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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 1/2
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M., F. von: Paul Sayer
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Schulze, F. O.: Die Kunstgewerbeschulen Italiens
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0018

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Krösus schien er inmitten seiner kleinen Reichthümer, den alten Bildern,
Schnitzereien, seltenen Büchern und hundert anderen Dingen, welche
Werkstatt und Wohnraum schmückten. Stolzer und freudiger konnte
niemals ein reicher Kunstmäcen ein neu erworbenes Prachtstück seiner
Sammlung einverlciben, als Sayer es that, wenn er ein kleines
Rähmchen, ein Stück von einer alten Schnitze, ei und dergl. auf dem
Tändelmarkt um wenige Mark erworben hatte. Er konnte springen
vor Freude über solch gelungenen Kauf; war es ihm aber geglückt,
ein wirkliches Kunstwerk zu erwerben — und er fand solche mit
feinstem verständniß heraus — wobei er dann auch größere Summen
bei all seiner sonstigen Sparsamkeit nicht scheute, so wies er dem
Schatz einen Platz in seiner nächsten Nähe an. Lange Abende saß
er dann allein davor. Die alten Meister, die ihr Denken und Em-
pfinden in solch ein Werk gelegt, waren ihm vertraute, verständniß-
innige Freunde. In der Werkstatt umrankten pstanzen, die er als
zarten Keim selbst gesetzt und deren Wachsthum er mit wahrer Theil-
nähme verfolgte, das hohe Fenster. Eine Hobelbank mit Holzwerkzeug,
der Drehstuhl und einige Stühle bildeten das ganze Mobiliar.

Da stand er noch am Vorabende seines Scheidens. Das schon
erwähnte Denkmal des Herrn Erzbischofs Or. von Steichele war im
Thonmodell vollendet; in angeborener Gewissenhaftigkeit aber wollte
er nicht schließen mit der Arbeit, ohne das Urtheil von allen erst
gehört zu haben, die dem verstorbenen im Leben näher waren, ob-
wohl die Geschwister in der Heimat seit Wochen den Bruder schon

erwarteten. — „Morgen" endlich wollte er fort; in der Wohnung
standen die Koffer schon bereit, alle Vorbereitungen zur Reise waren
getroffen. Er hielt auch Wort mit seinem: „Morgen reise ich" — doch
nicht zum Schwarzwald führte ihn der Weg.

Lin tückisches Leiden hatte den kräftigen, jugendfrischen Körper
urplötzlich erfaßt, so rasch, so unerwartet, wie im jähen Sturz von
steiler Höhe. — Er klammerte sich an das Leben, in dessen vollster
Kraft er sich noch fühlte; als er von Gefahr hörte, da war sie schon
nicht mehr zu beschwören.

Kein Freund konnte ihm mehr Freundesdienste leisten. Sie fanden
den, der vorgestern noch voll freudiger Hoffnung war, als todten Mann.

Mit ihm schied ein den Seinen treuer Bruder, den Freunden ein
lieber Freund, der Kunst ein begeisterter Jünger — eines jener seltenen
Originale, die, wie immer auch sonst die Meinungen auseinander
gehen mögen, geschäht und geachtet sind von Allen — von den Be-
gnadeten einer, deren Kunst wie ein gesunder Baum im ganzen
Menschen wurzelt.

von Krämpfen verzerrt, hatte er sich trotz der Abmahnung des
Geistlichen auf seinem Schmerzenslager aufrichten lassen, um voll Ehr-
furcht knieend den Höchsten zu empfangen, in dessen Bild am Kreuze
er sich so oft vertieft. Dann schlief er ein — „ein Heiligenbildhauer"
— treu bis zum letzten Augenblick dem frommen Sinn, mit dem er
Frommes schuf. Sein Leben war ohne Widerspruch — er hatte keinen
Feind. F. v. M.

«nflgkimWillN

ie erste Ausstellung der höheren italienischen Kunst-
gewerbeschulen wurde programmgemäß am 20. Oktober
durch den Minister Miceli im Ausstellungspalast der
Via Nazionale eröffnet, und haben an derselben theil-
genommen die Schulen von Florenz, Mailand, Neapel,
Palermo, Rom, Turin und Venedig.

