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wollten. Er rief aus: „Das Elend i st unübersehbar. Ich zähle nur die
Kirchen auf, deren Notschreie ich gehört habe, diejenigen welche leben wollen, und die
untergehen werden, wenn niemand sie rettet..." „Das ist kein böser Traum, die
Kirchen stehen da wie Märtyrer in der Are n a. Wem sind sie preisgegeben?
Der Dummhei t." Am 16. Januar 1911, als Barros zürn erstenmal in der
Kammer über den Verfall der Kirchen klagte, erwiderte ihm der Abgeordnete Beau-
guier unter Gelächter und Beifall des Hauses: „Da Gott allmächtig ist, muh er da-
für sorgen, daß seine Kirchen nicht Zusammenstürzen, und sie selbst ausbessern. Wenn
er dies Wunder nicht vollbringt, so will er nicht, daß es geschieht, klnd wenn er es
nicht will, müssen wir uns seinem Willen beugen."
Das geschah fünf Jahre vor der letzten Beschießung nichtderKathedrale,
sondern der Stadt Reims.
Gewiß gehört der würdige
Beauquier zu den Ent-
rüsteten, die über deutsche
Barbarei klagen. Aber
schon 1910 erhob der große
Bildhauer Rodin in Paris
seine Stimme. In seinem
Werk „Die Kathedralen"
klagte auch er über die
Mißhandlung der Kirchen
und nannte sie eine „scham-
lose Tatsache, die niemand
überrascht und verbittert...
Die Franzosen stellen sich
den Schätzen feindlich ge-
genüber. Ohne daß je-
mand sich dagegen auf-
lehnt, zerschlagen sie
alles, zerstören sie
aus Haß, aus Dumm-
heit, aus Borniert-
heit... Oh, wie ich
mich meiner Zeit schäme".
Während des Krieges
äußerte sich Rodin zu einem
italienischen Journalisten:
„Warum schleudert die
Welt den Bannfluch gegen
die Deutschen? . . . Die
Welt müßte doch wissen,
daß lange vorher die Kunst
durch den kleinbürgerlichen,
trivialen Geist des neun-
zehnten Jahrhunderts zu
Tode getroffen ward!
Nichts, gar nichts wurde
geschont... Abscheu-
liches geschah lange
vor dem Kriege, in
Paris und ganz
Frankreich, aber auch
inVenedig, in Flo-
renz und Genua."
Ende 1913 stellte man
in Paris die Trümmer der
von den Deutschen vernich-
teten Kirchen aus und
suchte heuchlerisch die Masse
damit aufzureizen. Der
„berühmte Maler" Giu-
seppe Mentessi zeichnete
ein Bild der Reimser Ka-
thedrale. Mit geschickten
Mitteln suchte er eine
„Vision" mit der gotischen
Architektur so zu verbin-
den, daß der Eindruck er-
weckt wurde, als gehöre
sie zum Bauwerk selbst.
Der Gekreuzigte ist die
„Zielscheibe" der deutschen
Barbaren; das ist der „Einspruch der zivilisierten Welt gegen die neuen Bilder-
stürmer". Italien sehnt sich, gleich Frankreich, nach der Trennung der Kirche vom
Staat und vernachlässigt seine Kunstdenkmäler. Deutsche waren es, die lange vor-
her warnten, ehe der Campanile in Venedig zusammenstürzte. Aber auch Italien
muß heucheln und lügen. Seit mehr als einem Jahrhundert taumelt Frank-
reichs Volk von einem Rausch in den anderen. Es schändete alles Heilige, um
seine „Erhebung zur Vernunft" vor der erstaunten Welt zu bezeugen; es ist das
gleiche Volk, das sich nach solchen Komödien wieder vor der Hostie niederwarf,
um sie bei nächster Gelegenheit abermals in die Gosse zu treten. Je nach der
Stunde nannte es sich „die älteste Tochter der Kirche", oder bekennt, daß es „nicht
einmal Gott fürchte". Es ist das selbe Frankreich, das in diesem Kriege, zusammen
mit seinem fröinmigkeitsheuchlerischen Bundesgenossen, über vierzig Kirchen
und Kun std e nkm al e ni e d e r g e s ch o s s e n hat; es ist die ewig in Gegen-
sätzen taumelnde Rasse, die Lügen über Lügen in die Welt kabelt, und wir finden es
noch zu grob, ihnen den Hals mit der eigenen Schande zu stopfen. H. Pauly.
