Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Die S>auglingspstegmn. Don Emma Stropp.
ehr als in früheren Jahren ist die allgemeine Aufmerksamkeit auf
die Wichtigkeit der Erhaltung des Kindeslebens gerichtet. Der
Krieg ritz Lücken in den Volksbestand, die sich in absehbarer Zeit
nur dann schließen werden, wenn versucht wird, der Kindersterblichkeit
entgegenzuarbeiten.
Die Wandlung wirtschaftlicher Verhältnisse stellte zahlreiche Mädchen
und junge Witwen vor die Notwendigkeit, einen
Beruf zu ergreifen. Unter ihnen sind nicht wenige,
denen manche Lebenshoffnung zerstört wurde. Sie
werden sich besonders innerlich gedrängt fühlen,
mit notwendiger Berufsarbeit so weit als möglich
ideelle Gesichtspunkte zu verbinden; ihre Liebes¬
fähigkeit und Mutterempfinden der sozialen Arbeit
einzuordnen. Der Beruf der Säuglingspflegerin er¬
möglicht wirtschaftliche Sicherstellung und Befriedi¬
gung des in den meisten Frauen vorhandenen Mütter-
lichkeitssehnens.
Vor dem Kriege schon war eine Strömung vor¬
handen, die diesem weiblichen Beruf ihre Achtsam¬
keit zuwendete und bemüht war, allen in ihm
Tätigen die äußere Stellung zu geben, die ihnen zu
Anstellungen in Familien den Anspruch zu sichern
suchte.
Seit Jahren bildet man in Deutschland plan¬
mäßig Kräfte für die Pflege des jungen Kindes in
Familien und Anstalten aus. Im Jahre 1912 wurden
durch Anregungen des Berliner Kaiserin-Auguste-Vik¬
toria-Hauses zur Bekämpfung der Säuglingssterblich¬
keit einheitliche Grundsätze dafür ausgearbeitet. Man
gliederte die Aufgaben der in der Säuglingspflege
tätigen Frauen in solche der Säuglingskranken¬
pflegerin und der Säuglingspflegerin. Nach dem
Grade der Verantwortlichkeit, der dazu notwendigen
Erfahrung und des Wissens mußte auf Vorbildung
gesehen und der Ausbildung besondere Sorgfalt zugewendet werden.
Die Säuglingskrankenpflegerin, die vor allem in An-
stalten tätig zu sein und in der öffentlichen Fürsorge zu wirken hat,
muß weit größeren Anforderungen genügen, als dies von der Pflegerin
eines gesunden Kindes in der Familie
verlangt wird. Für ihre Ausbildung
werden zwei Jahre gefordert, von
welcher Zeit ein Jahr ausschließlich
der Säuglings- und Kinderpflege ge¬
widmetbleibt. Durch Prüfung an einer
staatlich anerkannten Anstalt erhält diese
Aüsbildung ihren Abschluß.
Eine Säuglingspflegerin
soll mindestens ein halbes Jahr in
einer anerkannten Anstalt tätig gewesen
sein. Auch von ihr wird eine Schlu߬
prüfung verlangt. Es bestehen Be¬
strebungen, auch dieser Prüfung staat¬
lichen Charakter zu verleihen, die Aus¬
stellung eines staatlichen Diploms an¬
zustreben. Bisher war eine staatliche
Regelung der Ausbildung zur Säug¬
lingspflegerin nur in den Eroßherzog-
tümern Hessen und Sachsen-Weimar,
sowie in Hamburg möglich. Fast alle größeren und führenden Säuglings-
pflegerinnenschulen halten sich an die zuerst angeführten Grundsätze ge-
bunden. Auch eine größere Zahl von sogenannten „Tageskrippen" und
ähnlichen Einrichtungen offener Säuglingsfürsorge beschäftigen sich mit der
Ausbildung von Säuglingspflegerinnen. Es darf nicht verhehlt werden,
daß gründliche, umfassende Ausbildung an solchen Stellen nicht gegeben
werden kann. Wie die maßgebenden Stellen mit vollem Recht betonen,
kann nur durch fortlaufende Beobachtung und Pflege von Säuglingen
die nötige Reife gewonnen werden. Dringend ist daher für den Fall der
beabsichtigten Ausbildung als Säuglingspflegerin zu empfehlen, sich über
die Art der Schulung genau zu unterrichten, die an einer Anstalt ge-
boten ist. Frauenberufsberatungsstellen, die in fast allen größeren Städten
bestehen, können darüber Auskunft geben. Die von den Leitern des

