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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 5/6
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Mayr, Georg von: Ueber die Grenzen zwischen Kunst und Gewerbe: Vortrag, gehalten im bayerischen Kunstgewerbe-Verein am 25. Februar 1891
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0041

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wie sich heute die kunstgewerbliche Illustration eines Pracht-
werkes im Vergleich mit der Zeit vollzieht, da die Per-
gamenthandschrift nnt künstlerisch geformten Initialen aus-
gestattet wurde.

Ls wäre ein Fehler, vom Kunstgewerbe zu verlangen,
daß es sich gegen die Fortschritte der Technik ablehnend
verhalte, — und es wäre zu engherzig, nur das von der
Hand des Künstlers gefertigte Produkt als ein kunstgewerb-
liches gelten zu lassen. Der Fortschritt des Kunstgewerbes.
ist vielmehr geradezu dadurch bedingt, daß es alle Fort-
schritte der Technik sich zu eigen mache, soweit dies nur
immer ohne Gefährdung der künstlerischen Gestaltung des
Gewerbebetriebes erfolgen kann. Line nothwendige Folge
dieser Lntwicklung wird es in vielen Fällen sein, daß das
Lrfinden der künstlerischen Formen- und Farbengebung
immer mehr ein selbstständiges Geschäft wird und daß die
Ausführung des so Lrdachten anderen Händen überlassen
bleibt. Aber diese Trennung, welche zweifellos manche
Gefahr für die künstlerische Vollendung des zu Schaffenden
birgt, muß in zweierlei weise überbrückt werden. Ls muß
die sachliche und persönliche Fühlung zwischen Künstler und
Techniker aufrecht erhalten werden. Der Künstler soll durch
regen Verkehr in der Werkstätte des Ausführenden nnt den
Bedingungen der gewerblichen Darstellung innig vertraut
sein; er soll weiter auch in einem stetigen persönlichen
Verkehr mit den: Kunsthandwerker bleiben. Dieser selbst
aber darf sich, wenn er auch die Zdeen aus Kopf und
pand des Künstlers entnimmt, nicht als eine bloße Arbeits-
maschine fühlen. Ihm fällt ja vor Allem die große Auf-
gabe zu, für die kunstgewerblichen Zwecke, welche er ver-
folgt, den richtigen Mann unter den Künstlern zu finden.
3K° hat dann weiter an des Künstlers Arbeit eine verständige
— uicht kleinliche — Kritik zu üben; auch die künstlerischen
pdeen bei der Ausführung der etwa gebotenen fachgeinäßen
Kmgestaltung zu unterziehen. Fast in noch höherem Grade,
wie der Künstler auf den Gewerbetreibenden angewiesen ist,
scheint es für letzteren geboten, daß er selbst in stetiger
sachlicher und persönlicher Fühlung mit der Kunst verbleibe.
Die Heranbildung des Kunsthandwerkers muß in dieser
hinsicht den Grund legen; aber das genügt nicht; auch
weiterhin mitten in seinein Schaffen soll er in regem per-
söitlichen Verkehr mit Kunst und Künstlern bleiben. Dies
zu vermitteln ist eines der edelsten Ziele unserer kunst-
gewerblichen Vereinigungen.

Untersuchen wir schließlich noch die Art des sachlichen
Zusammenwirkens von Kunst und Gewerbe bei einer und
derselben persönlichen Thätigkeit, so finden wir, daß beide
Thätigkeitsformen in der mannigfaltigsten weise sich durch-
schlingen und bedingen. Dies zeigt sich namentlich dann,
wenn wir daran gehen, die künstlerische Erfindung und die
technische Vollbringung des Werkes auseinanderzuhalten.
Nicht blos im Kunstgewerbe, sondern schon bei der reinen
Kunst zeigen sich hier die mannigfaltigsten Erscheinungs-
formen. Nehmen wir die Baukunst, so muß zwar der
Meister in die Geheimnisse des technischen Vollbringens

