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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 7/8
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Semper, Hans: Ueber Monumentalbrunnen und Fontainen, [2]: stilgeschichtlicher Ueberblick bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
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Hofmann, Albert: Zur Teppich-Ausstellung des k. k. Handelsmuseums in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0050

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H6 H-

Fontaine auf der Piazza Annunziata zu Florenz; von Pietro Tacca.

Nach ssbotograpbie gezeichnet von <£. 5 a cf.

Auch bei dieser Fontaine ist, wie bei der Neptuns-Fon-
taine des Ammanati, der Kelch- oder Tantharus-
Typus, der allen übrigen bisher besprochenen Fontaincn
noch eigen war, aufgegeben, indem an dessen Stelle über
den: unteren, große,: wassertrog sich ein inassiver zwei-
geschossiger, architektonischer Aufbau erhebt, an
welchem blos als dekoratives Beiwerk an den unteren
Flächen kleine, auf Konsolen vortretende Wannen, an den
oberen Kanten kleine Muscheln angebracht sind, welche das
herabfallends Wasser aufsangen und abspritzen oder über-
siießen lassen. Dagegen ist die bekrönende Figur des Neptun,
in Ergänzung des Unterbaues, durch ihre Größenvcrhältniffe
als das Ganze beherrschend hervorgehoben (Abbildung 5. H5).
Hiedurch wurde der Keim für eine neue Gattung, die
Standbilder-Fontainen, gelegt.

Hervorzuheben ist noch, daß alle Figuren ebenso wie
die dekorativen Bestandtheile aus B r o n c e gegossen sind,
wogegen die Architekturflächen und Gliederungen aus Mar-
mor bestehen. Giovanni Bologna bevorzugte für Fon-
tainenfiguren die Bronce, indem er hierin jedoch nur eine
schon vor ihn: bestehende Neigung der toskanischen Fon-
tainenplastik der Spätrenaissance noch stärker betonte. In
der That fi>:den sich im Nationalmuseum zu Florenz noch
mehrere kleinere Broncefiguren des Giovanni Bologna,
welche als Brunnenfiguren gedacht und wahrscheinlich
Wiederholungen größerer sind; so ein nacktes Kind, das,
auf einem Felsen sitzend, einen Fisch vor sich hält und eine
Rolle (zum Wasserspeien) in die Höhe hebt. Ferner eine
Venus, die ihr Haar auswindet; ja selbst sein berühmter,
schwebender Merkur war ursprünglich eine Brunnenfigur.*)
Auch sein florentinischer Schüler, pietro Tacca
(si j6^0), hat einige kleinere Fontainen von hohem Reiz
und von großer, dabei feiner, dekorativer Wirkung ge-
schaffen, so die beiden phantastischen Fontainen auf dem
Platz der Annunziata-Kirche zu Florenz, an denen zwei
drollig komponirte geflügelte Seeteufelchen aus Bronce den
oberen Abschluß bilden und in zwei nmschelartig ver-
schnörkelte Bronceschalen das Wasser speien, woraus das-
selbe in das darunter befindliche Bassin abfließt, aus den:
sich die Fontaine auf einen: zierlich geschmückten Unterbau
von Marmor erhebt. (Abbild, nebenstehend.) Achnlich be-
handelt ist die massivere steinerne Bacchus-Fontaine desselben
Künstlers in prato,**) wo auf viereckigen:, mehrfach ge-
gliederten, am oben: Theil mit Fruchtschnüren und Tritonen-
schwänzen in Relief verzierten: Untersatz sich eine muschel-
artig verschnörkelte Schale erhebt, über der auf einen: Sockel
der Bacchusknabe, mit riesigen Trauben in den Händen
sitzt, aus denen, ebenso wie aus seinem Munde, statt des
Weines Wasser fließt. (Fortsetzung folgt.)

*) lieber Giovanni Bologna siehe besonders: Baldinncci. II.

p. 555 f.

**) Heber Pietro Tacca siehe: Baldinncci. IV. p. 77 f.

Cpftlll!

dkß k. k. Kandklsmusküms in

von Albert Lofmami-Reichenbcrg.

j. UF ihrem Panier führte die Malerzunft in
Siena einen Wahlspruch, in welchem die Maler
aufgesordert werden, „denen, die nicht lesen
können, die Kenntniß der göttlichen Dinge zu
vermitteln". Hiermit hat n:an schon an: Ausgange des
Mittelalters in Italien den hohen Beruf umschrieben,
welchen die Künstler, heute die Künstler und Museen
haben: „denen, die nicht lesen können, die Kenntniß der
göttlichen Dinge zu vermitteln." „Die nicht lesen können",
welche ungeheure Menge bilden sie heute noch gegenüber
jener kleinen Gemeinde Wissender, und wie sind auch diese
trotz der unendlichen Hilfsmittel, welche Scharfsinn und
überlegene Geistesthätigkeit hervorgebracht, nur bis an

die Außenthore des himmlischen Reiches der Kunst vor-
gedrungen. Welche Mühe gehört nicht heute noch dazu,
einen Laien verständnißvoll in den Kunstkreis eines kunst-
gewerblichen Gegenstandes einzuführen, der ihn beständig
umgeben, der mit seinem Ich verwachsen und einen Theil
der Tharakterbeschreibung des Ligenthümers bilden soll?
Aber das Kunstgewerbe ist aus dem glücklichen Wege, eine
Kunst des Volkes zu werden, welches ihm mit wachsenden:
Verständniß lohnt, was es der Volksseele durch das
Göttliche seines großen Gnadenschatzes gethan, wie es sie
gebildet, wie es sie gehoben und lebensfreudig gemacht hat.
Daß ein solcher Prozeß nur langsam vor sich gehen kann,
liegt aus der Hand und wird dem sofort begreiflich werden,

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