Die Pflege eines mehr systematischen kunstgewerblichen Unter-
richtes in breiterem Rahmen datirt hier bekanntlich noch nicht so sehr
lange; das im Jahre {872 durch die Gemeinde Rom in's Leben
gerufene Kunstgewerbe-Museum richtete beispielsweise erst {876 die
ersten Schulabtheilungen ein und das Kunstgewerbe-Museum von
Neapel, wie die Arbeitswerkstätten desselben sind im Jahre {880 ent-
standen , die Schule in Mailand *882, in Palermo erst {887. Die
kunstgewerblichen Museen und Schulen unterstehen dem Handels-
ministerium, während die Kunst-Akademien und Sammlungen zum
Ressort des Unterrichtsministers gehören, ein Umstand der auch seine
Nachtheile mit sich führt, da bei der theilweisen Gleichartigkeit der
Lehrgegenstände da wie dort doch doppelte Schulen und somit doppelte
Spesen verlangt, die Mittel bei der gerade nicht sehr blühenden, durch
zu große und vielseitige Opfer geschwächten Finanzlage noch mehr
erschöpft werden, wobei natürlich das Kunstgewcrbe den Kürzeren zieht.
Der Jahreszuschuß des Staates d. h. des Handelsministers beträgt zum
Beispiel bei der Schule zu Venedig (0,000 Lire (5000 gibt dazu die
Handelskammer, 8000 die Gemeinde und 2000 die Provinz), während
das Unterrichtsministerium für das Istitulo di belle arti an beinahe
HO,000 Lire auswirft; — die Schule zu Florenz ist gleichfalls mit
{0,000 Lire subventionirt, desgleichen die mit dem städtischen Museum
verbundene Schule in Mailand, wo indessen die Gemeinde ebenfalls
{0,000 Lire zusteuert, die Provinz und die Handelskammer je 2500
Lire; — die Schule in Palermo, mit der zugleich eine weibliche Ab-
theilung, wie Lehrwerkstätten verbunden, hat einen jährlichen Staats-
zuschuß von {6.000 Lire, Gemeinde und Provinz steuern je hooo, die
Handelskammer {000 Lire bei (die Spesen der ersten Einrichtung be-
ziffern sich auf HO,000 Lire, vertheilt wie vor auf (7,000 — {2,000
— {0,000 und {000). Hier in Palermo belaufen sich die Gehalte des
Direktors auf 2000 Lire (Mailand 3000), die der fünf Professoren
auf je {200 und {500 Lire (Mailand 2000), der Werkmeister für die
Kunstschreinerei, die keramische Abthcilung u. s. w. auf je {200 Lire.
Der Unterricht beschränkt sich in manchen Schulen nur auf die Abend-
stunden, bei den niederen Schulen und in kleinen Gemeinden z. B.
nur auf die Feiertage und wird derselbe meistens durch Lehrkräfte

der dortigen technischen oder anderer Institute gehalten oder von einem
Künstler des Ortes geleitet; die Stipendien bewegen sich hier zwischen
{000 und 600 Lire und sind diese Schulen aus außergewöhnliche Sub-
sidien angewiesen, ohne einen ständigen Staatszuschuß zu genießen.

Die Frequenz der höheren Schulen betrug {88H/85 in Florenz
{H{, in demselben Jahre in Mailand 23H, das letzte Jahr dort 2H7;
in Rom stieg die Zahl der Schüler von 26 im Jahre {876 auf {{s
im Jahre {88H und heute steht sie auf {82, wovon {{{ allein auf
die Klaffe für Dekorationsmalerei entfallen.

Jede der Schulen trägt so ziemlich ihr eigenes Gepräge zur
Schau, wie es ja von vornherein schon vielfach lokale Interessen mit
sich bringen. Die Schulen von Florenz und Mailand scheinen
sich zunächst ausschließlich nur mit dem Unterricht im Linear- und
Ornamentzeichnen und Modelliren zu beschäftigen und theilen diesen
selbst in zwei Kurse, deren erster dem reinen Kopiren, der zweite den
Kompositionsübungen angehört. Erfreulich ist es, daß dieses Loxiren
doch nicht blos nach Vorlagen geschieht oder in Vergrößern nach
Photographien, sondern die Schüler auch in selbständigen Aufnahinen
nach der Natur geübt und zum eigenen Nachdenken angehalten werden.
So hat Florenz ganz passende und gut dargestellte Aufnahmen von
Möbelstücken aus dem dortigen Nationalmuseum, dem schönen Lhor-
gestühl der Sakristei von Lanka Croce, der Decken aus dem Palazzo
Vecchio u. A. gebracht. Mailand stellt unter den vom Direktor
Eavenaghi und Architekt Alfreds Melani geleiteten Arbeiten haupt-
sächlich Entwürfe, auch recht tüchtige der mannigfachsten Art und in
allen Stilarten aus. Auch Venedig, dessen Schule mit der kostbaren
Sammlung des städtischen Museo Correr in Verbindung steht, übt
wohl nur Zeichnen und Modelliren, läßt Studien nach dem lebenden
Modell vornehmen und giebt dazu die nöthigen Unterweisungen in
der Anatomie. Der Unterricht erscheint indessen mehr praktisch aus-
einandergchalten für die einzelnen Professionen und die ganze Richtung
hält sich stilistisch mehr an die so herrlichen Vorbilder der heimischen,
venezianischen Kunst. Die Schule von Turin hängt mit dem seit
{865 bestehenden königlichen Museo industriale zusammen und ist
eigentlich mehr Industrie- und Gewerbeschule, die neben den Unter-
richt in Physik, Ehemie, Mechanik, Metallurgie, Elektrotechnik u. s. w.
auch den Zeichnenunterricht pflegt und wie dort die Heranbildung von
Gewerbeingenieuren (ingegneri industriali), so hier mehr die Erziehung
von Zeichenlehrern im Auge hat. Dem Lehrplan gemäß finden wir
denn hier hauptsächlich als Stilstudien durch die ältesten Kulturen der
Aegypter, Assyrer, Phönicier, Etrusker, Griechen und Römer eine
 
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