Das trauervolle Schicksal der Kirchen Frankreichs.
rankreich hat seit 1789, seit seiner „großen Befreiung", so gewaltig mit allein
Vergangenen aufgeräumt, daß nichts mehr übrig blieb, was noch besonders zu
schänden wäre. Nur die völlige Vernichtung der kümmerlich erhaltenen letzten
Reste ist noch nicht durchgeführt. Nichts blieb diesem Volk, das es nicht seitdem
wiederholt mit Füßen getreten, in den Kot der Gasse gezerrt hat, um es nach Kinder-
art, kaum notdürftig gereinigt, hinterher wieder anzubeten. Frankreich verfluchte das
Königtum und rottete es aus, es schaffte die Religion ab, erhob die Vernunft auf
den Thron und mordete in ihren: Namen täglich Tausende. In den alten Denk-
mälern der Baukunst sah es seitdem bis zur Stunde nur aufreizende Gegenstände seiner
Mißachtung. Frankreich
verfluchte die Republik und
verblutete unter zwei Kai¬
sern; in der Stunde der
Gefahr wird es nach dem
dritten verlangen, um auch
ihn zu begeifern, wenn er
sich nicht als Retter erweist.
Im Anfang des Krieges,
als der alte Ruf erscholl:
„L Berlin", als Grey schon
Indier und Kosaken dort
Hausen sah, änderte eine
französische Zeitung die
Worte Bismarcks: „Wir
Deutsche fürchten Gott und
sonst nichts in der Welt",
und verkündete laut: „Wir
Franzosen fürchten nicht
einmal Gott".
Vor über zehn Jahren
griff Frankreich auf Gesetze
zurück, die es in den Jahren
der großen Revolution ge¬
schaffen, und setzte die Tren¬
nung von Staat und Kirche
durch. Religion war im
weitesten Sinn Privatsache
geworden; und für die Kir¬
che:: begann eine schmach¬
volle Zeit der Schändung
und gewaltsamen Vernich¬
tung. Wie das unverstän¬
dige Kind den „bösen" Stuhl
schlägt, an dem es sich ge¬
stoßen, so müssen in Frank¬
reich die Kirchen, die Steine
dafür büßen, daß es eine
Zeit gab, wo man noch
gläubig in diesem Lande
war. Nach Gesetz und Recht
vernichtet man die alten
Baudenkmale von Staats
wegen, und läßt sie bewußt
verfallen und verkommen.
Kanin war kirchliches Gut
vogelfrei erklärt worden,
als man in Paris eine der
schönsten Barockkirchen au
eine Varietogesellschaft ver¬
mietete. Mit breiten: Be¬
hagen schilderten die Zei¬
tungen die „Einweihung
der Kirche zum — Va¬
riete".
Wenige Wochen vor der
Kriegserklärung erschien das
Buch eines in Frankreich
angesehenen Schriftstellers
und Abgeordneten, Mau¬
rice Barros, das nichts ent¬
hält als eine endlose Reihe
von Anklagen über die Mißhandlung und bewußte Zerstörung der Kirchen in Frank-
reich. In dieser Schrift gibt Barros die Vorgänge in der französischen Kammer wieder,
die sich dort seit 1911 abspielten, als er zum erstenmal für die geschändeten Kirchen des
Landes eintrat. In kurzer Zeit waren nahezu fünfzig Auflagen dieses Buches verkauft.
Man kennt in Frankreich das Schicksal der eigenen Kirchen, aber man zetert über
„Hunnen und Vandalen, die sich an den Erbgütern der Menschheit vergreifen". Der
französische Staat bietet keine Hand mehr zur Erhaltung der Kirchen. Nur eine geringe
Zahl der 40 000 Kirchen Frankreichs nimmt die Denkmälerverwaltung noch unter
ihren Schuh. Nach dem Gesetz sind die „Gemeinden Eigentümer der Kirchen; sie
können die Kirchen erhalten, verpflichtet sind sie dazu nicht. Es steht ihnen frei, keine
Ausgaben dafür zu machen. Zeigt es sich, daß eine Kirche sich in schlechtem Zustand be-
findet, so kann verfügt werden, daß sie ihrer Bestimmung entzogen wird. Wenn
Verfall droht, kann die Gemeindeverwaltung die Kirchen ab reißen".
Am 25. November 1913 sprach Barros in der französischen Kammer von zwölf-
hundert Kirchen, welche die Gemeinden als Eigentümer nicht erhalten konnten oder
Lügenhafte, zur Aufreizung bestimmte Darstellung der Kathedrale von Reims.