Kaiserin-Auguste-Viktoria-Hauses zur Bekämpfung der Säuglingssterblich-
keit herausgegebene Schrift: „Der Beruf der Säuglingspflegerin" (Ver-
lag Julius Springer, Berlin) enthält e'ne Zusammenstellung jener An-
stalten, an welchen die geforderten Vorbedingungen gegeben sind. Das
Mindestalter für die Aufnahmen in solchen Anstalten ist das achtzehnte
Lebensjahr. An einigen besteht die Forderung, das zwanzigste erreicht
zu haben. Die meisten Anstalten setzen die Höchstgrenze auf 30 Jahre,
doch sind Ausnahmen in einzelnen Fällen bis zu 35 und 40 Jahren geboten.
Für den Beruf der Süuglingskrankenpflegerin wird fast überall höhere
Schulbildung verlangt. Zu den unumgänglichen
Aufnahmebedingungen der meisten Anstalten gehören
die Forderung höherer Mädchenschulbildung, ihr
„gleichwertige Bildung" oder „ausreichende allge-
meine Bildung". Einzelne Anstalten setzen gleiche
Vorbedingungen auch für den Beruf der Säuglings-
pflegerin. Bei den meisten Anstalten aber ist die
Aufnahme oder Ablehnung nicht durch Forderung
höherer Schulbildung bedingt; die Eignung für die
Säuglingspflege ist darüber entscheidend. Fast über-
all geht ein Probemonat der Einreihung in die
Lehrkurse voran. Die leitenden Stellen bilden sich
so ein Urteil, ob Bewerberinnen geistig, moralisch und
in praktischer Eignung dafür befähigt sind. Unbedingte
Voraussetzung ist in jedem Falle Gesundheit.
Die Kosten der Ausbildung für die Säuglings-
pflege am Kaiserin-Auguste-Viktoria-Haus in Berlin
wurden für den 1. Oktober 1916 für den einjährigen
Lehrgang auf 800 Mark für Beköstigung und Woh-
nung gesetzt. 400 Mark sind für die Kurse zu entrich-
ten. Hauswirtschaftliche Vorbildung und Ablegung
eines Lehrganges im Fröbelunterricht gelten an dieser
Anstalt vom gleichen Tag ab als Vorbedingung für die
Aufnahme. Die Ausbildung zur Säuglingskranken-
pflegerin baut auf dieser Grundlage auf und fordert
ein weiteres Jahr. An anderen Anstalten sind die
Kosten der Ausbildung zur Säuglingspflegerin etwas
geringer, an einigen ist sie sogar unentgeltlich; viel-
fach wird Stellung einer Sicherheitsgewähr verlangt und häufig vom
zweiten Halbjahr an Taschengeld gewährt.
Gut vorgebildete Süuglingspflegerinnen werden in den Familien mit
60 Mark monatlich bezahlt, bei kurzfristigerer, bescheidenerer Vorbildung
mit 30 bis 40 Mark bei freier Woh-
nung und Verköstigung. Säuglings-
krankenpflegerinnen erhalten an Krip-
pen, Säuglingsheimen oder Beratungs-
stellen einen Anfangsjahresgehalt von
360 bis 800 Mark mit gleichfalls freier
Kost und Wohnung; leitende Stellun-
gen werden mit 600 bis 1200 Mark
bezahlt.
Aus der Tätigkeit der Säuglings-
krankenpflegerin entwickelt sich ihre
Verwendung als Süuglingsfürsorge-
schwester, deren Wirkungskreis die Be-
ratung der Mütter eines bestimmten
Bezirkes umfaßt. Ihre Aufgabe ist es,
die Beschaffenheit der häuslichen Ver-
hältnisse innerhalb ihres Kreises festzu-
stellen, darauf bedacht zu sein, Schäden
abzustellen und Belehrung zu verbrei-
ten. Der Säuglingsfürsorge ist eine der
wichtigsten Volkserziehungsarbeiten anvertraut. Es gilt gegen Aber-
glauben aller Art, Unkenntnis, Gleichgültigkeit gegen Schmutz und schlechte
Gewohnheiten anzukämpfen, die in der Kleinkinderpflege der unteren
Schichten noch weit verbreitet sind. Die Wirksamkeit der Kreisfürsorge-
schwester — für den Säuglingsschuh auf dem Lande unentbehrlich — ist
überaus vielseitig, da sie auch auf anderen Gebieten der sozialen Hygiene,
wie Trinkerfürsorge, Tuberkulosefürsorge und Wohnungsfürsorge bewandert
sein muß, im Grunde alles Gebiete, die eng mit zielbewußter Säuglings-
pflege Zusammenhängen. Diese umfassende Tätigkeit kann nur ganz tüch-
tigenKräften anverlraut werden, die neben fachlicher Bildung ernstes soziales
Verständnis besitzen. Kreisfürsorgeschwestern erhalten 1200 bis 1600 Mark.
Der Beruf der Säuglingspflegerin ist verschiedenartig abgestuft. Die
Eruppenbildung erweitert sich noch durch die Ausbildung von Pflege-


Fröhliche Versammlung auf dem Balkon.


Schwester Lisas Krabbelgarde.
 
Annotationen