über ihm wie eine finstere Wolke.
Das alte Fräulein führte ihn ins Zimmer.
„Also Sie wollen schon wieder fort, Willi?
Schade! Aber was sein muß, muß sein.
Vielleicht ist's auch gut so — ganz gewiß
sogar."
„Ich weiß, was Sie sagen wollen, Fräu-
lein Helling, und es ist mir lieb, daß Sie
selbst mir den Anfang geben. Ich liebe
Marie — mein Vater weiß cs. Es ist ja

Klopfen und entfafern der UgaoendlZtter.

Vie üanfkultui- in Veulfch-Ostafn'kn. (5.8.)

auch nichts Auffälliges und Überraschen-
des dabei — Nachbarskinder, nicht wahr?
Immer aufeinander angewiesen ge-
wesen. Ich kann nicht sagen, wie ich
Mieze liebe — und was ich tun möchte,
ihr das Leben an meiner Seite schön
und froh zu machen."
„Na, davon ist nun vorläufig keine
Rede," fiel das alte Fräulein bedächtig
ein. „Hier nichts, da nichts — gibt
Null. Abgesehen davon ist Mieze noch
ein reines Kind."
„Ich verlange auch nur das Ver-
sprechen —"
„Nur das Versprechen?" Die Augen
des alten Fräuleins funkelten ihn ener-
gisch an. „Lieber Willi, das wäre, als
bände ich Mieze eine Strippe an den
Fuß wie einem Maikäfer, der dann nie
zum rechten Flnge kommt."
„Ich will Rechtsanwalt werden,
dann komme ich scl netter zum Ziel,"
fiel Seller ein.
„Na ja, in so und so viel Jahren
werden Sie eine Frau ernähren können.
Darüber rede ich nicht. Ich spreche von
dem Wagnis,
lieber Willi.
Was weiß denn
meine kleine
Pute vom Le-
ben? Von
Männern?
Außer Ihnen
kennt sie ja nur
Ihren Herrn
Vater und
Sodmann. Als
ihr neulich ein
anderes Exem-
plar in den
Weg gelaufen
ist, war sie total
vom Bändel
los, was mir
zu denken gab.
Wo ist jetzt eine
 
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