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wollten. Er rief aus: „Das Elend i st unübersehbar. Ich zähle nur die
Kirchen auf, deren Notschreie ich gehört habe, diejenigen welche leben wollen, und die
untergehen werden, wenn niemand sie rettet..." „Das ist kein böser Traum, die
Kirchen stehen da wie Märtyrer in der Are n a. Wem sind sie preisgegeben?
Der Dummhei t." Am 16. Januar 1911, als Barros zürn erstenmal in der
Kammer über den Verfall der Kirchen klagte, erwiderte ihm der Abgeordnete Beau-
guier unter Gelächter und Beifall des Hauses: „Da Gott allmächtig ist, muh er da-
für sorgen, daß seine Kirchen nicht Zusammenstürzen, und sie selbst ausbessern. Wenn
er dies Wunder nicht vollbringt, so will er nicht, daß es geschieht, klnd wenn er es
nicht will, müssen wir uns seinem Willen beugen."
Das geschah fünf Jahre vor der letzten Beschießung nichtderKathedrale,
sondern der Stadt Reims.
Gewiß gehört der würdige
Beauquier zu den Ent-
rüsteten, die über deutsche
Barbarei klagen. Aber
schon 1910 erhob der große
Bildhauer Rodin in Paris
seine Stimme. In seinem
Werk „Die Kathedralen"
klagte auch er über die
Mißhandlung der Kirchen
und nannte sie eine „scham-
lose Tatsache, die niemand
überrascht und verbittert...
Die Franzosen stellen sich
den Schätzen feindlich ge-
genüber. Ohne daß je-
mand sich dagegen auf-
lehnt, zerschlagen sie
alles, zerstören sie
aus Haß, aus Dumm-
heit, aus Borniert-
heit... Oh, wie ich
mich meiner Zeit schäme".
Während des Krieges
äußerte sich Rodin zu einem
italienischen Journalisten:
„Warum schleudert die
Welt den Bannfluch gegen
die Deutschen? . . . Die
Welt müßte doch wissen,
daß lange vorher die Kunst
durch den kleinbürgerlichen,
trivialen Geist des neun-
zehnten Jahrhunderts zu
Tode getroffen ward!
Nichts, gar nichts wurde
geschont... Abscheu-
liches geschah lange
vor dem Kriege, in
Paris und ganz
Frankreich, aber auch
inVenedig, in Flo-
renz und Genua."
Ende 1913 stellte man
in Paris die Trümmer der
von den Deutschen vernich-
teten Kirchen aus und
suchte heuchlerisch die Masse
damit aufzureizen. Der
„berühmte Maler" Giu-
seppe Mentessi zeichnete
ein Bild der Reimser Ka-
thedrale. Mit geschickten
Mitteln suchte er eine
„Vision" mit der gotischen
Architektur so zu verbin-
den, daß der Eindruck er-
weckt wurde, als gehöre
sie zum Bauwerk selbst.
Der Gekreuzigte ist die
„Zielscheibe" der deutschen
Barbaren; das ist der „Einspruch der zivilisierten Welt gegen die neuen Bilder-
stürmer". Italien sehnt sich, gleich Frankreich, nach der Trennung der Kirche vom
Staat und vernachlässigt seine Kunstdenkmäler. Deutsche waren es, die lange vor-
her warnten, ehe der Campanile in Venedig zusammenstürzte. Aber auch Italien
muß heucheln und lügen. Seit mehr als einem Jahrhundert taumelt Frank-
reichs Volk von einem Rausch in den anderen. Es schändete alles Heilige, um
seine „Erhebung zur Vernunft" vor der erstaunten Welt zu bezeugen; es ist das
gleiche Volk, das sich nach solchen Komödien wieder vor der Hostie niederwarf,
um sie bei nächster Gelegenheit abermals in die Gosse zu treten. Je nach der
Stunde nannte es sich „die älteste Tochter der Kirche", oder bekennt, daß es „nicht
einmal Gott fürchte". Es ist das selbe Frankreich, das in diesem Kriege, zusammen
mit seinem fröinmigkeitsheuchlerischen Bundesgenossen, über vierzig Kirchen
und Kun std e nkm al e ni e d e r g e s ch o s s e n hat; es ist die ewig in Gegen-
sätzen taumelnde Rasse, die Lügen über Lügen in die Welt kabelt, und wir finden es
noch zu grob, ihnen den Hals mit der eigenen Schande zu stopfen. H. Pauly.
