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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0088
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k)est 3

— Va5 Luch sül-MIe

75

hat, kann er sich wirklich als Herrn der Schöpfung
betrachten."
Da läutete die Glocke und majestätisch senkte sich
unser Luftschiff auf die mächtige, brausende Welt-
stadt hinab.

Mannigfaltiges.

(Nachdruck verboten.)

Me ZZedeutung des Laubfalles. — Die neueren For-
schungen hoben ergeben, daß der Laubfall das Leben der
Pflanzen in mehr als einer Hinsicht wesentlich fördert; er
ist nicht nur ein Sterben der Blatter, sondern auch der erste
Schritt für die Entwicklung der künftigen Generation. Durch
oas fallende Laub erhält der Boden die von den Pflanzen
entzogenen mineralischen Substanzen wieder, indem die Blätter
durch den Prozeß der Humusbildung in einen Zustand über-
geführt werden, der den Wurzeln gestattet, das so ver-
wandelte Blättermaterial wieder der Pflanze cinzuverleiben.
Bei diesem Prozesse sind Bakterien, Pilze, Insekten und
hauptsächlich Regenwürmer tätig.
Die Blätter versorgen aber auch den Boden mit den für
die Humusbildung notwendigen Bakterien, indem sie, solange
sie grün sind, diese kleinen Organismen aus der Luft an-
sammeln. Prof. Wiesner hat die Oberfläche der gesamten
Blätter eines Baumes 200- Lis lOOOmal größer als die
Grundfläche der Baumkronen gefunden, und dieser viel-
gestaltige, bei den einzelnen Baumarten verschieden dichte
Blütterschirm gleicht öincm Filter.
Ein fast noch wichtigerer Zweck des Laubfalles ist jedoch,
daß durch ihn der'WLg für das Licht zu den neuen Blatt-
knospen frei wird, womit die Entwicklung des neuen Laubes
beginnt. Es dringt zum Beispiel in eine belaubte Buchen-
krone nur ungefähr ein Sechzigstel der vorhandenen gesamten
Lichtmenge eines Sonnentages, in eine entlaubte dagegen
ein Drittel, also zwanzigmal mehr.
Jedes Blatt Hot seine bestimmte Lebensdauer, nach deren
Ablauf es unbedingt welken muß. Würden nun die vielen
Blätter unserer Laubbäume einzeln zu verschiedenen Zeiten
abfallen, dann käme nie so viel Licht aus einmal in die
Baumkronen, als zur Entwicklung des Nachwuchses der
Blätter erforderlich ist. Die Bäume müßten in diesem un-
günstigen Falle einen anderen Wuchs und eine neue Ver-
zweigung annehmen, woran sie aber durch die Gesetze ihrer
spezifischen Gestaltung gehindert werden. Der gleichzeitige
und meistens vollständige Laubfall, der ziemlich schnell statt-
findet, ist sonach ein Vorgang von einleuchtender Zweck-
mäßigkeit, der, wie alle natürlichen Anpassungen, sehr ver-
schieden verläuft, weil er sich nach den individuellen Ver-
hältnissen der verschiedenen Pflanzen zu richten hat.
Darin liegt nun auch die Ursache einiger interessanter
Erscheinungen des Pflanzenlebens. Der in Nordamerika
vorkommende Strauch Duputorium näonoxüorurn behält
zum Beispiel sein Laub auch im Winter, nachdem alle übrigen
Sträucher ein blattloses Aussehen angenommen hoben. Diese
Erscheinung konnte man lange Zeit nicht erklären, obgleich
man wußte, daß auch hier eine natürliche Ursache vorhanden
sein muß. Die Blätter dieses Strauches stehen zerstreut und
durch Zwischenräume getrennt auf den Zweigen, sie be-
schatten sich daher nicht gegenseitig, sind auch ihrer nächsten
Generation nicht hinderlich, weshalb ihre Lebensdauer nicht
abgekürzt werden muß.
Diesen Zusammenhang sehen wir bei den Gräsern noch
viel auffälliger vor Augen geführt. Die Blätter der Gräser-
fallen bekanntlich nicht ab, sondern vermodern an der Pflanze
selbst. Wenn sie aber an einem Gewächse so dicht werden,
daß sie der Nachkommenschaft den Zutritt des Lichts ver-
wehren, tritt eine Ausnahme ein, und sie verhalten sich dann
so wie die Laubbäume. Dies sehen wir zum Beispiel an
dem Bambusgras, welches die Dimensionen und den Wuchs
eines Baumes erreicht und sehr dichte Blattkronen bildet.
Unter solchen Umständen ist der regelmäßige Laubfall absolut
geboten, und das Bambusgras hat ihn denn auch im Gegen-
sätze zu seiner Art längst eingeführt.

