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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0168
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v38 Luch fül-MIe

liest 7

h^rgusholea des LIugfchiffes aus der Dallonhalle bei lllsnrel!.
Nsch eines phsiogrnpins non kdunrd Schwäre in friednchshnfen.


Da fühlte Mia, daß die Art, wie sie jetzt ihren
Wunsch erfüllte, bestimmend auf die Stellungnahme
ihres Gatten wirken mußte. Diese Erkenntnis
dämpfte ihren leidenschaftlichen Eifer.
„Ich komme," sagte sie und spürte plötzlich so
zwingende Müdigkeit über sich hinschleichen, daß sie
einen Stuhl ergriff und sich darauf niedersetzte, „ich
komme, mich noch einmal nach der Dame zu er-
kundigen, welche damals das Kind der sterbenden
Frau Frank mit sich nahm. Ich glaube diese Dame
zu kennen — und das Kind."
„Was die Frau Baronin sagen!" rief die Gärt-
nerfrau mit ehrlichstem Staunen. „Das kleine
Wurm auch?"
„Es handelt sich dabei um die Bestätigung dessen,
was Sie schon einmal andeutcten, um das Leben
und Sterben der Mutter."
„Das kann ich Wort für Wort beschwören!" Und
weil hiermit Wasser auf ihre Mühle floß, begann sie
in breitester Ausdehnung das Leben der Familie
Frank in ihrem Hause zu schildern. Wie glücklich
die Frau mit dem stattlichen Mann gewesen, der
das tägliche Brot sauer genug erwarb. Wie sie
kränklich ward und, um ihm die Sorge für Arzt


ihm immer wieder zu versichern, daß keine Herzens-
härte seiner Mutter die Seligkeit ihres Glücks min-
dern könne!


Sie zog
den Fenster-
vorhang zur
Seite. Die
Straße lag
wie ausge-
storben —
und schwer,
schwerlastete
plötzlich diese
Stille und
das Dunkel
auf Mias
Brust.
Lampen
waren nicht
zur Hand,
aber auf
Mersbachs
Schreibtisch
stand ein
Wachsstock.

Das Llugfchlff karr vor dem llufftleg. Näch einer phvwgrnpdie I>vn edusrd Schwäre in Priedrich5üafsn


Sraf rerd. o. Zeppelin.

Das Plugschiff in den Lüften. Nach einer plwwgrWdie von eduard Schwirr in rriedrichsdasen.
Vie vei-suchsfghN mit dem Zeppelmschen Nugschiff. (5. 1S2)

Denzündete
Mia mit be-
sonderer Freude an und rückte ihn dicht an den
Briefbogen, der ihren Sehnsuchtsruf hinaustragen
sollte zu dem Geliebten
ins Manöverfeld.
Und wie sie an ihn
dachte, an ihn, den
Schönsten und Mutig-
sten von allen, wurde
ihr so wonnig heiß ums
Herz, daß sie den Bo-
gen, welcher seinen Na-
men tragen sollte, auf-
hob und an ihre Lip-
pen drückte.
Sie schrieb und
schrieb.
Die ganze Szene
mit Pastor Setter war
geschildert. Da stockte
ihre Feder.
Das, was am näch-
sten lag, hatte sie nicht
getan, hatte die Gärt-
nerfrau nicht noch
einmal befragt nach
dem ganzen Elend ihrer
Mutter. Und gerade
das mußte Richard wis-
sen, sollte er gerecht
urteilen zwischen ihr
und seiner eigenen
Mutter.
Mia warf die Fe-
der beiseite und sprang
auf. Wie gejagt eilte
sie aus dem Zimmer
und die Stufen hin-
unter nach der Portier-

wohnung, wo die Gärtnerfrau allein Hinterm und Apotheker abzunehmen, durch Handarbeiten
Lampenschirm saß und Wüsche ausbesserte. Geld zu verdienen suchte. Wie sie nie über ihren
„Ach — die Frau Baronin!" Sie sprang in Zustand geklagt und sich der schlimmen Hustenanfälle
die Höhe und eilte ihr bis zur Tür entgegen. in Gegenwart ihres Mannes mit allen Kräften er-
wehrt habe, um seine
Ruhe nickt zu stören.
Wie dann eines Tages
der tödlich Verletzteins
Hacis getragen ward,
und sie bewußtlos an
seinem Lager zusam-
menbrach, von dem er
sich nicht wieder er-
heben sollte. Wie sie
dann kraftlos und eiend
dahinsiechte — und wie
sie nach der Geburt des
Kindes unter heißen
Tränen Gott anslehte,
sie beide zu sich in sein
Himmelreich zu neh-
men.
Das alles und noch
viel mehr glitt ohne
Unterbrechung über die
geschwätzigen Lippen
der Gärtnerfrau.
Mia fühlte zuletzt
ihr Herz im Halse schla-
gen, als sie sich aufrich-
tcte und an den Tisch
trat. „Ich bin beauf-
tragt, Sie für Ihre
Menschenfreundlichkeit
gegen die Verstorbene
zu belohnen." Sie
nahm mit unsicherer
Hand zwei Hundert-
markscheine aus ihrer
Geldtasche und reichte
 
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