Das trauervolle Schicksal der Kirchen Frankreichs.
rankreich hat seit 1789, seit seiner „großen Befreiung", so gewaltig mit allein
Vergangenen aufgeräumt, daß nichts mehr übrig blieb, was noch besonders zu
schänden wäre. Nur die völlige Vernichtung der kümmerlich erhaltenen letzten
Reste ist noch nicht durchgeführt. Nichts blieb diesem Volk, das es nicht seitdem
wiederholt mit Füßen getreten, in den Kot der Gasse gezerrt hat, um es nach Kinder-
art, kaum notdürftig gereinigt, hinterher wieder anzubeten. Frankreich verfluchte das
Königtum und rottete es aus, es schaffte die Religion ab, erhob die Vernunft auf
den Thron und mordete in ihren: Namen täglich Tausende. In den alten Denk-
mälern der Baukunst sah es seitdem bis zur Stunde nur aufreizende Gegenstände seiner
Mißachtung. Frankreich
verfluchte die Republik und
verblutete unter zwei Kai¬
sern; in der Stunde der
Gefahr wird es nach dem
dritten verlangen, um auch
ihn zu begeifern, wenn er
sich nicht als Retter erweist.
Im Anfang des Krieges,
als der alte Ruf erscholl:
„L Berlin", als Grey schon
Indier und Kosaken dort
Hausen sah, änderte eine
französische Zeitung die
Worte Bismarcks: „Wir
Deutsche fürchten Gott und
sonst nichts in der Welt",
und verkündete laut: „Wir
Franzosen fürchten nicht
einmal Gott".
Vor über zehn Jahren
griff Frankreich auf Gesetze
zurück, die es in den Jahren
der großen Revolution ge¬
schaffen, und setzte die Tren¬
nung von Staat und Kirche
durch. Religion war im
weitesten Sinn Privatsache
geworden; und für die Kir¬
che:: begann eine schmach¬
volle Zeit der Schändung
und gewaltsamen Vernich¬
tung. Wie das unverstän¬
dige Kind den „bösen" Stuhl
schlägt, an dem es sich ge¬
stoßen, so müssen in Frank¬
reich die Kirchen, die Steine
dafür büßen, daß es eine
Zeit gab, wo man noch
gläubig in diesem Lande
war. Nach Gesetz und Recht
vernichtet man die alten
Baudenkmale von Staats
wegen, und läßt sie bewußt
verfallen und verkommen.
Kanin war kirchliches Gut
vogelfrei erklärt worden,
als man in Paris eine der
schönsten Barockkirchen au
eine Varietogesellschaft ver¬
mietete. Mit breiten: Be¬
hagen schilderten die Zei¬
tungen die „Einweihung
der Kirche zum — Va¬
riete".
Wenige Wochen vor der
Kriegserklärung erschien das
Buch eines in Frankreich
angesehenen Schriftstellers
und Abgeordneten, Mau¬
rice Barros, das nichts ent¬
hält als eine endlose Reihe
von Anklagen über die Mißhandlung und bewußte Zerstörung der Kirchen in Frank-
reich. In dieser Schrift gibt Barros die Vorgänge in der französischen Kammer wieder,
die sich dort seit 1911 abspielten, als er zum erstenmal für die geschändeten Kirchen des
Landes eintrat. In kurzer Zeit waren nahezu fünfzig Auflagen dieses Buches verkauft.
Man kennt in Frankreich das Schicksal der eigenen Kirchen, aber man zetert über
„Hunnen und Vandalen, die sich an den Erbgütern der Menschheit vergreifen". Der
französische Staat bietet keine Hand mehr zur Erhaltung der Kirchen. Nur eine geringe
Zahl der 40 000 Kirchen Frankreichs nimmt die Denkmälerverwaltung noch unter
ihren Schuh. Nach dem Gesetz sind die „Gemeinden Eigentümer der Kirchen; sie
können die Kirchen erhalten, verpflichtet sind sie dazu nicht. Es steht ihnen frei, keine
Ausgaben dafür zu machen. Zeigt es sich, daß eine Kirche sich in schlechtem Zustand be-
findet, so kann verfügt werden, daß sie ihrer Bestimmung entzogen wird. Wenn
Verfall droht, kann die Gemeindeverwaltung die Kirchen ab reißen".
Am 25. November 1913 sprach Barros in der französischen Kammer von zwölf-
hundert Kirchen, welche die Gemeinden als Eigentümer nicht erhalten konnten oder
Lügenhafte, zur Aufreizung bestimmte Darstellung der Kathedrale von Reims.
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