Das gleichzeitige Sterben der Blätter im Herbste stellt
somit nicht bloß eine große Ernte des Todes dar, es ist
vielmehr eine wundersame Anpassung an das Leben, eine
freiwillige Resignation der einen Sommer alten Blätter, da-
mit der nachdrängenden neuen Generation der Weg zum
Lichte freigegeben werde. A. E.
Wicht gespielt und doch gewönne». — Als in Ems noch
eine Spielbank war, trat der zur Kur dort weilende Fürst
Reuß in das Lesezimmer des Kurhauses. Im Begriff, sich
zu setzen, sah er auf dem Fußboden ein Goldstück liegen.
Niemand war im Zimmer. „Der Zufall hat mir dieses Geld
in die Hand gespielt," sagte der Fürst zu sich, „wollen doch
sehen, was der Zufall damit macht." Rasch entschlossen be-
trat er das Spielzimmer, setzte das Goldstück und hatte nach
kurzer Zeit einen Gewinn von 4000 Gulden erzielt. Mit vier
Tausendguldenscheinen in der Hand betrat er wieder das
Lesezimmer, wo er jetzt einen jungen Mann fand, der ängstlich
etwas suchte.
„Haben Sie etwas verloren?" fragte er ihn.
„Ja, ich vermisse ein Goldstück und glaube es hier ver-
loren zu haben."
„Ich habe es gefunden, es ist jedoch nicht mnne Schuld,
daß das Goldstück sich inzwischen an der Spielbank in Papier
verwandelt hat."
Damit drückte der Fürst dem jungen Manne die vier
Banknoten in die Hand und entfernte sich so schnell, daß
jener sich gar nicht bedanken konnte. Der junge Mann war
ein Lehramtskandidat, der seiner Gesundheit halber das Bad
aufsuchen, aber seiner Mutter hatte versprechen müssen, nie-
mals das Spielzimmer zu betreten. Er hatte sein Versprechen
gehalten, aber der Zufall wollte es, das; er, ohne zu spielen,
doch einen bedeutenden Gewinn davontrug. Dr. W.
Arzte für Arsche. — Es ist allgemein bekannt, daß die
Tierärzte auch an Elefanten oder Raubtieren der Menage-
rien ihre Kunst ausüben. Dagegen werden es wohl nur
wenig Leute wissen, daß es besondere Fischärzte gibt. In
der Tat ist aber in allen großen Aquarien ein Arzt mit einem
sehr hohen Gehalt angestellt, der, um' zu diesem beneideten
Posten zu gelangen, über die Krankheiten der Fische und ihre
Entstehung besondere Studien hat machen müssen.
Die Fische sterben nämlich nicht nur, wie man glauben
sollte, an Altersschwäche oder weil sie gefangen werden; sie
haben vielmehr ganz besondere Leiden, wie alle Tiere. Ein-
zelne Bewohner der Aquarien gehören sehr seltenen Arten
an, die aus fernen Meeren oder Flüssen stammen, und die
man nur mit großen Kosten und tausend Schwierigkeiten nach
Europa hat bringen können. Ihr Preis ist infolgedessen ein
sehr hoher, und die Besitzer der Aquarien tun alles, um sie
so lange als möglich zu erhalten.
Die großen Etablissements haben daher sämtlich Spezial-
räume, die für die kranken Fische bestimmt sind, und das
Lazarett darstellen. Hier befinden sich getrennte Bassins, in
denen die Fische beobachtet werden, Vorräte an verschiedenen
Medikamenten, Operationstischs, äußerst komplizierte chirur-
gische Instrumente, kurz, ein ganzes Arsenal für Chirurgie
und Medizin.
Sobald der Fischarzt bei seinem täglichen Besuche bemerkt,
daß eines der Tiere krank zu sein scheint, holt er es sofort
mit einem Netz heraus und setzt es in ein getrenntes Bassin,
denn fast alle Krankheiten der Fische sind ansteckend, und
man muß den Patienten entfernen, bevor seine Gefährten
jene gefährlichen Keime in sich ausgenommen haben.
Eine der gewöhnlichsten Krankheiten bei den Fischen ist
ein Geschwür auf dem Kopfe; man kann es leicht aufstechen
oder ausbrcnnen. Aber meistens versucht man eine an-
dere Behandlung, die wahre Wunder wirkt. Man versetzt
nämlich die Salzwasserfische in Süßwasser und die Süß-
wasserfische in Salzwasser. Das Geschwür vertrocknet und
verschwindet, und diese „Luftveränderung" heilt die Fische in
den meisten Fällen.
Bei den großen Meerschildkröten, die die schönsten Schup-
pen liefern, kommen hornartige Auswüchse am Halse vor,
die ihnen große Schmerzen bereiten, und diese Auswüchse
erfordern eine regelrechte Operation. Mit einer Art-Lanzette
trennt der Arzt dis Ränder des Geschwüres los, das dann

