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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 5/6
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Melani, Alfredo: Die Sammlung Carrand im Museo nazionale zu Florenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0042

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>MM im Museo nazionale Mi AlwkNz.

11T September (888 starb zu Florenz in seiner Villa
di San ldarco Vecchio ein hervorragender Sammler
kunstgewerblicher Gegenstände, Louis Larrand, ein
reicher Franzose, welcher seit längerer Zeit Florenz zu
zu seiner Adoptiv-vaterstadt gewählt hatte. Larrand
hatte testamentarisch alle seine Alterthümer und Kunstgegenstände der
Stadt Florenz vermacht, mit der ausdrücklichen Verpflichtung, dieselben
in dem krluseo nationale — gewöhnlich Bargello genannt — auf-
zubewahren. -

Die städtische Behörde ließ alsbald nach Empfang dieser Nach-
richt ein Inventar der Gegenstände aufnehmen, und dieselben —
nach erfolgter Besitzergreifung — im Bargello aufstellen. Ehe dem
Publikum der Zutritt zu der Sammlung gestattet wurde, galt es,
dieselbe gewissenhaft zu ordnen, eine mühevolle Arbeit, welcher sich der
Konservator des Bargello, Or. Rosst, unterzog, und welche noch nicht
völlig beendet ist; aber sie wird binnen Kurzem abgeschlossen sein

Lrucifix-Fuß aus Ebenholz mit Silber-Anflagen.

Aus dem heilthumbuch der St. Michaels-öofkirche z» München,
(vgl. Jahrgang (888, S. ( ff.)

und das Publikum wird sich an der Sammlung Larrand freuen
können, welche viele mehr vom Hörensagen als von Augenschein
kannten und welche mit Recht in ganz Europa einen guten Ruf
genießt. Darüber zu berichten — und wäre es auch nur im All-
gemeinen — wird den Leser» der Zeitschrift, welche vielleicht schon
von der Sammlung gehört, sie aber nicht gesehen haben, gewiß will-
kommen sein.

wie der Konservator des Museums, welcher auch auf Empfehlung
des k. Inspektorates der Provinzialdenkmäler mir den Besuch der
Sammlung vor deren völliger Grdnung gestattete — wofür ich hiermit
öffentlich danke — von vornherein bemerkte, sind in der Kollektion
alle jene Gegenstände aus dem Mittelalter und der Renaissance zu
bewundern, welche durch die Kunst veredelt und verfeinert werden
konnten. Sie ist deshalb eine im wesentlichen künstlerische Samm-
lung; um dies zu bestätigen, genügt es die Gruppen aufzuzählen,
aus denen sie besteht, wir finden hier Elfenbeinschnitzereien — und

dieselben sind iu großer Zahl vertreten, darunter einige ausgesuchte
und seltene Arbeiten — Bronze», Emails, Kircheugeräthe, Schmuck-
sachen, Waffen, Majoliken, Gläser, Krystallsachen, geschnittene Steine,
Nielleu, Schnitzereien, gepreßtes Leder, Schmiedeisenarbeiten, Malereien
— diese allerdings von geringerem Werth und Interesse — Minia-
turen, Medaillen, Münze», Siegel und endlich Tapeten (Gobelins),
Stickereien und Stoffe.

vor der Besprechung einzelner hervorragender Stücke der
Sammlung muß bemerkt werden, daß Larrand, welcher seine Samm-
lung fast ausschließlich in Frankreich erworben hat, der französischen
Kunst mit Recht eine dominirende Stellung eingeräumt hat. Damit
soll trotzdem nicht gesagt sein, daß diese Sammlung eine ausschließlich
französische sei; es befinden sich in derselben auch italienische, vlämische
und deutsche Arbeiten aber allerdings überragt von den französischen.

Als ich die Sammlung besuchte, welche in der sogenannten Sala
del Cammino oder del Duca d’Athene ausgestellt werden wird, waren
au <Drt nur die Elfenbeinarbeiten und die Bronzen; der Rest war
zwar etiquettirt, lagerte aber noch in den Magazinen des Museums.
Der Eindruck, den ich bei meinem Besuch, iu Begleitung des Konser-
vators Rossi, erhalten habe, ist der, daß namentlich die Elfenbeiu-
arbeiten, die Bronzen, die Emails und die Stoffe hervorragen.

Ich unternehme es nicht ein Mal das verzeichniß der aller-
ersten Elfen beinarbeite n, welche die Sammlung enthält, nach
meinen Notizen wiederzugeben; ich halte mich nur bei einem einzigen
Stück auf, da es von ganz besonderem Interesse ist. Es ist ein Fla-
bellum, welches aus der Abtei von S. Philibert in Tournus stammt,
das auf der Weltausstellung zu Paris (8S7 ausgestellt und dort von
der Ausstelluugskommission in's 9. Jahrhundert gewiesen worden war;
Andere sehen seine Entstehungszeit erst in's ((. Jahrhundert, wie
dem auch sei, wir haben hier ein hervorragendes Elfenbeinschnitzwerk
von größter Seltenheit vor uns, das älteste bekannte Flabeilum;
denn jenes berühmte iu Monza von der Königin Theodolinde (wie
man sagt), welches dem 9. Jahrhundert zugeschrieben wird, ist meiner
Meinung nach nicht älter als das (2. Jahrhundert.')

Das Flabellum Larraud besteht aus einem fächerförmig gefalteten
Pergament, welches sich kreisförmig öffnen läßt; zu beiden Seiten ist
dasselbe in einige Zonen getheilt, welche mit Inschriften und Arabes-
ken, in der mittleren Zone mit roh gemalten Heiligenfiguren auf ein-
farbigem Grund geschmückt find. Neben dem Handgriff ist der bemer-
kenswertheste Theil des Gegenstandes das Futteral, auf welchem
Reliefs mit Darstellungen aus dem Hirten- und Landleben angebracht
sind, aus beiden Seiten umgeben von zierlichen Grnamenten aus
Laubwerk, in welches Menschen und Vögel anmuthig hinein ver-
flochten sind.

Es ist unmöglich, die zahlreichen Elfenbein - Diptychen dieser
Sammlung aufzuzählen; fast alle gehören der französichrn Bildhauer-
schule an, welche im (<(. Jahrhundert blühte (besonders prächtig ist
auch ein vlämisches in gothischem Stil). Nächst dem genannten
Flabellum bildet ein iutarsiirtes Schachbrett den Hauptanziehungspunkt
in dieser Elfenbeiugruppe; es ist aufs Reichste geschmückt mit Liebes-
abenteuern, Jagd- und Mustk-Scenen, Turnieren. Es gehört viel-
leicht der französischen Schule des (5. Jahrhunderts an und ist in
der Feinheit der Arbeit wahrhaft bewuudernswerth.

Ueber die Gruppe der Bronze ließe sich viel sagen, und die
zahlreichen Placchetti 2) der Sammlung gäben Gelegenheit zu verschie-
denen Betrachtungen je nach dem man vom geschichtlichen, künst- *)

>) vgl. Melani, Svaghi artistici femminili. Milano, A. Höpli. p. r;6—r;7.

*) »Plaquettes« nannte E. Molinier eine Gruppe von Flachreliefs aus Bronze,
denen er ein besonderes Studinm gewidmet hat.
 
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