wohl eingeweiht sein, aber an diesem Vollbringen selbst
nimmt er keinen persönlichen unmittelbar thätigen Antheil.
Seine künstlerische Leistung erschöpft sich im Ersinnen und
Entwerfen des Plans. Daß die sorgsame Verfolgung der
technischen Bauthätigkeit ihn fortlaufend neu zur Selbst-
prüfung seines Plans auffordert und daß er nach Maß-
gabe derselben verändern und verbessern wird, ändert nichts
an der Thatsache, daß wir es hier mit einer Kunstform
zu thun haben, in welcher Ersinnen und Vollbringen sich
deutlich sondern, weiter ist für diese Kunstform die That-
sache charakteristisch, daß das Maß menschlicher Kräfte,
welche dem technischen Vollbringen gewidmet sind, verhält-
nißmäßig sehr groß sein kann, gegenüber dem Maß der
ersinnenden, künstlerischen Kraft. Dagegen gibt es wiederum
andere Formen auch der hohen Kunst, in welcher Ersinnen
und Vollbringen in einem Kopf und einer Hand zufammen-
fiießen. Bei der Velmalerei muß auch der höchststehende
Meister der Kunst gleichzeitig der Techniker sein, der die
Oelfarben auf 'der Leinwand fixirt, und nur in unter-
geordneter weise kann fremde Beihilfe hiebei Verwendung
finden.

Aehnlich liegt die Sache beim kunstgewerblichen Schaffen.
Im Ganzen ist dabei nicht zu verkennen, daß der Geist
der Zeit der Vereinigung der gesammten künstlerischen und
technischen Thätigkeit in einer Hand nicht hold ist. Unab-
lässig strebt die Technik danach, Handfertigkeiten aller Art
zu mechanifiren und damit der Hand des Künstlers zu ent-
winden. Aus dem ausübenden Kunsthandwerker werden
mehr und mehr zwei Personen: der zeichnende und model-
lirende Künstler und der ausführende Techniker. Diese
Strömung ist nicht aufzuhalten; es kommt deshalb darauf
an, sie in solche Bahnen zu lenken, daß das Wesen kunst-
gewerblichen Schaffens unbeschadet der Anhandnahme ver-
besserter Technik dabei nicht Schaden leide, wie bereits an
anderer Stelle hervorgehoben ist. Der Kitt, welcher auch
angesichts der rastlosen technischen Erfindungen der Neuzeit
die Kunst und das Gewerbe fest Zusammenhalten muß,
ist das gegenseitige Verständniß der Künstler und der Ge-
werbetreibenden nicht blos für ihre verschiedenartigen, son-
dern vor Allein für ihre gemeinsamen Arbeiten. Dieses
Verständniß aber beruht auf der unerschütterlichen Keber-
zeugung voit der vollen Gleichberechtigung der Kunst wie
des Gewerbes bei allen Schöpfungsakten kunstgewerblicher
Thätigkeit. Es gibt hienach eine feste Grenze, welche wie
eine chinesische Mauer das Gebiet der Kunst und jenes
des Gewerbes schiede, überhaupt nicht, wohl aber gibt es
zwischen der reinen Kunst und den: rein techitischen Ge-
werbebetrieb eine breite neutrale Zone, in welcher — be-
günstigt vom goldenen Sonnenschein künstlerischen Em-
pfindens — in emsiger kunstverständiger Gewerbsthätigkeit
die Vermählung von Kunst und Gewerbe sich stets neu
vollzieht. Mögen in dieser glücklichen Ehe Gewerbe und
Kunst fortan wie Mann und Frau sich achten und lieben,
und möge derselben auch fernerhin ein reicher Kindersegen
echten und rechten Kunstgewerbes entsprießen!

Zeitschrift des baycr. Aunstgewerbe-vereins München.

fSfN Heft S & 6 (Bg. 2).
 
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