mit Zangen kMauSgezogen wird. Zuweilen ist die Mitwir-
kung von mehreren Personen von nöten, um der Schildkröte
diesen Auswuchs zu entfernen.
Manchmal kommt es auch vor, daß wertvolle kleine See-
schlangen sich die Haut geritzt haben, weil sie sich in die Röhre
drängten, die das Wasser in das Bassin leitet. Man pfropft
ihnen sofort die Haut eines Aals auf, die in den meisten
Fällen vorzüglich anheilt.
Die schönen exotischen Salamander, die sich den Schwanz
oder einen Fuß brechen, werden genau so behandelt wie die
Menschen, wenn sie ein gebrochenes Glied haben. Man legt
dem Tier Binden und Gipsverbände an, und der Bruch

heilt dann sehr leicht.
Alle diese Tiere, selbst die scheuesten Fische, lassen sich
gern pflegen und scheinen die guten Absichten ihres Arztes
zu ahnen. L—m
Zur Geschichte der Milchbrötchen. - Die heute noch
so beliebten Milchbrötchen wurden von einer Kammerfrau der
Königin Maria von Medici, der Gemahlin Heinrichs IV von
Frankreich, im Jahre 1608 erfunden und „Königsbrötchen"
genannt. Sie wurden aber, da ihre Zubereitung und Her-
stellung längere Zeit der Bäckerzunft ein Geheimnis blieb,
von derselben mit allen Mitteln angefeindet, ja es wurde
sogar gegen ihre Verbreitung der Schutz der Gerichte an-
gerufen. Letztere glaubten auch, triftige Gründe zu haben,
diesem Verlangen nachzukommen, da es Sitte geworden war,
den Namen der Geliebten auf ein frisch aus dem Ofen

gekommenes Milchbrot zu schreiben und demselben alsdann
nachzurühmen, daß es, von jenem Mädchen gegessen, Gegen-
liebe erzeugen sollte. Berühmte Ärzte wehrten diesem Genüsse,
und das Parlament, welches die Brötchen chemisch untersuchen
ließ, untersagte deren Anfertigung und Verkauf als der Gesund
heit nachteilig. Aber das Milchbrötchen überwand alle Anfein-
dungen, und wenn es im Laufe der Zeit auch manchen Kon-
kurrenten neben sich dulden muß, so wird es doch immer
noch seinen Platz an der Frühstückstafel behaupten. C. T.
Iie Zähne im Zlnterkicser. — Man kann sehr häufig
die Beobachtung machen, daß bei älteren Personen die
Schneidezähne und Eckzähne des Unterkiefers noch gut er-
halten sind, während dieselben Zähne des Oberkiefers schon
längst zerstört oder ausgefallen sind. Diese merkwürdige
Erscheinung hängt mit der Umspülung der Zähne durch den
Speichel zusammen. Der Speichel ist nämlich reich an Al-
kalien, besonders an Verbindungen des Kalis und Natrons,
und stellt daher eine Art von Lauge dar. Dadurch wirkt er
aber den Mundsäuren, die aus den Resten der Speisen ent-
stehen, und namentlich der Milchsäure, die sich durch die
Gärung stärkehaltiger Nahrungsmittel bildet, entgegen, in-
dem er sie verdünnt und unschädlich macht. Denn die Mund-
säuren sind die erste Ursache der Zahnfäule. Sie zerstören
den harten Schmelz der Zähne und greifen dann das weichere
Zahnbein an, so daß sich nun hier Fäulniserreger festsetzen
und die Erkrankung der Zähne Hervorrufen können. Von
den drei Paar Speicheldrüsen aber, die den Speichel ab-
sondern, liegen im unteren Teile der Mundhöhle und in der
Nähe der unteren Schneide- und Eckzähne die beiden Unter-
zungen- und die beiden Unterkieferdrüsen. Sie umspülen
mit ihrem Speichel beständig die Vorderzähne des Unter-
kiefers, so daß hier die Mundsäuren zersetzt werden, und so
das Auftreten der Zahnfäule verhindert wird. Dadurch aber
wieder werden diese Zähne vor ihrem ärgsten Feind geschützt
und bleiben deshalb länger erhalten als die weniger vom
Speichel umspülten Vorderzähne des Oberkiefers. Th. S.
Wirchow als tzraminator. — Von Professor Virchow,
der als der gefürchtetste Examinator Berlins seinerzeit galt,
erzählt man sich folgende Anekdote. Der große Gelehrte war
im Staatsexamen bei einem jungen Russen angelangt und
wollte die Bestimmung eines in seinen Funktionen von ihm
beschriebenen Organs im menschlichen Körper haben.
„Das ist der Lepper," meinte der Kandidat nach einigem
Nachdenken.

Darauf erwiderte Virchow: „Erstens heißt es nicht Lepper,
sondern Leber, zweitens heißt es nicht der Leber, sondern
die Leber; drittens ist es nicht die Leber, sondern die Lunge,
und viertens können Sie jetzt gehen." M. H.



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Kenntnis des Erdballs und seiner Bewohner das größte Interesse entgegenbringsn und in
welcher Mangel an geographischem Wissen als Lücks in der Bildung des Einzelnen schmerz-
licher empfunden wird denn je. — Hellwalds „Die Erde und ihre Völker" hat bekanntlich
bisher eine ungewöhnlich günstige Aufnahme in den gebildeten Kreisen nicht allein Deutsch-
lands, sondern ganz Europas gefunden. Das Werk ist in acht fremde Sprachen übersetzt
worden und hat sich als Hausbuch im besten Sinne des Wortes eingebürgert. Durch voll-
ständige Neubearbeitung, zahlreiche neue, meist nach der Natur aufgenommene Illustrationen,
sowie neues Kartenmaterial ist Hellwalds „Erde" wieder ganz auf die Höhe des gegen-
wärtigen Standes der Forschung gebracht und wird als volkstümliches, dabei aber wissen-
schaftlich wertvolles Werk abermals viele neue Freunde gewinnen.
s « » 2u höben in cken meisten LucdbancUungen. » « s

Naturaufnahme im Besitze des Museum Umlauff in Hamburg.
CrkimolamNie.
 
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